Herzwurmkrankheit (Dirofilariose) bei einem importierten Hund
Regelmäßiger, aber selten auftretender Befund in Deutschland
Dr. Birgit Blazey
Vorbericht
Der adulte Mischlingshund wurde aus einem Binnenstaat in Südosteuropa importiert. Das Tier musste wegen hochgradiger Abmagerung (Kachexie) und starken Schmerzen mit Dyspnoe euthanasiert werden.
Pathologisch-anatomischer, histologischer, bakteriologischer und molekularbiologischer Befund
Der Hund wies einen sehr schlechten Ernährungs- und Pflegezustand auf, so dass Knochenvorsprünge deutlich erkennbar waren. Auf weitere festgestellte Befunde und Diagnosen, die nicht mit der Parasitose im Zusammenhang stehen, soll hier nicht weiter eingegangen werden.
Im rechten Atrium, dem rechten Ventrikel und der Arteria pulmonalis befanden sich mehrere, schneeweiße Rundwürmer (Nematoden) mit einer Länge von 16-25 cm und einem Durchmesser von ca. 1 mm (Abb. 1-3). Hierbei handelte es sich um adulte Formen von Dirofilaria immitis, dem sogenannten Herzwurm. Die Dickenverhältnisse der Kammerwände stellten sich physiologisch dar, was bei einem derart leichten Befall auch zu erwarten ist. Die Lunge war infolge eines alveolären Ödems lediglich mittelgradig kollabiert und auch hier zeigten sich im Anschnitt einzelne adulte Nematoden in den arteriellen Gefäßen.
Abb. 1: Dirofilaria immitis in der Hauptkammer des rechten Herzens.
Abb. 2: Dirofilaria immitis in der Hauptkammer des rechten Herzens.
Abb. 3: Dirofilaria immitis in der Hauptkammer des rechten Herzens.
Alle weiteren Organe waren ohne pathomorphologischen Befund bzw. im Rahmen der hier nachgewiesenen Parasitose nicht relevant.
Infokasten
Kardiovaskuläre Dirofilariose
Bei der kardiovaskulären Dirofilariose (dirus (lat.): grausam; filum (lat.): Faden) handelt es sich um eine parasitäre Erkrankung, ausgelöst durch Würmer der Gattung Dirofilaria immitis. Deren bevorzugte Aufenthaltsorte sind die großen arteriellen Lungengefäße. Sie sind aber auch im rechten Herzen (v.a. Hauptkammer), in der Arteria pulmonalis, der Vena cava cranialis und seltener in anderen Organen ihrer Wirtstiere zu finden. Die übrigen Vertreter dieser Gattung parasitieren im Bindegewebe von Carnivoren und Primaten, wie z.B. Dirofilaria repens, dem Erreger der kutanen Dirofilariose (Dirofilarie, die im Bindegewebe der Haut lebt).
Bei Dirofilaria immitis fungiert als Wirtstier nicht nur der Hund, sondern auch Katzen, Füchse und Frettchen können infiziert werden. Gelegentliche Infektionen sind auch bei Equiden (Japan) beschrieben (Dahme, Weiss, 2007).
Übertragen wird die Krankheit durch verschiedene blutsaugende Stechmücken wie z.B. Anopheles, Aedes und Culex, wobei bisher mehr als 60 Arten als kompetente Vektoren beschrieben sind. Beim Saugakt werden die Larven I (L1), die sogenannten Mikrofilarien mit dem Blut aufgenommen, entwickeln sich in den Insekten (Culiciden) über die Larve II (L2) zu den infektiösen Larven III (L3) und werden bei der nächsten Blutaufnahme auf den nachfolgenden Wirt übertragen. Je nach Entwicklungsstatus finden sich die Larven im subkutanen Bindegewebe, zwischen den Muskelfasern und schließlich als präadulte Würmer in größeren Gefäßen. Im Blutgefäßsystem wachsen sie weiter und werden frühestens 180 Tage p.i. an ihrem Zielort geschlechtsreif. Bei den erwachsenen Parasiten sind die Weibchen bis zu 30 cm und die Männchen bis zu 18 cm lang. Im Hund haben sie eine Lebensdauer von bis zu 7 Jahren, bei der weniger empfänglichen Katze dagegen selten länger als 2 Jahre. Die Nematodenweibchen gebären wiederum Mikrofilarien, die ins Blut abgegeben werden und erneut von Stechinsekten aufgenommen werden können. Die durch diesen Übertragungsweg hervorgerufene sogenannte Mikrofilarämie wird bei etwa 50 - 70% der Hunde aber nur bei ca. 50% der Katzen beobachtet. Ebenso wenig wie die direkte Übertragung von Mikrofilarien in die Blutbahn zu einer Infektion des Empfängertier führt, ist dies bei der diaplazentaren (durch Plazenta hindurch) Übertragung der Fall, da für die Entwicklung von L1 zu L3 und somit die Entstehung der Infektiosität der Zwischenwirt für die Entwicklung notwendig ist. Dies bedarf einer durchschnittlichen Tagestemperatur von über 19° C für mindestens einen Monat. Allerdings wird vermutet, dass sich Parasit und Vektor langsam an kühlere Temperaturen adaptieren. Seltene autochthone Fälle in der Rheinebene sind beschrieben.
In der Regel treten erst bei einem starken Befall mit adulten Dirofilaria 5-7 Monate p.i. klinische Symptome auf. Sie werden meist durch Obturationsstenosen (Verengung durch Blockade) im Herzen oder der Arteria pulmonalis in der Lunge mit nachfolgendem Lungenhochdruck und Rechtsherzhypertrophie (Vergrößerung der rechten Herzen) verursacht. Betroffene Tiere zeigen Schwäche, Husten, z.T. Hämoptysis (Bluthusten), Dyspnoe (Atemnot), häufiges Erbrechen und Gewichtsverlust. Auch thromb-endarteriitische Komplikationen mit konsekutivem Cor pulmonale und Immunkomplex-Glomerulonephritis (Entzündung der Filtrationsorgane in der Niere) sind möglich. Freigesetzte Wolbachien (gramnegative Bakterien, die in vielen Insekten und auch einigen Nematoden- und Spinnenarten endosymbiontisch vorkommen) sind nach neueren Erkenntnissen teilweise für die Immunantwort in der Niere und der Wand der Pulmonalarterien verantwortlich. Im chronischen Stadium sind Stauungsleber nach Dekompensation, periphere Ödeme und Aszites (Bauchwassersucht) die Folge. Die Mikrofilarien rufen keine Klinik hervor.
Frettchen können auch erkranken und sind oft teilnahmslos mit Dyspnoe und Husten, weiterhin zeigen sie Aszites sowie Lungenödeme. Akute Todesfälle sind möglich.
Eine zoonotische Bedeutung erlangt der Parasit durch die gelegentliche Übertragung auf den Fehlwirt Mensch mit der Ansiedlung von Larvalstadien in der Lunge und Subkutis, selten in anderen Organen wie Leber und Auge. Infizierte Menschen erleiden teilweise einen Lungeninfarkt oder weisen subkutane Knötchen auf.
Verbreitung
Zu den Risikogebieten zählten bisher die tropischen und subtropischen Länder, allen voran das nördliche Italien, die Kanaren, USA, Ungarn und Südfrankreich. In den Vereinigten Staaten treten Erkrankungen in manchen Regionen mit einer hohen Prävalenz (Befallsrate) beim Hund (35 – 45%) und auch bei der Katze (2%) auf, im Mittelmeerraum werden sogar Prävalenzen von bis zu 80% bei Hunden genannt. Fälle treten in Deutschland bei Hunden auf, die aus entsprechenden Risikogebieten (Endemiegebiete) stammen, oder aber bei Tieren, die wegen ungenügender Prophylaxe bei einer Urlaubsreise infiziert wurden. So konnten im Rahmen einer Studie im Zeitraum von 2008 - 2010 bei 8545 untersuchten Hunden, die im Ausland waren, bei 1,49% der Tiere mittels PCR eine Infektion mit Dirofilaria immitis nachgewiesen werden (Pantchev et al. 2011). Aufgrund der immer milderen Winter und der zunehmenden Klimaveränderung steigt inzwischen auch in den gemäßigten Klimazonen wie Deutschland die Gefahr von Infektionen an, da die übertragenden Stechmücken zunehmend weiter nördlich gefunden werden.
Diagnostik
Die Diagnostik erfolgt durch den direkten Nachweis der Mikrofilarien im Blutausstrich. Allerdings gelingt dieser Nachweis mit vertretbarem Aufwand nur bei starker Mikrofilarämie. Bewährt haben sich daher Anreicherungsverfahren wie z.B. der Filter-Test, bei dem lysiertes Blut nach Filtrierung (Porendurchmesser ca. 5 µm) untersucht wird oder der Knott-Test, bei dem nach Zentrifugation, Erythrolyse und Färbung die Filarien in der Zählkammer erfasst werden. Der Nachweis zirkulierender Erreger ist ca. 6,5 bis 7 Monate nach einer Infektion möglich. Mit Hilfe eines empfindlichen Antikörpertest (ELISA) können bei Hunden und Katzen Antikörper gegen Larven- und Adultstadien nachgewiesen, wenngleich sich manche Larven nicht zu adulten Würmern weiterentwickeln. Indirekt kann die Verdachtsdiagnose aber auch durch den Vorbericht, wie z.B. Aufenthalt in mediterranen Ländern, die Klinik und bildgebende Darstellung des vergrößerten Herzens mit Rechtsherzdilatation sowie Lungenödem bekräftigt werden. Die klinische Diagnostik ist bei den Praktikern gut bekannt, so dass die Krankheitsursache in der Regel erkannt wird. Bei der Sektion werden in der Regel nur die Zufallsbefunde erfasst, die klinisch (noch) nicht auffällig waren.
Therapie
Die Therapie muss individuell von der Befallsintensität und klinischen Symptomatik abhängig angewandt werden, um pulmonale Thrombembolien durch absterbende oder bereits abgestorbene Parasiten zu vermeiden. In jedem Fall ist eine prophylaktische Behandlung anzuraten.
Differentialdiagnosen
Bei Hunden sind andere Lungenparenchym- oder Lungengefäßerkrankungen mit pulmonaler Hypertonie (Hochdruck) abzugrenzen. Die Knoten in der Haut oder der Lunge, selten auch in Uterus oder der Leber werden häufig zunächst mit malignen Tumoren oder auch Tuberkulose verwechselt. Zudem sind andere Filarien auszuschließen, wie auch Dirofilaria repens, der sehr häufig in Hautknoten zu finden ist.
Ausblick
Mildere Winter und zunehmend organisiert eingeführte Rasse-, Hüte- und vor allem Findelhunde erhöhen die Gefahr der Etablierung exotischer Vektoren und die Einfuhr von „blinden Passagieren“ nach Deutschland. Vor der geplanten Reise sollten Empfehlungen zu prophylaktischen Impfungen und sonstigen Behandlungen, aber auch Einreisebestimmungen und Rückreiseformalitäten berücksichtigt werden.
Die prophylaktische Gabe von Antiparasitika ist bei Reisen in Risikogebiete während der Mückensaison zu empfehlen und im Vergleich zur Therapie risikolos und hochwirksam. Bei Importen von Hunden im Rahmen von Hilfsaktionen könnten sich die Erreger bei Vorhandensein entsprechender Stechmücken und Zwischenwirte weiter ausbreiten und zur potentiellen Gefahr für die hiesige Hundepopulation werden.
Literatur und weitere Quellen:
W. Beck, N. Pantchev: Praktische Parasitologie bei Heimtieren. Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co., 2006
E. Dahme, E Weiss: Grundriss der speziellen pathologischen Anatomie der Haustiere. Enke Verlag Stuttgart, 6. Auflage, 2007
P. Deplazey, S. Staebler, B. Gottstein: Reisemedizin parasitärer Erkrankungen des Hundes, Schweiz. Arch. Tierheilk. Band 148, Heft 9, 447-461, 2006
J. Eckert, K. Th. Friedhoff, H. Zahner, P. Deplazes: Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin. Enke Verlag Stuttgart, 2. Auflage, 2008
McGavin, Zachary: Pathologie der Haustiere. Allgemeine, spezielle und funktionelle Veterinärpathologie. Urban & Fischer Verlag, München, 2009.
H.G. Niemand, Hrsg. P.F. Suter, B. Kohn: Praktikum der Hundeklinik. Parey Verlag, 10. Auflage, 2006
http://www.tierkardiologie.lmu.de/downloads/Herwurm%202006.pdf
N Pantchev, M Etzold, A Daugschies, V Dyachenko
Diagnosis of Imported Canine Filarial Infections in Germany 2008 – 2010.Parasitol Res 109: 61 – 76, 2011
G. Wess: Herzwurmerkrankung – Dirofilariose, LMU München, Abteilung für Kardiologie
Tropical Medicine and Health Vol. 39 No. 1, Supplement 02, pp. 65-71
Bildernachweis:
CVUA Stuttgart.