Pestizide in Karotten: Eine vergleichende Analyse von Wurzeln und Blättern

Leonie Moser und Dr. Anne Benkenstein

 

Karotten sind ein bei allen Generationen beliebtes und vielseitiges Gemüse, das nicht nur roh, als Salat oder gekocht genossen wird, sondern auch eine wertvolle Quelle für Beta-Carotin, Ballaststoffe und Antioxidantien darstellt. Die Blätter der Karotten, die bislang oft im Biomüll landeten, werden zunehmend als Zutat für Smoothies, Salate oder Pesto entdeckt. Ein Trend auf Social Media sind Rezepte zum #rawcarrotsalad. Doch was steckt wirklich in dem beliebten Wurzelgemüse? Diese Frage rückt angesichts der ungebrochenen Beliebtheit um rohe Karotten und der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten in den Fokus: Finden sich in dem beliebten Wurzelgemüse bedenkliche Mengen an Pestiziden oder können Verbraucher Karotten unbesorgt genießen? Unsere aktuellen Untersuchungen geben Aufschluss über die Situation.

 

Rund um die Karotte

Die Karotte (Daucus carota subsp. sativus) ist unter verschiedenen regionalen Bezeichnungen bekannt, darunter Möhre, Mohrrübe, Gelbe Rübe, Wurzel oder auch Rübli (besonders in Süddeutschland und der Schweiz). Botanisch gesehen handelt es sich um dieselbe Pflanze, doch im Handel gibt es eine feine Unterscheidung: Umgangssprachlich werden die Bezeichnungen "Möhre" und "Karotte" oft synonym verwendet. In der Produktion und im Verkauf hingegen werden Sorten, die eher rundliche, kurze und dicke Rüben bilden, als Karotten bezeichnet. Sorten mit länglichen, walzenförmigen bis spitzen Rüben hingegen werden als Möhren angeboten. Diese Unterscheidung bezieht sich also hauptsächlich auf die Form der Wurzel [1].

 

Die Karotte, wie wir sie heute meist kennen – leuchtend orange – verdanken wir Züchtungen aus dem 17.160Jahrhundert in den Niederlanden. Ursprünglich waren Karotten eher violett oder gelblich-weiß. Diese unterschiedlichen Farben sind auf verschiedene Inhaltsstoffe zurückzuführen: Orange Karotten sind reich an Beta-Carotin (einer Vorstufe von Vitamin A), violette Karotten enthalten Anthocyane und gelbe Karotten enthalten Lutein. Karotten enthalten pro 100 g 11 mg Carotinoide, davon 7,6 mg ß-Carotin [2].

 

Karotten sind eines der beliebtesten Gemüse in Deutschland. Pro Jahr verzehrt jeder Deutsche durchschnittlich 10,6 kg Karotten. Auch in den sozialen Netzwerken erfreut sich der Verzehr von Karotten großer Beliebtheit, was sich unter anderem im Hashtag #rawcarrotsalad widerspiegelt.

 

In Deutschland werden Möhren in vielen Gegenden angebaut. Die größten Anbaugebiete befinden sich in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bayern und Rheinland-Pfalz. Je nach Saison sind unterschiedliche Sorten im Handel erhältlich. Bundmöhren mit Grün werden hauptsächlich im späten Frühjahr und Sommer angeboten. Hierfür werden frühe Sorten mit einer kürzeren Kulturzeit genutzt. Im Gegensatz dazu werden späte Möhrensorten mit langer Kulturzeit vorzugsweise als Lagermöhren verkauft. Diese lassen sich bei optimalen Bedingungen bis zu sechs Monate lagern, sodass fast das ganze Jahr über Karotten aus deutschem Anbau im Angebot sind. Karotten bevorzugen lockere, tiefgründige und humusreiche Böden und werden direkt ins Freiland ausgesät. Für eine gute Entwicklung benötigen sie regelmäßige Wassergaben und sollten von Unkraut befreit werden [3].

 

Abbildung 1 (Foto): Ein Bund Karotten mit Grün.

Abbildung 1: Karotten mit Grün

 

Karotten sind vielseitig in der Küche einsetzbar: Sie können roh als Snack, im Salat oder als Rohkost genossen, gekocht, gedünstet, gebraten oder gebacken werden. Auch in Suppen, Eintöpfen, Säften und sogar Kuchen und Brot finden sie Verwendung. Selbst das Karottengrün ist essbar und kann für Pesto, Salate oder Smoothies verwendet werden. Zur optimalen Lagerung sollten Karotten kühl, dunkel und feucht gelagert werden, idealerweise im Gemüsefach des Kühlschranks oder im kühlen Keller, in feuchte Tücher eingeschlagen oder in einer Kiste mit feuchtem Sand. Die Lagerung neben Äpfeln oder Birnen sollte vermieden werden [4].

 

Infokasten

Carotinoide

Carotinoide kommen in vielen verschiedenen Pflanzen vor. Sie sind fettlösliche Pigmente und können je nach Struktur unterschiedliche Farben (orange-gelb bis purpurfarben) aufweisen. In Pflanzen finden sich in der Regel komplexe Gemische aus vielen verschiedenen Carotinoiden (in Karotten wurden beispielsweise mehr als 50 verschiedene Verbindungen identifiziert). Sie sind unter anderem auch Vorläufer von Aromastoffen und werden entweder als Extrakte aus Pflanzen oder als Einzelstoffe zum Färben von Lebensmitteln (z. B. Margarine, Eis und Süßwaren) eingesetzt. Beta-Carotin ist das bekannteste Carotinoid und wird im Körper zu Vitamin A umgewandelt. Vitamin A ist wichtig für die Sehkraft, das Immunsystem und das Zellwachstum. Auch andere Carotinoide wie Lutein und Zeaxanthin, die ebenfalls in Karotten vorkommen, spielen eine wichtige Rolle für die Augengesundheit [5], [6].

 

Unsere Untersuchungsergebnisse

In der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 sind die Rückstandshöchstgehalte von Pestiziden in Lebensmitteln festgelegt. Diese Verordnung dient dem Schutz der Verbraucher vor gesundheitlichen Risiken durch Pestizidrückstände. Der Rückstandshöchstgehalt (RHG) gibt die maximal zulässige Menge eines Pestizids in einem Lebensmittel an. Karotten gehören zur Gruppe der Wurzelgemüse, die Rückstandshöchstgehalte gelten hier für die Wurzel nach entfernen der Blätter und anhaftender Erde. Für Karottenblätter gelten nach derzeitigem Stand keine Rückstandshöchstgehalte. Da Karottenblätter zunehmend in der Küche verwendet werden, wurden für dieses Projekt die Karotten und die Blätter erstmals separat untersucht.

 

Im Herbst 2024 hat das CVUA Stuttgart 14 Proben Möhren aus konventionellem Anbau, jeweils getrennt nach Wurzel und Blatt, auf Rückstände von über 750 Pflanzenschutzmitteln und Kontaminanten untersucht. Alle 14 untersuchten Proben stammen aus Deutschland.

 

Der mittlere Rückstandsgehalt bei Karotten aus konventionellem Anbau liegt in den Blättern deutlich über dem der Wurzeln (siehe Tabelle 1).

 

 
Anzahl Proben 
Mittlerer Rückstandsgehalt [mg/kg Probe]
Stoffe pro Probe 
Anzahl Proben > HG* (Anzahl Stoffe > HG)
Karotten
14
0,08
5,9
1
Karottenblätter*
14
2,03
13,6
9 (13)
Zum Vergleich: Karotten Bio (2024)
19
0,009
0,53
0
Bio Karottenblätter
1
0,076
1
0

* Für Karottenblätter gibt es keine HG, Höchstgehalte für Rucola im Vergleich

 

Die Anzahl der nachgewiesenen Wirkstoffe ist im Mittel in den Blättern mit durchschnittlich 13,6 mehr als doppelt so hoch wie in den üblicherweise verzehrten Wurzeln mit 5,9 Wirkstoffen pro Probe (siehe Abbildung 2).

 

Abbildung 2 (Balkendiagramm): Gehalte an Pflanzenschutzmittelrückständen.

Abbilddung 2: Gehalte an Pflanzenschutzmittelrückständen

 

Die Rückstandshöchstgehalte für Karotten wurden in einem Fall überschritten (Wirkstoff Dimethomorph). Der Rückstandsgehalt an Dimethomorph lag jedoch nach Berücksichtigung der analytischen Schwankungsbreite nicht gesichert über dem festgelegten Rückstandshöchstgehalt.

 

Für Karottenblätter sind keine Rückstandshöchstgehalte festgelegt. Daher wurden die Rückstandshöchstgehalte für Rucola für eine annähernde Einschätzung herangezogen (die Höchstgehalte für Rucola werden ab 2025 auch für Radieschenblätter verwendet). Dabei wurden in neun Proben der Karottenblätter 13-mal Stoffe über dem jeweiligen Rückstandshöchstgehalt für Rucola nachgewiesen (siehe Tabelle 1). Dabei kamen bei fünf Stoffen Überschreitungen vor, am häufigsten bei dem Herbizid Aclonifen (in vier Proben).

 

Abbildung 3 (Balkendiagramm): Mittlerer Rückstandsgehalt von Karotten und Karottenblättern im Vergleich.

Abbildung 3: Mittlerer Rückstandsgehalt von Karotten und Karottenblättern im Vergleich

 

Abbildung 3 zeigt den mittleren Pestizidrückstandsgehalt von Karotten und Karottenblättern im Vergleich. Dabei wird deutlich, dass der mittlere Rückstandsgehalt in den Karrottenblättern ungefähr 25-mal höher ist als der in den Wurzeln. Grund hierfür ist unter anderem die sehr große Oberfläche der Karottenblätter.

 

In Abbildung 4 sind die Gesamtpestizidrückstandsgehalte der einzelnen Proben dargestellt. Dabei zeigt sich, dass die Rückstandsgehalte in den Karotten durchgängig deutlich unter den Rückstandsgehalten der Karottenblätter liegen.

 

In einzelnen Fällen ist der Gehalt einzelner nachgewiesener Wirkstoffe in den Blättern mehr als 100-mal höher, als der nachgewiesene Gehalt des selben Wirkstoffs in den Wurzeln.

 

Abbildung 4 (Balkendiagramm): Gehalte an Pflanzenschutzmittelrückständen.

Abbilddung 4: Gehalte an Pflanzenschutzmittelrückständen

 

Im konventionellen Karottenanbau werden verschiedene Pestizide eingesetzt, um Schädlinge, Unkräuter und Pilzkrankheiten zu bekämpfen. Die Auswahl der eingesetzten Mittel hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z. B. den spezifischen Schädlingen und Krankheiten und den Witterungsbedingungen. Tabelle 2 zeigt die Häufigkeit der zehn am häufigsten nachgewiesenen Stoffe in den untersuchten Karottenwurzeln und -blättern (n = 14).

 

Nachgewiesener Stoff Wurzel
Anzahl
Nachgewiesener Stoff Blätter
Anzahl
Pendimethalin (H)
14
Boscalid (F)
14
Azoxystrobin (F)
11
Pendimethalin (H)
14
Boscalid (F)
11
Perchlorat (K)
14
Difenoconazol (F)
10
Azoxystrobin (F)
13
Fludioxonil (F)
10
Difenoconazol (F)
13
Fosetyl, Summe (F)
8
Fludioxonil (F)
12
Tebuconazol (F)
4
Metribuzin (H)
11
Perchlorat (K)
3
Dimethomorph (F)
10
Lambda-Cyhalothrin (I)
2
Cyprodinil (F)
9
Pyraclostrobin (F)
2
Fosetyl, Summe (F)
9

H = Herbizid, F = Fungizid, K = Kontaminante, I = Insektizid

 

Pendimethalin und Metribuzin sind synthetische Herbizide, welche zur Bekämpfung von einjährigen Gräsern und Unkräutern eingesetzt werden. Azoxystrobin, Boscalid, Difenoconazol, Fludioxonil, Fosetyl, Summe, Tebuconazol, Pyraclostrobin, Dimethomorph (Die Zulassung für Dimethomorph wurde in Deutschland im November 2024 widerrufen) und Cyprodinil sind Fungizide, die zum Schutz der Nutzpflanzen vor Pilzkrankheiten eingesetzt werden. Perchlorat ist ein Umweltkontaminant, der sowohl natürlichen als auch anthropogenen Ursprungs sein kann. Lambda-Cyhalothrin ist ein synthetisches Insektizid, welches in der Landwirtschaft gegen eine Vielzahl von Insekten eingesetzt wird. Es wirkt als Kontaktgift auf der Oberfläche der Pflanze.

 

Fazit

Die Analyse des CVUA Stuttgart zeigt, dass konventionelle Karottenblätter im Vergleich zu den Wurzeln eine höhere Anzahl an Pestizidrückständen aufweisen. Bio-Karottenwurzeln sind deutlich geringer belastet. Da nur eine Probe von Bio-Karottenblättern untersucht wurde, ist die Aussagekraft begrenzt. Verbraucherinnen und Verbrauchern, die Möhrenblätter verzehren möchten, wird jedoch vorsorglich empfohlen, auf Bioprodukte oder den Eigenanbau zurückzugreifen. Die Untersuchungen werden im Jahr 2025 fortgesetzt.

 

Bildernachweis

Fotos Karotten: Anne Benkenstein

 

Quellen

[1] Möhren, Artikel des Bundesinformationszentrum Landwirtschaft, (zuletzt aufgerufen am 17.1.2025)

[2] Souci/Fachmann/Kraut, Die Zusammensetzung der Lebensmittel Nährwerttabellen, 9., revidierte und ergänzte Auflage, 2024, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart

[3] Von Möhren und Karotten, Artikel des Bundeszentrum für Ernährung, (zuletzt aufgerufen am 17.1.2025)

[4] Karotten richtig lagern – so geht’s, Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, (zuletzt aufgerufen 17.1.2025)

[5] Belitz, Grosch, Schieberle, Lehrbuch der Lebensmittelchemie, 5., vollständig überarbeitete Auflage, Springer-Verlag 2001

[6] Carotinoide, DocMedicus, (zuletzt aufgerufen am 17.1.2025)

 

Artikel erstmals erschienen am 30.01.2025