Antibiotika-Resistenzen bei Nutztieren: Ergebnisse aus 2018/2019, 2020 und 2021
Dr. Reinhard Sting, Fachtierarzt für Mikrobiologie; Dr. Andreas Hänel, Fachtierarzt für Mikrobiologie
Antibiotika sind die wirkungsvollsten Arzneimittel gegen bakterielle Infektionen. Allerdings stellen Antibiotika-Resistenzen eine immer größere Herausforderung für die Human- und Veterinärmedizin dar.
Deutliche Reduzierungen der Verwendung von Antibiotika sowie deren zielgerichtete Anwendung stellen wirkungsvolle Maßnahmen dar, die Entwicklung und Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen einzugrenzen. Empfehlungen für den verantwortungsbewussten Gebrauch von Antibiotika bei Tieren geben die „Leitlinien für den sorgfältigen Umgang mit antibakteriell wirksamen Tierarzneimitteln (Antibiotika-Leitlinien)“ der Bundestierärztekammer [1] und die „Guidelines for the prudent use of antimicrobials in veterinary medicine“ der EU [2]. Gesetzliche Vorgaben mit dem Ziel, die Menge verwendeter Antibiotika zu reduzieren, sind in der Neufassung der Verordnung über tierärztliche Hausapotheken (TÄHAV) geregelt. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gibt Hinweise zum Umgang mit der Tierärztlichen Hausapothekenverordnung [3].
Daten und Fakten zur Verbreitung von Antibiotikaresistenzen in der Human- und Veterinärmedizin in Deutschland werden regelmäßig in Berichten des Nationalen Resistenzmonitoring veröffentlicht [4].
Antibiotikaresistenzen zu erkennen und deren Entwicklung zu beobachten ist mit Hilfe von Antibiogrammen („Resistenzteste“) möglich. Methode der Wahl ist die Bestimmung minimaler Hemmkonzentrationen (MHK) z. B. mit Hilfe der Bouillon-Dilutionsmethode.
Die hier zusammengestellten Daten können Hilfestellungen für Initialbehandlungen häufig vorkommender bakterieller Infektionen bei verschiedenen Nutztierarten geben. Dies ist kein Ersatz für die Erstellung von Antibiogrammen bei ausbleibendem Erfolg oder notwendigem Wechsel des Antibiotikums während einer antibakteriellen Therapie.
Zu beachten sind vor allem § 12c Antibiogrammpflicht und § 12d Verfahren zu Probenahme, Isolierung bakterieller Erreger und Bestimmung der Empfindlichkeit der TÄHAV (Verordnung über tierärztliche Hausapotheken).
Angewendete Techniken
Die im folgenden dargestellten Ergebnisse wurden durch Anwendung folgender Methoden erzielt:
Die Identifizierung der Bakterien erfolgte mittels MALDI-TOF Massenspektrometrie.
Die Antibiogramme wurden mit Hilfe der Bouillon-Mikrodilutionsmethode zur Bestimmung minimaler Hemmkonzentrationen (MHK) durchgeführt [5]. Verwendet wurden Micronaut-S large animals plates für Rind und Schwein (Großtierlayout) und für Geflügel die Micronaut-S AviPro Plate (beide, Merlin Diagnostik, Bornheim-Hersel). Die Auswertungen wurden mit der Software MCN6 (Merlin Diagnostika) durchgeführt. Diese Mikrotiterplatten-Layouts sind kommerziell erworben und enthalten eine festgelegte Beschichtung mit antimikrobiellen Wirkstoffen, die bei dem Großtierlayout im Hinblick auf die Praxisrelevanz vom DVG Arbeitskreis Antibiotikaresistenz empfohlen wurde [6].
Mit Beginn des Jahres 2022 wird das Großtierlayout durch ein Layout für Gram-positive Bakterien und ein Layout für Gram-negative Bakterien ersetzt.
Bei Verdacht auf Extended Spectrum Beta-Lactamasen (ESBL) produzierende E. coli im MHK-Test wurden MacConkey-Agarplatten mit Zusatz von Cefotaxim zu weiteren Identifizierung eingesetzt.
Bei Verdacht auf Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) Isolaten wurde eine PCR auf das sog. mecA-Gen (Gen für die Methicillin-Resistenz) durchgeführt.
Für weitere Informationen s. den Internetbeitrag „Antibiotika-Resistenzen bei Nutztieren: aktuelle Daten und Fakten“ vom 28.04.2020.
Präsentiert werden vergleichend Daten der Antibiogramme, die 2018/2019, 2020und 2021 im Rahmen bakteriologisch-kultureller Untersuchungen von Probenmaterial von Nutztieren erstellt worden sind. Nicht enthalten sind die im Rahmen der Untersuchungen zur Eutergesundheit bei Rindern angefertigten Antibiogramme.
Hinweise zu den Grafiken
- In der Kopfzeile der Grafiken sind die Bakterien, die Tierarten sowie die Lokalisationen, von denen die Bakterien isoliert worden sind, angegeben.
- Bei den Einsendungen handelt es sich um Proben erkrankter Tiere, mit Ausnahme der Proben zur Untersuchungen auf Zuchttauglichkeit von Stuten und Hengsten.
- Es sind stets alle antimikrobiellen Wirkstoffe aufgeführt, die die Mikrotiterplatten-Layouts beinhalten. Ein hohes Resistenzniveau kann daher auch auf eine natürliche Resistenz der Bakterien gegen bestimmte Wirkstoffe zurückzuführen sein, beispielsweise Penicillin G bei E. coli oder Colistin bei Streptococcus spp./Staphylococcus spp.. Daher muss in jedem Fall immer auch die Indikation und das Wirkspektrum der antimikrobiellen Wirkstoffe berücksichtig werden.
- In Analogie zu den Berichten zu den Resistenzmonitoringstudien des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) [4] zeigen die Säulen der Diagramme, welcher Prozentsatz der isolierten Keime gegen das jeweilige Antibiotikum resistent war.
Antibiotikum | Antibiotikum-Gruppe |
---|---|
Amoxycillin/Clavulansäure | Aminopenicillin (Ampicillin, Amoxicillin) |
Ampicillin | Aminopenicillin (Ampicillin, Amoxicillin) |
Cefotaxim | Cephalosporin der 3. Generation |
Cefpodoxim-Proxetil | Cephalosporin der 3. Generation |
Ceftiofur | Cephalosporin der 3. Generation |
Cephalotin | Cephalosporin der 1. Generation (Cefacetril, Cefapirin, Cefalexin, Cefazolin) |
Colistin | Polypeptid |
Doxycyclin | Tetracyclin (Doxycyclin, Tetracyclin) |
Enrofloxacin | Fluorchinolon (Danofloxacin, Difloxacin, Enrofloxacin, Marbofloxacin) |
Erythromycin | 14-gliedriges Makrolid |
Florfenicol | Phenicol |
Gentamicin | Aminoglycosid (Apramycin, Neomycin) |
Lincomycin | Lincosamid |
Lincomycin/Spectinomycin | Lincosamid/Aminocyclitol |
Neomycin | Aminoglykosid (Apramycin, Neomycin) |
Oxacillin | Isoxazolylpenicillin |
Penicillin G-Kalium | Penicillin |
Rifampicin | Ansamycin (Rifamycin) |
Spectinomycin | Aminoglycosid |
Streptomycin | Aminoglycosid |
Sulfamethoxazol/ Trimethoprim | Sulfonamid |
Tetracyclin | Tetracyclin (Doxycyclin, Tetracyclin) |
Tiamulin | Pleuromutilin (Tiamulin, Valnemulin) |
Tilmicosin | 16-gliedriges Makrolid (Tilmicosin, Tildipirosin, Tylosin) |
Tulathromycin | 15-gliedriges Makrolid (Gamitromycin) |
Tylosin | 16-gliedriges Makrolid (Tilmicosin, Tildipirosin, Tylosin) |
ESBL- und MRSA-Keime bei Großtieren im Jahr 2020 und 2021
Die Identifizierung von Extended Spectrum Beta-Lactamasen (ESBL) produzierenden E. coli-Isolaten erfolgte mittels auf MacConkey-Agarplatten mit Zusatz von Cefotaxim.
Tierart |
Anzahl bei E. coli durchgeführter Antibiogramme (2020/2021)
|
Anzahl ESBL-positiver E. coli-Isolate (2020/2021)
|
Anteil ESBL-positiver E. coli-Isolate (2020/2021)
|
---|---|---|---|
Pferd |
105 / 63
|
6 / 1
|
6,7 % / 1,6 %
|
Rind |
354 / 412
|
25 / 36
|
7,1 % / 8,7 %
|
Schwein |
340 / 453
|
21 / 21
|
6,2 % / 4,6 %
|
Summe |
799 / 928
|
53 / 58
|
6,6 % / 6,3 %
|
Für Staphylococcus aureus vom Rind, Schwein, Pferd und Ziege wurden insgesamt 91 Antibiogramme erstellt. Keines der Antibiogramme wies auf das Vorkommen von MRSA (Methicillin-resistenter S. aureus) hin.
Übersicht Grafiken
Pasteurella multocida, Rind, Atemtrakt
Mannheimia haemolytica, Rind, Atemtrakt
Pasteurella multocida, Schwein, Atemtrakt
Actinobacillus pleuropneumoniae, Schwein, Atemtrakt
Bordetella bronchiseptica, Schwein, Atemtrakt
Weitere Keime von Rind, Schwein, Schaf, Ziege und Pferd
Streptococcus pluranimalium, Rind und Schwein, verschiedene Lokalisationen
Streptococcus dysgalactiae, Rind, Schwein, Schaf und Ziege, verschiedene Lokalisationen
Mannheimia haemolytica, Rind, Schaf und Ziege, Atemtrakt
Bibersteinia trehalosi, Rind, Schaf und Ziege, verschiedene Lokalisationen
Trueperella pyogenes, Rind, Schwein, Schaf und Ziege, verschiedene Lokalisationen
Staphylococcus aureus, Rind, Schwein, Schaf, Ziege und Pferd, verschiedene Lokalisationen
Klebsiella pneumoniae, Rind, Schwein und Pferd, verschiedene Lokalisationen
Escherichia coli, Huhn und Puten, Organe/Tupfer
Klebsiella pneumoniae, Huhn und Puten, Organe/Tupfer
Rind
▼Pasteurella multocida, Rind, Atemtrakt
▼Mannheimia haemolytica, Rind, Atemtrakt
▼Escherichia coli, Kalb, Darm (Enteritis)
▼Streptococcus uberis, Rind, Genitaltrakt
Schwein
▼Pasteurella multocida, Schwein, Atemtrakt
▼Actinobacillus pleuropneumoniae, Schwein, Atemtrakt (Anmerkung: 2021 nur 6 R-Teste)
▼Bordetella bronchiseptica, Schwein, Atemtrakt
▼Escherichia coli, Ferkel, Darm (Enteritis)
▼Streptococcus suis, Schwein, Atemtrakt/Organe
Weitere Keime von Rind, Schwein, Schaf, Ziege und Pferd
▼Streptococcus pluranimalium, Rind und Schwein, verschiedene Lokalisationen
▼Streptococcus dysgalactiae, Rind, Schwein, Schaf und Ziege, verschiedene Lokalisationen
▼Mannheimia haemolytica, Rind, Schaf und Ziege, Atemtrakt
▼Bibersteinia trehalosi, Rind, Schaf und Ziege, verschiedene Lokalisationen (Anmerkung: 2021 nur 5 Resistenzteste)
▼Trueperella pyogenes, Rind, Schwein, Schaf und Ziege, verschiedene Lokalisationen
▼Staphylococcus aureus, Rind, Schwein, Schaf, Ziege und Pferd, verschiedene Lokalisationen
▼Klebsiella pneumoniae, Rind, Schwein und Pferd, verschiedene Lokalisationen
▼Beta-hämolysierende Streptokokken, Pferd, Genitaltrakt
Nutzgeflügel (Huhn und Pute)
▼Escherichia coli, Huhn und Puten, Organe/Tupfer
▼Klebsiella pneumoniae, Huhn und Puten, Organe/Tupfer
▼Staphylococcus aureus, Huhn und Puten, Organe/Tupfer
▼Enterococcus (E.) cecorum, E. cloacae, E. faecalis, E. faecium, E. gallinarum, E. hirae, Enterococcus spp., Huhn und Pute, Organe/Tupfer
Quellen