Ein wichtiger Baustein des Wildtiermonitorings: Brucellose-Diagnostik bei Wildschweinen

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Juliane Rieger, Silke Weidle, Dr. Katharina Schwalm-Wunsch, Dr. Birgitta Polley

 

Aktuell steht die Afrikanische Schweinepest (ASP) als hochansteckende Tierseuche im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung – auch in Deutschland ist diese Krankheit bei Wildschweinen in Brandenburg und Sachsen seit diesem Jahr angekommen. Doch während von der ASP für den Menschen keinerlei Gefahr ausgeht, können in Wildtieren durchaus auch andere Krankheiten schlummern, die auch auf den Menschen übertragbar sind – sogenannte Zoonosen. Solche Erkrankungen, wie beispielsweise die Brucellose beim Wildschwein, können nur durch das kontinuierliche Wildtiermonitoring in Baden-Württemberg erkannt und beobachtet werden.

 

Abbildung 1: Erwachsenes Wildschwein mit Frischling.

Abbildung 1: Erwachsenes Wildschwein mit Frischling

 

Die Brucellose ist eine durch Bakterien der Gattung Brucella hervorgerufene Krankheit, die sowohl für Tiere als auch für Menschen gefährlich ist. Entsprechend der Verordnung über anzeigepflichtige Tierseuchen in der Fassung vom 19. Juli 2011 (BGBl. I S. 1404) sowie der Verordnung zum Schutz gegen die Brucellose der Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen (Brucellose-Verordnung) in der Fassung vom 17. Mai 2017 (BGBl. I S. 1267, 3060) ist die Brucellose der Rinder, Hausschweine, Schafe und Ziegen eine anzeigepflichtige Tierseuche. Dabei unterliegt bereits der Verdacht einer Erkrankung an Brucellose der Anzeigepflicht.

 

In der Haustierpopulation gilt die Brucellose in Deutschland als getilgt. Nur in seltenen Fällen kommt es zu einem erneuten Eintrag dieser auch für den Menschen gefährlichen Krankheitserreger. Als Ursache stehen häufig Wildtiere zur Diskussion, da diese weiterhin ein nicht zu unterschätzendes Erregerreservoir darstellen. Das CVUA Stuttgart hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach den Erreger der Brucellose in Wildtieren wie Hasen und Rehen nachgewiesen und darüber berichtet (Blazey, 2009 [1], Sting, 2013 [2]). Auch aus dem CVUA Freiburg wurde kürzlich über den Nachweis von Brucella suis Biovar 2 in einem Wildschwein berichtet (Kirchgäßner, Suntz, 2020 [3]).

 

Brucella-spezifische Antikörper in Wildschweinen

Vor dem Hintergrund dieser zwar seltenen, aber immer wieder auftretenden Nachweise von Brucellose-Erregern war für uns die Überlegung interessant, inwieweit auch Brucella-spezifische Antikörper in Wildschweinen nachweisbar sind. Dieser Frage gingen wir am CVUA Stuttgart in einer serologischen Studie nach.

 

Als Probenmaterial dienten uns Serumproben von Wildschweinen, die im Rahmen des landesweiten Monitorings zur Untersuchung auf Afrikanische und Europäische Schweinepest sowie Aujeszkysche Krankheit eingeschickt werden. Das CVUA Stuttgart erhält hierfür aus dem Regierungsbezirk Stuttgart zwischen 1.000 und 2.000 Proben jährlich, die in der Regel von gesund erlegten Wildschweinen stammen. Für die Brucellose-Serologie wurden nur geeignete, frische und nicht hämolytische Serumproben aus den Jahren 2012 bis 2018 ausgewählt und eingefroren.

 

Alle Proben wurden zunächst mit dem Rose-Bengal-Test untersucht. Dieser Test beruht auf einer Serumschnellagglutination mit gefärbtem Brucella-Antigen. Der Test gilt als sehr sensitiv, zeigt aber in manchen Fällen Kreuzreaktionen mit anderen Bakterien, sodass positive Proben mit weiteren Methoden verifiziert werden müssen. Zur Verifizierung dienten ein Enzyme Linked Immunosorbent Assay (ELISA) der Firma IDvet sowie die Komplementbindungsreaktion (KBR).

 

Ergebnisse der serologischen Untersuchungen

Insgesamt wurden 1865 Serumproben aus den Jahren 2012 bis 2018 im Rose-Bengal-Test untersucht. Von diesen zeigten 257 Proben (13,78 %) ein fragliches oder positives Ergebnis, welches zunächst im ELISA abgeklärt wurde. Proben, die auch hier positiv oder fraglich reagierten, wurden final mit der KBR verifiziert. Schließlich konnten 132 Proben (7,1 %) als klar positiv beurteilt und auch vom Nationalen Referenzlabor für Brucellose (Friedrich-Loeffler-Institut, Jena) bestätigt werden.

 

Der höchste Anteil an positiven Ergebnissen fand sich hierbei in den Jahren 2018 (9,56 %), 2015 (9,52 %) und 2013 (9,09 %); der niedrigste Anteil mit 3,77 % im Jahr 2016.

 

Diagramm 1 : Untersuchte Wildschweinproben der Jahre 2012 bis 2018.

Grafik 1 : Untersuchte Wildschweinproben der Jahre 2012 bis 2018

 

Interessant war die Frage, wie sich diese positiven Befunde auf die einzelnen Landkreise im Regierungsbezirk Stuttgart verteilen und ob bestimmte Gebiete besonders oder im Gegenteil überhaupt nicht betroffen sind. Tatsächlich fanden sich in den untersuchten Proben aus den Landkreisen Böblingen und Esslingen im gesamten Zeitraum zwischen 2012 und 2018 keinerlei positive Proben. Auch im Stadtgebiet Stuttgart konnten wir keine Antikörper gegen den Erreger der Brucellose nachweisen. Die Brucella-Antikörpernachweise in den anderen Landkreisen unterlagen starken Schwankungen; einzig der Landkreis Schwäbisch Hall wies in jedem Jahr positive Proben auf.

 

Diagramm 2: Positive Brucella-spezifische Antikörper-Funde in den Landkreisen des RP Stuttgart, 2012 bis 2018.

Grafik 2: Positive Brucella-spezifische Antikörper-Funde in den Landkreisen des RP Stuttgart, 2012 bis 2018

 

Der Landkreis Schwäbisch Hall (SHA) wies auch prozentual gesehen über den gesamten Zeitraum die höchste Zahl an positiven Befunden auf (15,98 %) – gefolgt vom Neckar-Odenwald-Kreis (MOS; 13,04 %) und dem Main-Tauber-Kreis (TBB; 11,54 %). Nur geringes Auftreten von Brucella-spezifischen-Antikörpern zeigte sich in den Kreisen Heidenheim (HDH; 2,98 %), Göppingen (GP; 3,38 %) sowie dem Rems-Murr-Kreis (WN; 4,55 %).

Vereinzelt wurden uns auch Proben aus Landkreisen der anderen Regierungspräsidien eingesandt (Tübingen, Calw, Alb-Donau-Kreis u. a.). Diese wurden ebenfalls – alle mit negativem Ergebnis – untersucht, jedoch nicht in die tabellarische Auswertung mit aufgenommen.

 

Tabelle 3: Gesamtzahl der untersuchten Proben aus 2012 bis 2018 mit Anteil der positiven Ergebnisse nach Landkreisen (nur RP Stuttgart)
Landkreis
GP
HDH
HN
KÜN
LB
TBB
MOS
AA
WN
SHA
BB
ES
S *
untersuchte Proben
325
168
191
133
113
208
23
141
88
194
100
115
46
Positive Proben
11
5
22
10
12
24
3
10
4
31
0
0
0
Prozentanteil
3,38
2,98
11,52
7,52
10,62
11,54
13,04
7,09
4,55
15,98
0,00
0,00
0,00

* Keine untersuchte Probe aus Stuttgart im Jahr 2013

 

Brucellose-Erreger in Wildtieren

Unsere serologischen Ergebnisse werden eindrucksvoll durch immer wieder auftretende Nachweise des Erregers unterstrichen. Neben den bereits erwähnten Fällen von Hase [1], Reh [2] und Wildschwein [3] wurde nun erneut in der Pathologie des CVUA Stuttgart in pathologisch veränderten Wildschweinhoden Brucella-spezifisches Erbgut nachgewiesen: Bei diesem Fall lagen Herz, Milz, Leber und Hoden eines aufgebrochenen Wildschwein-Überläufers aus dem Landkreis Heilbronn zur Sektion vor mit der Bitte um Klärung der Krankheitsursache und Untersuchung auf Brucellose.

 

Makroskopisch zeigten sich in Niere, Milz und Leber stecknadelkopf- bis hirsekorngroße weiße bis beigefarbene Herde, teilweise mit käsiger Konsistenz. Beide Hoden waren gering- bis mittelgradig geschwollen. Bei einem Hoden fiel eine dem Nebenhodenkopf aufsitzende walnussgroße Umfangsvermehrung auf, im Anschnitt mit beigem Inhalt von käsiger Beschaffenheit. Zusätzlich war der Nebenhodenkopf selbst von Abszessen durchsetzt. Bei der feingeweblichen Untersuchung konnten die Herde in Niere, Milz und Leber als chronisch-aktive abszedierende und granulomatöse Entzündungen mit Zelluntergang (sog. Nekrose) bestätigt werden.

 

Abbildung 2: Leber mit Nekrosen (Zelluntergang), HE-Färbung, 200-fache Vergrößerung.

Abbildung 2: Leber mit Nekrosen (Zelluntergang), HE-Färbung, 200-fache Vergrößerung

 

Abbildung 3: Milz mit massiven Koagulationsnekrosen (Zelluntergang), HE-Färbung, 100-fache Vergrößerung.

Abbildung 3: Milz mit massiven Koagulationsnekrosen (Zelluntergang), HE-Färbung, 100-fache Vergrößerung

 

Zudem konnte aus Milz und Hoden Brucella-spezifisches Genom nachgewiesen werden. Die darauf folgende Untersuchung am Nationalen Referenzlabor für Brucellose (FLI, Jena) identifizierte diese Genomsequenzen als Brucella suis-spezifische DNA. Als weiterer Befund wurden Escherichia coli und Staphylococcus sp. aus den Abzessen isoliert.

 

Abbildung 4: Nebenhodenabszess mit stäbchenförmigen Bakterien, HE-Färbung, 200-fache Vergrößerung.

Abbildung 4: Nebenhodenabszess mit stäbchenförmigen Bakterien, HE-Färbung, 200-fache Vergrößerung

 

Zusammenfassung und Ausblick

Die Berichte des Landes Baden-Württemberg zu Wildtieren (Wildtierbericht 2018, Baden-Württemberg; Wildjahresberichte der Untersuchungsämter Baden-Württemberg) geben auf der Grundlage von Monitoringuntersuchungen Hinweise auf das Vorkommen der Brucellose bei Wildschweinen. Mit Hilfe gezielter, umfangreicher Studien ist es darüber hinaus möglich, umfassendere Daten zu ausgewählten Fragestellungen zu erheben. Ziel der vorliegenden Studie war es, Daten über einen längeren Zeitraum von 2012 bis 2018 zum Vorkommen der Brucellose bei Wildschweinen im Regierungsbezirk Stuttgart zu erheben. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Brucellose bei Wildschweinen offensichtlich etabliert hat. Aufgrund der hohen Populationsdichte von Wildschweinen in Deutschland ist vom Vorkommen der Brucellose bei Wildschweinen in ganz Baden-Württemberg und anderen Bundesländern auszugehen, wie dies auch im Bericht des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) „Erreger von Zoonosen in Deutschland“ beschrieben wird. Das CVUA Stuttgart hat bei seiner Studie überwiegend nur Probenmaterial aus dem Regierungsbezirk Stuttgart untersucht. Vergleichbare Untersuchungen in anderen Regierungsbezirken könnten dazu dienen, ein noch genaueres Gesamtbild für Baden-Württemberg zu erhalten.

 

Die kürzlich nachgewiesenen Fälle von klinischer Brucellose einschließlich dem Erregernachweis bei Wildschweinen am CVUA Stuttgart und am CVUA Freiburg bestätigen die durch die serologischen Untersuchungen vermutete Präsenz des Brucellose-Erregers in der Wildschweinepopulation in Baden-Württemberg. Vorsicht ist geboten, da es sich bei der Brucellose um eine Zoonose handelt, also eine Krankheit, die vom Tier auf den Menschen übertragbar ist. Besonders gefährlich für den Menschen sind dabei Brucella melitensis (Maltafieber) und Brucella abortus (Morbus Bang). Übertragen werden können die Keime durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren, aber auch über Rohmilchprodukte, da Brucellen hierin mehrere Wochen lang überlebensfähig sind. Insbesondere für Jäger*innen und andere Personen, die mit potenziell infizierten Tieren in Kontakt kommen, ist erhöhte Vorsicht geboten. Wir empfehlen daher den Jagdausübenden, Organe oder Tierkörper zur Untersuchung zu bringen, wenn sie beim Aufbruch erlegter Tiere Veränderungen feststellen.

 

Bildernachweis

CVUA Stuttgart.

 

Quellen

[1] Brucellose: bei Haustieren getilgt, bei Wildtieren aktuell (Blazey, 2009)

[2] Brucellose bei einem Reh – Eine fast vergessene Tierseuche bei Wiederkäuern (Sting, 2013)

[3] Brucellose bei einem Wildschwein (Kirchgäßner, Suntz, 2020)

 

Weiterführende Literatur

 

Artikel erstmals erschienen am 28.12.2020