Viele Krankheitserreger sind des Hasen Tod - Die Rodentiose und Pasteurellose des Feldhasen

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Reinhard Sting und Dr. Ingo Schwabe

 

Feldhasen müssen sich mit zahlreichen Infektionserregern auseinandersetzen. Nicht unerwähnt bleiben dürfen neben der Tularämie und Brucellose die Rodentiose und Pasteurellose, wenn es um tödlich verlaufende bakterielle Infektionen bei dieser Wildtierart geht. Diese Infektionen sind beim Feldhasen ohne weiterführende Untersuchungen nicht zu unterscheiden. Die Feststellung der Krankheitsursachen ist jedoch wichtig, da diese Zoonoseerreger eine Gesundheitsgefährdung für den Menschen darstellen können.

Rodentiose und Pasteurellose

Feldhasen haben es schwer, nicht nur wegen des Schwindens ihres Lebensraumes, sondern auch wegen zahlreicher lebensbedrohlicher Infektionskrankheiten. Zu den wichtigsten bakteriellen Infektionskrankheiten sind die Tularämie (Infektion mit Francisella tularensis subsp. holarctica), die Brucellose (Infektion mit Brucella suis Biotyp 2), die durch Yersinia pseudotuberculosis hervorgerufen Yersiniose, die im Folgenden als Rodentiose bezeichnet wird, und die Pasteurellose (Infektion mit Pasteurella multocida) zu nennen. Während in Baden-Württemberg eine Zunahme der Tularämiefälle beim Feldhasen zu beobachten ist, stellen die Brucellose, Rodentiose und Pasteurellose Einzelfälle dar, die jedoch am CVUA Stuttgart in regelmäßigen Abständen nachgewiesen werden können.
Wie auch die Tularämie und Brucellose stellen die Rodentiose und Pasteurellose oftmals tödlich, teilweise seuchenhaft verlaufende Infektionen bei Feldhasen dar. Bei erkrankten oder tot aufgefundenen Tieren sind diese Infektionskrankheiten ohne pathologisch-anatomische und mikrobiologische Untersuchungen nicht voneinander zu unterscheiden. Darüber hinaus ist zu beachten, dass nicht nur der Erreger der Tularämie und der Brucellose, sondern auch der Erreger der Rodentiose und der Pasteurellose auf den Menschen übertragen werden kann (Zoonosen). Während Francisella tularensis und Yersinia pseudotuberculosis zu Allgemeininfektionen führen, stehen bei Pasteurella multocida Wundinfektionen im Vordergrund. Vor allem Jäger sollten als besonders gefährdeter Personenkreis um diese Gefahren wissen.

 

Infokasten

Rodentiose, Pasteurellose, Tularämie und Brucellose

Die Rodentiose
Der Erreger der sog. Rodentiose ist Yersinia pseudotuberculosis. Infektionen sind bei zahlreichen Säugetieren, insbesondere Nagetieren (Rodentia) und Hasenartigen (Lagomorpha), aber auch Vögeln beschrieben. Ursachen von Infektionen beim Menschen sind sowohl direkter Kontakt mit Tieren (z.B. Ausweiden von infizierten Hasen), aber auch indirekter Kontakt, d.h. Erregerübertagungen durch Kontaminationen und anschließende orale Erregeraufnahme.


Die Pasteurellose
Pasteurella multocida-Infektionen kommen bei zahlreichen Haus- und Wildtieren vor. Beim Menschen stehen Wundinfektionen durch direkten Tierkontakt aufgrund von Verletzungen (Biss-, Kratz-, Schnittverletzungen, etc.) im Vordergrund. Nach Wundinfektionen kommt es im Weichgewebe zu einer progressiven Entzündung, die oft schwierig zu behandeln ist.


Die Tularämie
Bei der Tularämie der Feldhasen handelt es sich um eine durch das Bakterium Francisella tularensis Subspezies holartica hervorgerufene, bei wildlebenden Hasenartigen (Hasen, Kaninchen), Ratten und anderen Nagetieren (Mäuse, Eichhörnchen, Biber) oft seuchenhaft auftretende, meist tödlich verlaufende Infektionskrankheit (Hasenpest). Hasenartige und Nagetiere bilden das Hauptreservoir für diese Infektionskrankheit, die in der nördlichen Hemisphäre verbreitet ist. Ebenfalls empfänglich sind auch andere Wildtiere wie Reh, Fuchs, Wiesel, Igel, aber auch unsere Haustiere (Schaf, Rind, Schwein, Hund, Katze, u.a.). Auch der Mensch infiziert sich leicht bei Kontakt mit dem Erreger (Zoonose). Jäger sind aufgrund des direkten Kontaktes zu erlegten, infizierten Tieren besonders gefährdet.


Die Brucellose
Beim Feldhasen wir die Brucellose durch Infektionen mit Brucella suis Biotyp 2 verusacht. Da dieser Erreger verbreitet auch beim Wildschwein und in Einzelfällen beim Rehwild isoliert werden kann, wird von einer gegenseitigen Übertragung ausgegangen. Als Infektionsquellen gelten vor allem gemeinsam genutzte Nahrungsgebiete.

 

Zoonosen
Zoonosen sind Infektionen, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden können. Unter den genannten Infektionskrankheiten beim Feldhasen kommt der Tularämie die größte Bedeutung als Gesundheitsgefährdung für den Menschen zu.

Klinik, Pathologie, Bakteriologie

Die Rodentiose und die Pasteurellose haben mit der Tularämie und der Brucellose gemeinsam, dass infizierte Tiere geschwächt und abgemagert sind sowie ein unnatürliches Verhalten wie fehlenden Fluchtreflex und Orientierungslosigkeit zeigen. Bei sehr raschen, akuten septikämischen Verläufen zeigen die Tiere jedoch wegen des fulminanten Krankheitsverlaufes keine Abmagerung. In solchen Fällen kommt es insbesondere bei der Tularämie, der Rodentiose und der Pasteurellose zu zahlreichen, teilweise massenhaften Todesfällen bei Feldhasen (seuchenhafte, pestähnliche Verläufe).
Beim Aufbrechen oder der Sektion der Tiere werden bei der Rodentiose wie auch bei der Brucellose Knötchenbildungen (Granulome, Abszesse) in den inneren Organen wie Leber und Milz sichtbar, aus denen sich die Erreger auf Nährmedien anzüchten lassen. Eine Schwellung der Leber und insbesondere der Milz kann bei allen genannten Infektionskrankheiten beobachtet werden.
Bei den im CVUA Stuttgart durchgeführten Sektionen der an Rodentiose und Pasturellose verendeten Feldhasen fiel bei allen Tieren eine mittelgradige bis sehr starke Schwellung der Milz auf. Sowohl die septikämisch verlaufenden Rodentiose- wie auch die Pasteurellose-Fälle waren von einer nekrotisierenden Hepatitis mit über die Leber verteilten, miliaren (hirsekorngroßen) hellen Herden begleitet. Bei allen Tieren konnte auch ein teilweiser starker Befall mit Darmparasiten wie Kokzidien (Eimeria sp.), Trichostrongyliden (Trichostrongylus sp.) und Peitschenwürmern (Trichuris sp.) sowie ein Befall mit Lungenwürmern (Protostrongylus sp.) festgestellt werden. Auch bei der Tularämie wurden bei den meisten Fällen im Rahmen der Sektionen eine Milzschwellung und zahlreiche Nekroseherde (Gewebeschäden) in inneren Organen wie der Leber beobachtet.
Bei histologischen (feingeweblichen) Untersuchungen fallen mikroskopisch sichtbare herdförmige Veränderungen mit Zellschäden (Nekrosen) auf, die bei der Tulärämie, der Rodentiose und der Pasteurellose sehr ähnlich sein können. Hier gibt die Anzucht des Erregers endgültige Klarheit.

 

Fotos.

Links: Schwellung der Milz (links) und miliar nekrotisierende Hepatitis(Leberentzündung) (rechts) eines Feldhasen nach einer Yersinia pseudotubreculosis-Infektion (Rodentiose).

Mitte: Milz:  multifokale akute eitrig-nekrotisierende Splenitis (Entzündung der Milz) mit intraläsionalen Bakterien bei einem Feldhasen nach einer Yersinia pseudotubreculosis-Infektion (Rodentiose) (HE-Färbung, 100-fache Vergrößerung).

Rechts: Leber: multifokale akute eitrig-nekrotisierende Hepatitis (Leberentzündung)mit intraläsionalen Bakterien bei einem Feldhasen nach einer Yersinia pseudotubreculosis-Infektion (Rodentiose) (HE-Färbung, 100-fache Vergrößerung).

 

Fotos.

Links: Yersinia pseudotuberculosis-Kolonien auf Schafblutagar.

Rechts: Yersinia pseudotuberculosis, mikroskopisches Bild nach Gram-Färbung, 1.000-fache Vergrößerung.

 

Bei der akuten, nach wenigen Tagen tödlich verlaufenden Form der Pasteurellose (hämorrhagische Septikämie) fielen Blutungen in den Schleimhäuten auf. Bei langsamer verlaufenden Formen standen eitrige bis fibrinöse Schleimhautveränderungen insbesondere der Atemwege oder der serösen Häute der Körperhöhlen (Brust- und Bauchfell) im Vordergrund.
Die von uns untersuchten Fälle von Rodentiose traten im Winter auf, während sich die Pasteurellose-Fälle über das ganze Jahr verteilten. Für beide Infektionskrankheiten gilt, dass ungünstige Faktoren wie Nässe, Kälte, Nahrungsmangel, Parasitenbefall und Stress die Abwehr der Tiere schwächen, so dass massenhafte Erkrankungen auftreten können.

 

Fotos.

Links: Miliar nekrotisierende Hepatitis (Leberentzündung) eines Feldhasen aufgrund einer septikämisch verlaufenden Pasteurell multocida-Infektion (Pasteurellose).

Mitte: Akute zentrolobuläre eitrig-nekrotisierende Hepatitis (Leberentzündung) aufgrund einer septikämisch verlaufenden Pasteurell multocida-Infektion (Pasteurellose) bei einem Feldhasen (HE-Färbung, 200-fache Vergrößerung).

Rechts: Akute fibrinöse Pleuritis (Brustfellentzündung) aufgrund einer Pasteurella multocida-Infektion (Pasteurellose) bei einem Feldhasen (HE-Färbung, 100-fache Vergrößerung).

 

Fotos.

Links: Pasteurella multocida-Kolonien auf Schafblutagar.

Rechts: Pasteurella multocida, mikroskopisches Bild nach Gram-Färbung, 1.000-fache Vergrößerung.

 

Beim Feldhasen erfolgt bei der Rodentiose die Aufnahme des Erregers über die Nahrung, bei der Pasteurellose auch über den Atemtrakt.
Menschen infizieren sich überwiegend über den Verdauungstrakt (Yersinia pseudotuberculosis) oder Wunden (Pasteurella multicida).
Sowohl Yersinia pseudotuberculosis als auch Pasteurella multocida sind bei Feuchtigkeit mehrere Monate in der Umwelt überlebensfähig.

 

Bildernachweis

CVUA Stuttgart.

 

Artikel erstmals erschienen am 28.03.2014