Trifluoressigsäure – Bedenkliche Gehalte in unserem Obst und Gemüse?
Luzia Buchstab und Ellen Scherbaum
Seit einigen Jahren wird vermehrt über erhöhte Konzentrationen an Trifluoressigsäure – die kleinste der Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) – in Oberflächen-, Grund- und Trinkwässern berichtet. Aufgrund ihrer guten Wasserlöslichkeit und Langlebigkeit verbreitet sich die Substanz rasch in der Umwelt und verbleibt dort. Doch was ist Trifluoressigsäure überhaupt? Wie gelangt sie in die Umwelt und gibt es auch eine bedenkliche Kontamination in unserem Obst und Gemüse?
Rund um die Trifluoressigsäure
Bei der Trifluoressigsäure (TFA, CF3COOH) handelt es sich um eine fluorierte Carbonsäure, die in der Umwelt schwer abbaubar, d. h. persistent, ist. Aufgrund ihres polaren Charakters und der hohen Mobilität löst sich die TFA gut in Wasser und gelangt schnell in den Wasserkreislauf, über den sie dann in der Umwelt verbreitet wird und nach ihrem Eintrag verbleibt.
Das Vorkommen der TFA ist sowohl auf natürliche, als auch auf anthropogene Quellen zurückzuführen. Natürlicherweise kommt die TFA in einem Konzentrationsbereich von 200 ng/L in Meerwasser vor. Dabei weisen Proben rund um unterseeische hydrothermale Quellen höhere Konzentrationen auf als anderes Meerwasser. Dies deutet darauf hin, dass hydrothermale Quellen eine der natürlichen Quellen der Trifluoressigsäure darstellen. Grundsätzlich ist der TFA-Eintrag aus natürlichen Quellen jedoch sehr gering.
Überwiegend gelangt TFA als Abbauprodukt von verschiedenen chemischen Stoffen in die Umwelt. Die Verbindung wird unter anderem zur Herstellung von Pflanzenschutzmitteln, Kälte- und Treibmitteln (Fluorkohlenwasserstoffe), Teflon-Beschichtungen (Fluorpolymere) und in der Produktion von Arzneimitteln (z. B. Halothan) verwendet. Der Eintrag kann direkt durch industrielle Einleitungen, über den Niederschlag, durch Versickerung auf landwirtschaftlichen Flächen oder über die Kläranlage stattfinden. Je nach Eintragsweg erfolgt der Abbau der TFA-Vorläufersubstanzen in der Luft, im Boden oder im Wasser. [1]
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TFA in Pflanzenschutzmitteln
Pflanzenschutzmittel stellen nach aktuellem Wissensstand neben den Kältemitteln Haupt-Vorläufersubstanzen für TFA dar. Aufgrund der C-CF3-Gruppe wird die Aufnahme von Pestiziden über die Wurzel erleichtert, wodurch weniger Wirkstoff für den gleichen Effekt benötigt wird.
In der EU sind derzeit 45 Wirkstoffe, die eine C-CF3-Gruppe enthalten, nach der VO (EG) Nr. 1107/2009 zur Anwendung als Pflanzenschutzmittel genehmigt. Die drei wichtigsten Substanzen die zur Bildung von TFA führen sollen, sind die beiden Herbizide Flufenacet und Diflufenican sowie das Fungizid Fluazinam. Da alle drei Wirkstoffe primär für die Ausbringung auf Ackerflächen vorgesehen sind, kann generell von einem hohen Eintrag in die Umwelt ausgegangen werden.
Das Umweltbundesamt (UBA) hat ausgehend vom Inlandsabsatz aller C-CF3-haltigen Pflanzenschutzmittelwirkstoffe in Deutschland (2016–2018) und unter der Annahme einer molaren Ausbeute an TFA von 100 % (Worst-Case-Szenario), ein theoretisches Bildungspotenzial für TFA von ca. 500 t pro Jahr aus der Transformation von Pflanzenschutzmitteln berechnet. Eine weiterführende Auswertung des Zusammenhangs zwischen TFA-Konzentrationen in Oberflächengewässern und Pflanzenschutzmittel-Einträgen weißt ebenso darauf hin, dass Pflanzenschutzmittel eine bedeutende TFA-Quelle darstellen.
TFA konnte bereits in Trinkwasser und Lebensmitteln in signifikanten Mengen nachgewiesen werden. In Trinkwasser wurde für TFA vom Umweltbundesamt ein Leitwert in Höhe von 60 µg/L festgelegt, wobei aufgrund des Minimierungsgebots eine Unterschreitung von 10 µg/L anzustreben ist.
Für Lebensmittel gibt es bisher keinen spezifischen Grenzwert. Die unterschiedlichen Ursprungsquellen und das limitierte Wissen über die Grundbelastung verschiedener Pflanzenarten machen die Einführung eines Rückstandshöchstgehaltes für TFA nahezu unmöglich. Grundsätzlich können potenzielle gesundheitsschädliche Auswirkungen durch die langfristige Aufnahme der TFA jedoch nicht ausgeschlossen werden. Eindeutige toxikologische Daten sind bisher jedoch kaum verfügbar.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat für TFA eine vorläufige akzeptierbare tägliche Aufnahmemenge (ADI) in Höhe von 0,05 mg/kg Körpergewicht festgelegt. Diese Aufnahmemenge wird bei lebenslanger täglicher Exposition als unbedenklich betrachtet. Bei einem 10 kg schweren Kleinkind entspricht dies einer Aufnahmemenge von 0,5 mg TFA pro Tag, für einen 70 kg schweren Erwachsenen 3,5 mg TFA pro Tag.
TFA-haltige Kälte- und Pflanzenschutzmittel werden weiterhin in Verwendung sein, weshalb in Zukunft vermehrt mit Rückständen zu rechnen ist. Da TFA unter normalen Umweltbedingungen nicht abgebaut wird, eine flächendeckende Verteilung über den Wasserkreislauf stattfindet und sie sich bei konstanten Einträgen immer weiter anreichert, muss das Ausmaß des TFA-Eintrags langfristig betrachtet werden. Es ist somit wichtig, TFA-Einträge in die Umwelt zu minimieren und TFA-Gehalte zu kontrollieren. Durch eine regelmäßige Überwachung der Lebensmittel können potenzielle Risiken frühzeitig erkannt werden und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden.
Unsere Untersuchungsergebnisse
Im Jahr 2024 haben wir insgesamt 2075 verschiedene Obst- und Gemüseproben aus unterschiedlichen Ländern auf Rückstände und Kontaminationen an TFA untersucht.
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Rückstand oder Kontaminant – Was ist der Unterschied?
Bei Rückständen handelt es sich um Reste von Stoffen,
- die absichtlich und zielgerichtet
- während der Produktion oder Lagerung von Lebensmitteln eingesetzt werden. (z. B. Pestizidrückstände s. Art. 3 Abs. 2 c) VO (EG) Nr. 396/2005)
Bei Kontaminanten handelt es sich um Stoffe,
- die dem Lebensmittel nicht absichtlich hinzugefügt wurden,
- jedoch als Rückstand der Gewinnung, Fertigung, Verarbeitung, Zubereitung, Behandlung, Aufmachung, Verpackung, Beförderung oder Lagerung des Lebensmittels
- oder infolge einer Verunreinigung durch die Umwelt im Lebensmittel vorhanden sind. (s. Art. 1 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 315/93)
Demnach fallen TFA-Gehalte in Lebensmitteln unter den Begriff Rückstand, wenn diese auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln während der Herstellung des Lebensmittels zurückzuführen sind. Ist der Ursprung jedoch z. B. auf eine Verunreinigung durch die Umwelt zurückzuführen (z. B. durch Kälte- und Treibmittel, Teflonbeschichtungen), handelt es sich bei TFA um eine Kontaminante.
Nach der Extraktion des polaren Analyten aus der Probe mittels der QuPPe-Methode erfolgt die Analyse mittels Ionenchromatographie gekoppelt an ein Tandem-Massenspektrometer. Damit können TFA-Gehalte größer gleich 0,02 mg/kg bestimmt werden. Abbildung 1 zeigt, dass in 19 % der untersuchten Proben TFA gefunden wurde. Dabei handelte es sich sowohl um Proben aus konventionellem als auch aus biologischem Anbau.
Abbildung 1: Übersicht über TFA-Befunde in Obst- und Gemüseproben (Jahr: 2024)
In der nachfolgenden Abbildung sind die Proben mit TFA-Gehalten aus biologischem und konventionellem Anbau nach den verschiedenen Obst- und Gemüsesorten aufgeschlüsselt. In 36 % der exotischen Früchte aus biologischem Anbau und 40 % der exotischen Früchte aus konventionellen Anbau konnten TFA-Gehalte bestimmt werden. Damit enthielten exotische Früchte, gefolgt von Blattgemüse prozentual die meisten Befunde an TFA. Der mittlere TFA-Gehalt aller positiven Obst- und Gemüseproben liegt bei 0,074 mg/kg. Der höchste TFA-Gehalt von 0,76 mg/kg konnte in einer Kiwi aus biologischem Anbau bestimmt werden. Eine Ausschöpfung des von der EFSA vorläufig festgelegten ADI-Wertes für Kleinkinder ist bei diesem Gehalt ab einem täglichen Konsum von 660 g Kiwi gegeben. Diese Menge liegt deutlich über der maximalen Portion (136,6 g), die durchschnittlich von Kleinkindern verzehrt wird.
Abbildung 2: Prozentuale Anteile der TFA-Positivbefunde in verschiedenen Obst- und Gemüseproben aus biologischem und konventionellem Anbau (Jahr: 2024)
Generell wird deutlich, dass sowohl in Proben aus konventionellem Anbau als auch in Proben aus biologischem Anbau TFA bestimmt werden konnte. Dies deckt sich mit den 2017 veröffentlichten Ergebnissen der Untersuchung von Proben pflanzlichen Ursprungs des EU-Referenzlabors für Pestizid-Einzelmethoden (EURL-SRM).
Im Folgenden haben wir uns den Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mit potenziellen Vorläufersubstanzen für TFA (PFAS-Pestizide) und nachgewiesenen Gehalten an TFA in Obst- und Gemüseproben genauer angeschaut. In der folgenden Abbildung ist dargestellt, in welchen Proben zusätzlich zu TFA PFAS-Pestizide nachgewiesen werden konnten.
Abbildung 3: Anzahl an Obst- und Gemüseproben mit TFA-Befunden und zusätzlich weiteren PFAS-Pestizid-Befunden
Es wird deutlich, dass in etwa zwei Drittel der Obst- und Gemüseproben, in denen TFA bestimmt wurde, nur TFA bestimmt werden konnte. Sofern zusätzlich PFAS-Pestizide nachgewiesen werden konnten, beschränkte sich dies größtenteils auf lediglich ein oder zwei der potenziellen TFA-Vorläufersubstanzen. Am häufigsten konnten neben TFA die PFAS-Pestizide Fluopyram, Lambda-Cyhalothrin und Trifloxystrobin nachgewiesen werden, jedoch meist in sehr geringen Mengen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es keine direkte Korrelation zwischen Gehalten an TFA und Gehalten an PFAS-Pestiziden in den Proben gibt. Inwiefern TFA aus Pflanzenschutzmittelanwendungen (ggf. auch an Vorläuferkulturen) oder aus anderen Eintragspfaden stammt, kann anhand der Ergebnisse nicht abgeleitet werden.
Innerhalb der meisten Obst- und Gemüsesorten wurden sowohl Proben aus EU-Ländern, als auch Proben aus Nicht-EU-Ländern untersucht. Ein Zusammenhang zwischen dem Herkunftsland der Probe und Positivbefunden an TFA kann aus den zugrundeliegenden Untersuchungsergebnissen nicht abgeleitet werden.
TFA-Gehalte in Kiwi
Da der höchste TFA-Gehalt in einer Kiwi bestimmt werden konnte, haben wir uns die TFA-Gehalte der 43 analysierten Kiwi-Proben genauer angeschaut. In Tabelle 1 sind die analysierten TFA-Gehalte der untersuchten Kiwi-Proben nach ihrer Herkunft aufgeschlüsselt. Es wird auch hier deutlich, dass unabhängig vom Herkunftsland TFA-Gehalte bestimmt werden konnten.
Herkunftsland |
Anzahl Proben
|
davon mit Positivbefunden
|
minimaler
|
maximaler
|
mittlerer
(Positivbefunde) |
---|---|---|---|---|---|
TFA-Gehalt
|
|||||
Argentinien |
1
|
-
|
|
-
|
-
|
Chile |
4
|
4 (100 %)
|
0,028
|
0,047
|
0,041
|
Griechenland |
8
|
5 (63 %)
|
0,028
|
0,073
|
0,047
|
Italien |
22
|
21 (95 %)
|
0,021
|
0,759
|
0,09
|
Neuseeland |
7
|
6 (86 %)
|
0,06
|
0,094
|
0,077
|
Unbekannt |
1
|
1 (100 %)
|
0,043
|
0,043
|
0,043
|
Gesamt |
43
|
37 (86 %)
|
0,021
|
0,759
|
0,075
|
Für die Pestizidanalytik werden Kiwis mit Schale analysiert. Üblicherweise werden sie jedoch ohne Schale verzehrt. Deshalb wurde in einem Versuch der TFA-Gehalt in Kiwis der gleichen Charge mit und ohne Schale bestimmt. Dazu wurden Früchte halbiert und je eine Hälfte mit Schale, die andere Hälfte ohne Schale untersucht.
Abbildung 4: zerkleinerte Kiwis mit (links) und ohne (rechts) Schale
Der TFA-Gehalt in den Kiwis, die mit Schale analysiert wurden, unterschied sich kaum vom TFA-Gehalt in den Kiwis ohne Schale. Demnach hat sich TFA als wasserlösliche Substanz über die Wurzeln und Leitungsbahnen der Pflanze im Inneren der Frucht verteilt. Daher wird der Großteil an TFA nicht mit der Schale entfernt und dementsprechend nahezu vollständig mit verzehrt.
Fazit
Bei der Trifluoressigsäure handelt es sich um eine schwer abbaubare Substanz, die sich in der Umwelt schnell über den Wasserkreislauf verteilt. Das Vorkommen von TFA ist sowohl auf natürliche (z. B. hydrothermale Quellen), als auch auf anthropogene Quellen (z. B. Pestizide, Kälte- und Treibmittel, Teflon-Beschichtungen, Arzneimittel) zurückzuführen. Trotz mangelnder toxikologischer Studien und fehlender Grenzwerte für den TFA-Gehalt in Lebensmittel, kann eine potenzielle gesundheitsschädliche Auswirkung durch eine längerfristige Aufnahme von TFA nicht ausgeschlossen werden.
In 19 % der in 2024 untersuchten Obst- und Gemüseproben konnten Rückstände bzw. Kontaminationen an TFA ≥ 0,02 mg/kg nachgewiesen werden. Die Positivbefunde sind dabei unabhängig von der Art des Anbaus (konventionell, biologisch) und vom Herkunftsland der Proben. Die meisten TFA-Befunde wurden in exotischen Früchten und Blattgemüse gefunden, wobei in einer Kiwi-Probe der höchste TFA-Gehalt bestimmt werden konnte. Der von der EFSA vorläufig festgelegte ADI-Wert von 0,05 mg/kg KG wird von keiner der analysierten Proben unter Berücksichtigung der durchschnittlichen täglichen Verzehrmengen ausgeschöpft. Dementsprechend sind die nachgewiesenen TFA-Gehalte in unseren Obst- und Gemüseproben nach aktuellem Wissensstand als unbedenklich einzustufen.
Bildernachweis
CVUA Stuttgart
Quellen
Umweltbundesamt (2021): Chemikalieneintrag in Gewässer vermindern – Trifluoracetat (TFA) als persistente und mobile Substanz mit vielen Quellen (zuletzt abgerufen am 09.01.2025)
Solomon KR, Velders GJ, Wilson SR, Madronich S, Longstreth J, Aucamp PJ, Bornman JF (2016): Sources, fates, toxicity, and risks of trifluoroacetic acid and its salts: Relevance to substances regulated under the Montreal and Kyoto Protocols, J Toxicol Environ Health B, VOL. 19(7):289-304, doi: 10.1080/10937404.2016.1175981.
Umweltbundesamt (2023): Trifluoracetat (TFA): Grundlagen für eine effektive Minimierung schaffen – Räumliche Analyse der Eintragspfade in den Wasserkreislauf (zuletzt abgerufen am 21.03.2025)
Umweltbundesamt (2020): Trifluoressigsäure (TFA) – Gewässerschutz im Spannungsfeld von toxikologischem Leitwert, Trinkwasserhygiene und Eintragsminimierung (zuletzt abgerufen am 10.01.2025)
EU Reference Laboratory for Pesticides (2017): Residues of DFA and TFA in Samples of Plant Origin (zuletzt abgerufen am 10.01.2025)
EFSA (2014): Reasoned opinion on the setting of MRLs for saflufenacil in various crops, considering the risk related to the metabolite trifluoroacetic acid (TFA) Setting of new MRLs for saflufenacil in a wide range of food commodities (zuletzt abgerufen am 06.03.2025)
VO (EG) 396/2005: Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Februar 2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates (ABl. L 70/1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2025/195 vom 3. Februar 2025 (ABl. L, 2025/195, 4.2.2025)
VO (EWG) 315/93: Verordnung (EWG) Nr. 315/93 des Rates vom 8. Februar 1993 zur Festlegung von gemeinschaftlichen Verfahren zur Kontrolle von Kontaminanten in Lebensmitteln (ABl. L 37/1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 vom 18. Juni 2009 (ABl. L 188/14)
Use of EFSA Pesticide Residue Intake Model (EFSA PRIMo revision 3), 19. December 2017, doi: 10.2903/j.efsa.2018.5147