Rotmaulseuche der Forellenartigen – Modernste Diagnostik im Einsatz für die Gesundheit unserer Fische

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Elisabeth Nardy und Dr. Jörg Rau

 

Die Rotmaulseuche (englisch: Enteritic red mouth disease, ERM) ist eine akut bis chronisch verlaufende durch das Bakterium Yersinia ruckeri verursachte Erkrankung insbesondere bei Salmoniden (Forellen und Verwandten), die in Fischzuchten zu hohen wirtschaftlichen Verlusten führt. Der Einsatz neuester diagnostischer Methoden ermöglicht die sichere Diagnose dieser Erkrankung innerhalb eines Tages.

Einleitung

Die Regenbogenforelle ist in Deutschland mit Abstand der wichtigste Süßwasserspeisefisch. Um den steigenden Bedarf an Süßwasserfischen zu decken, werden die wichtigsten Arten in Aquakulturen aufgezogen. Im Jahr 2011 wurden allein in Baden-Württemberg 7300 t Kaltwasserfische (27% der deutschen Jahresproduktion) erzeugt [1]. Andere Arten als die Regenbogenforelle (wie Bachforelle, Saibling und Karpfen) haben hieran nur einen geringen Anteil. Die Fischproduktion in Aquakulturen erfolgt dabei auf hohem hygienischem Niveau. Insbesondere ist bei professionell arbeitenden Aquakultur-Betrieben eine tierärztliche Betreuung zur Gesunderhaltung der Fische inzwischen Standard. Dieser wird in Baden-Württemberg überwiegend durch die Fischgesundheitsdienste wahrgenommen.
http://www.tsk-bw.de/Tiergesundheitsdienste/fgd.php.

 

Unverzichtbare Grundlage für eine gezielte Therapie und Prophylaxe von Fischkrankheiten ist eine leistungsfähige Diagnostik. Für eine der wirtschaftlich bedeutsamsten Erkrankungen der Forellen, die Rotmaulseuche, ist nun durch eigene methodische Weiterentwicklungen eine sichere Diagnostik des verursachenden Bakteriums Y. ruckeri schon innerhalb eines Tages möglich. Am CVUA Stuttgart kommt hier eine Kombination aus modernen spektroskopischen Techniken, der Infrarotspektroskopie (FT-IR) und der MALDI-TOF Massenspektrometrie (MALDI-TOF MS) zum Einsatz.

Abb. 1: "Saiblings-Brütling mit Hautrötungen, Glotzaugen und rotem Maul".

Abb. 1: Saiblings-Brütling mit Hautrötungen, Glotzaugen und rotem Maul.

 

Das Bakterium Yersinia ruckeri

Yersinia ruckeri ist ein gramnegatives stäbchenförmiges Bakterium, das ohne große Ansprüche an den Nährboden bei 20-37°C mit grauweißlichen Kolonien wächst (s. Abb.).

 

Abb. 2.: "Y. ruckeri: Reinkultur auf Blutagar (oben links), unter dem Lichtmikroskop (oben rechts) und dem Elektronenmikroskop (unten) - Gut sichtbar sind hier die Geißeln - Grundlage der Beweglichkeit  bestimmter Isolate".

Abb. 2.: Y. ruckeri: Reinkultur auf Blutagar (oben links), unter dem Lichtmikroskop (oben rechts) und dem Elektronenmikroskop (unten) - Gut sichtbar sind hier die Geißeln - Grundlage der Beweglichkeit  bestimmter Isolate.

 

Die Identifizierung von Y. ruckeri  wird klassischerweise mit biochemischen Tests durchgeführt. Eine Diagnose mittels kommerzieller Teststreifen hat sich für dieses Bakterium in der Praxis als unzulänglich erwiesen, da diese nicht zwischen Y. ruckeri und Hafnia alvei, ein ebenfalls bei Fischen vorkommendes Bakterium, unterscheiden können [2].

 

Infokasten

Rotmaulseuche

Die Rotmaulseuche ist eine Erkrankung, die durch das Bakterium Yersinia ruckeri  hervorgerufen wird. Am empfänglichsten sind die Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss) und der Atlantische Lachs (Salmo salar), es können sich aber eine ganze Reihe anderer Salmoniden und weitere Süß- und Salzwasserfische infizieren [3]. Die Erkrankung kann bei allen Altersklassen das ganze Jahr über auftreten. Je nach Wassertemperatur, Alter und Kondition der Fische kommt es zu akuten, subakuten oder chronischen Krankheitsausbrüchen. Bei schlechten Umwelt- und Haltungsbedingungen, warmen Wassertemperaturen, sowie anderen Stressfaktoren fallen die Ausbrüche entsprechend heftiger aus.

 

Die Fische erkranken mit dem klinischen Bild einer Sepsis. Sie sondern sich vom Schwarm ab, stehen am Rand, zeigen Dunkelfärbung, Glotzaugen und einen aufgetriebenen Bauch. Nicht in allen Fällen ist die besonders typische diffuse Rötung im Bereich des Maules auffällig, die für die Namensgebung der Infektionskrankheit verantwortlich ist.

 

Pathologisch-anatomisch fallen Blutungen in den serösen Häuten (Bauchfell, Schwimmblase) und der Darmschleimhaut, gelegentlich auch in der Muskulatur auf. Die Fische zeigen eine Darmentzündung mit aufgetriebenem Darm und flüssigem Inhalt. Oft sammelt sich Flüssigkeit in der Bauchhöhle an.

 

Auch wenn eine Therapie der Rotmaulseuche durch gezielte Gabe von Antibiotika möglich ist, führt ein Krankheitsausbruch immer zu erhöhten Verlusten sowie zu vermindertem Wachstum bei den überlebenden Fischen. Zudem  ist eine Wartezeit bis zur Schlachtung der Tiere zwingend einzuhalten.  In Betrieben, die wiederholt Probleme mit Ausbrüchen der Rotmaulseuche haben, sollten daher unbedingt prophylaktische Maßnahmen wie Stressvermeidung und Optimierung der Umweltbedingungen durchgeführt werden. Sinnvoller als die Antibiotikagabe ist oft die vorsorgliche Impfung der Fische gegen Y. ruckeri. Hierzu werden in Deutschland Tauchbad-Impfstoffe (Immersionsvakzine) eingesetzt. Bei starkem Keimdruck und Stress der Fische kann die Krankheit aber auch bei geimpften Fischen wieder ausbrechen.

 

Abb. 3: "Regenbogenforellen mit Aszites und Blutungen auf der Leber, Schwimmblase und dem Peritonäeum".

Abb. 3: Regenbogenforellen mit Aszites und Blutungen auf der Leber,
Schwimmblase und dem Peritonäeum.

 

Diagnostik mittels FT-IR und MALDI-TOF MS

Nach der Anzucht von Y. ruckeri aus den befallenen Organen der erkrankten Fische werden verdächtige Bakterienisolate mittels MALDI-TOF MS (Matrix-unterstützte Laserdesorptions/Ionisations-Flugzeit-Massenspektrometrie) innerhalb weniger Minuten als Y. ruckeri identifiziert.

 

Die Isolate können dann anschließend mit einer kürzlich am CVUA Stuttgart etablierten Methode der Infrarotspektroskopie (FT-IR) näher charakterisiert werden [2]. Hierbei steht insbesondere die Bestimmung des Biotyps von Y. ruckeri  im Vordergrund, der sonst nur mit klassischen biochemischen Methoden bestimmt werden kann. Zudem können die erhaltenen Infrarotspektren der Isolate untereinander direkt verglichen werden, um hieraus den zeitlichen Verlauf einer Rotmaul-Erkrankung im Bestand zu verfolgen oder um epidemiologische Zusammenhänge zu erkennen. Die FT-IR ermöglicht außerdem, Varianten der Bakterien im Bestand zu erkennen, was bei der Auswahl eines erfolgversprechenden Impfstoffes hilft.

 

Fazit

Eine rasche und sichere Diagnose einer Erkrankung ist die Grundlage für eine richtige Therapie und Prophylaxe. Insbesondere bei chronischen Verläufen der Rotmaulseuche sind die Symptome nicht immer eindeutig und können mit anderen bakteriellen (Hafnia alvei) oder auch viralen Erkrankungen verwechselt werden.

 

Durch die Kombination der modernen spektroskopischen Methoden - der MALDI-TOF MS und der FT-IR – können die aus Fischen stammenden Isolate, schnell, verlässlich und kostengünstig bestimmt werden. Dabei werden Informationen in bisher nicht bekanntem Umfang und Geschwindigkeit zur Verfügung gestellt. Die sichere Diagnose steigert hier den Erfolg der Behandlung, durch die Wahl des richtigen Antibiotikums oder des richtigen Impfstoffes.

 

Abb. 4: "Impfung von Regenbogenforellen".

Abb. 4: Impfung von Regenbogenforellen.

 

Quellen:

 

Bildernachweis

E. Nardy, J. Rau, V. Akimkin: CVUA Stuttgart.

 

Artikel erstmals erschienen am 25.04.2013