Pockeninfektion beim Waschbär

Ein besonders gravierender Fall aus dem Wildtiermonitoring

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Anna Katharina Schwalm, Dr. Birgit Blazey, Dr. Valerij Akimkin

 

Noch vor rund 100 Jahren kamen Waschbären in den deutschen Wäldern gar nicht vor. Ende des 19. Jahrhunderts wurden sie zur Pelzzucht aus Nordamerika eingeführt. Heutzutage sind Waschbären deutschlandweit verbreitet. Die Population dieser als invasiv geltenden Tiere wächst mittlerweile auch in Baden-Württemberg rasch an. Ihr Habitat beschränkt sich längst nicht nur auf die Waldgebiete. Immer öfter sind sie auch in den Städten anzutreffen, wo sie als extrem anpassungsfähige Tiere in der Nähe von Menschen ein reiches Nahrungsangebot und sicheren Unterschlupf finden. Waschbären bringen auch Krankheiten mit sich, welche sowohl für Heimtiere als auch für Menschen gefährlich sein können, wie z. B. der Waschbärspulwurm (Baylisascaris procyonis).

 

Foto eines Waschbärs in freier Wildbahn; Akimkin, CVUA Stuttgart.

 

Jährlich werden am CVUA Stuttgart Waschbären im Rahmen des Wildtiermonitorings untersucht. Hier berichten wir über einen besonders schweren Fall einer Pockeninfektion bei einem Waschbären. Ein augenscheinlich kranker und abgemagerter Waschbär aus dem Landkreis Göppingen kam im Sommer 2019 zur Sektion. Laut Vorbericht war es bereits der dritte tot aufgefundene Waschbär in einem Revier innerhalb kurzer Zeit.

 

Sektionsbefunde

Der abgemagerte Waschbär wies großflächige Verluste der oberen Hautschichten am ganzen Körper auf und unregelmäßig geformte scharf begrenzte Hautwunden. Die Wunden waren von kleinen Blutungen übersäht, nässend und mit gelblich beigem Sekret benetzt. Das übrige Haarkleid war auffallend struppig.

Weitere Befunde waren ein nahezu leerer Magen, ca. hirsekorngroße weiße Herde in der Leber sowie kleine Knoten in den Darmlymphknoten.

 

Abb. 1 und 2: Tierkörper eines Waschbären mit großflächigen nässenden Hautveränderungen.

Abb. 1 und 2: Tierkörper eines Waschbären mit großflächigen nässenden Hautveränderungen

 

Unter dem Mikroskop – Histologische Untersuchung

Die Entzündung der Haut zog sich bis in die tiefen Hautschichten mit Zellschädigung, Zelluntergang und Gewebseinschmelzung. Zusätzlich wurden intrazytoplasmatische eosinophile Einschlusskörperchen (Guarnieri-Körperchen) in Hautzellen nachgewiesen. Solche Einschlusskörper sind typisch für eine Pockeninfektion, wie bereits in einem vorherigen Bericht aus der Pathologie am CVUAS beschrieben.

Zudem konnten in den Darmlymphknoten Wurmlarven identifiziert werden.

 

Weiterführende Diagnostik

Eine elektronenmikroskopische Untersuchung der veränderten Hautpartien hat die bereits histologisch festgestellte Verdachtsdiagnose bestätigt: Zahlreiche Pockenviruspartikel konnten zweifelsfrei identifiziert werden.

 

Abb. 3: Orthopoxvirus unter dem Elektronenmikroskop (Vergrößerung 150.000-fach).

Abb. 3: Orthopoxvirus unter dem Elektronenmikroskop (Vergrößerung 150.000-fach)

 

Zur näheren Differenzierung wurde Gewebe an das Friedlich-Loeffler-Institut versendet. Mittels molekularbiologischer Untersuchung konnte eine große Menge an Kuhpockenvirus-spezifischer DNA nachgewiesen werden. Eine zusätzlich eingeleitete bakteriologische Untersuchung zeigte, dass der Waschbär sekundär an einer Salmonellensepsis erkrankt war, die final zum Tod geführt hat.

 

Mit diesem Fall zeigt sich erneut, wie wichtig die Untersuchung der Wildtiere für die Allgemeinheit ist. Die zunehmende Anzahl in der Nähe oder in Siedlungsgebieten lebender Wildtiere (sog. Kulturfolger) und der daraus resultierende engere Kontakt von Wildtieren zum Menschen machen diese Untersuchungen unerlässlich.

 

Jagdausübungsberechtigte sollten im Umgang mit erlegten oder tot aufgefundenen Waschbären auf besondere Hygiene achten. Tragen von Einmalhandschuhen und Mundschutz, Reinigen und Desinfizieren der Hände, sowie der Transport toter Tiere in flüssigkeitsdichten Behältnissen sollte gewährleistet sein.

 

Infokasten

Kuhpocken (Säugerpocken)

Kuhpocken werden durch eine Infektion mit dem Kuhpockenvirus (Orthopoxvirus bovis) hervorgerufen. Seinen Namen erhielt das Virus, da es früher häufig bei Kühen nachgewiesen wurde [2]. Wildnager sind ein natürliches Reservoir für dieses Virus, wobei sich andere Tiere und auch der Mensch (Zoonose) infizieren können [1, 3]. Dabei infizieren sich Tierbesitzer häufig nach direktem Kontakt mit infizierten Katzen, Hunden, Heimtiernagern oder exotischen Zootieren über Haut- und Schleimhautläsionen [1, 3]. Symptome wie Schwellung der Hautläsionen, Rötung, Lymphknotenschwellungen, Fieber sowie Binde- und Hornhautentzündung sind möglich [3]. Bei gesunden Menschen heilen die lokalen Hautveränderungen nach 3 bis 5 Wochen aus [2]. Für immungeschwächte Menschen hingegen kann es zu Komplikationen mit systemischem Verlauf kommen [2, 3]. Ein hygienischer Umgang mit betroffenen Tieren ist daher zwingend erforderlich.

 

Quellen

[1] Baumgärtner W, Gruber A. 2015. Spezielle Pathologie für die Tiermedizin.

[2] Robert-Koch-Institut: Häufig gestelle Fragen und Antworten zu Kuhpocken

[3] Landesamt für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen: Merkblatt zu Kuhpockeninfektionen bei Heimtierhaltern

 

Artikel erstmals erschienen am 29.10.2020