Radieschenblätter im Smoothie oder Salat – immer eine gute Idee?

Leonie Moser und Dr. Anne Benkenstein

 

Radieschen gehören zu den beliebtesten Sommer-Gemüsearten – kalorienarm, ballaststoffreich, leicht scharf und für den Hobbygärtner mit kurzer Kulturzeit anspruchslos und robust in der Handhabung. Bislang landen die Blätter bei den meisten Verbrauchern in der Biotonne, werden aber zunehmend als Zutat für Smoothies, Salate oder Pesto entdeckt. Doch sind sie mit Rückständen von Pflanzenschutzmitteln belastet?

 

Rund um die Radieschen

Radieschen (Raphanus sativus var. Sativus) gehören wie Brokkoli, Grünkohl und Raps zur Familie der Kreuzblütler (Brassicaceae) und sind eine Zuchtform des Rettichs. Neben den im Supermarkt hauptsächlich vertretenen runden, roten Radieschen (siehe Abbildung 1) gibt es eine Vielzahl an Sorten in verschiedenen Farben (weiß, gelb, violett) und neben runden auch längliche Varianten. Radieschen können von Frühjahr bis Herbst angebaut werden, wobei verschiedene Sorten für den Anbau in der jeweiligen Jahreszeit optimiert sind. Der Anbau von Radieschen im eigenen Garten oder sogar im Balkonkasten ist beliebt, da sie im Sommer bereits nach vier Wochen erntereif und eher anspruchslos und robust sind [1].

 

Abbildung 1: Radieschen.

Abbildung 1: Radieschen

 

Radieschen werden meist roh verzehrt, können aber auch gekocht werden. Im Geschmack ähneln sie dem Rettich, sind aber feiner und meist angenehm scharf. Radieschenblätter schmecken kräftig und würzig, ähnlich wie Rucola. Die Schärfe der Radieschen stammt aus den Senfölen, genauer den Senfölglycosiden. Schwankungen der Schärfe innerhalb einer Sorte liegen an der Größe des Radieschens. Ist es eher warm und feucht, wachsen die Radieschen besser und sind eher nicht so scharf. Ist es dagegen eher kühl und trocken sind die Radieschen kleiner und haben dementsprechend einen schärferen Geschmack. Der Senfölanteil bleibt gleich, der Wassergehalt ist jedoch verschieden (siehe Infokasten).

 

Infokasten

Senfölglycoside

Senfölglykoside, auch Glucosinolate, sind sekundäre Pflanzenstoffe, die in Kreuzblütlern (Brassicacea) vorkommen, zu denen auch die Radieschen gehören. Sie werden von den Pflanzen als Abwehrstoffe gegen Pilze und Tiere (vor allem Insekten, aber auch Schnecken) gebildet. Der typische scharfe Geschmack der Radieschen (und anderer Vertreter der Brassicacea, wie Brunnenkresse oder Senf) ist auf die Senföle zurückzuführen. Die Senfölglycoside sind in der Pflanze getrennt von einem speziellen Enzym, der Myrosinase gespeichert. Beim Reinbeißen in das Radieschen kommen die Senölglykoside und das Enzym zusammen und bilden die scharf schmeckenden Senföle und Glukose. Senföle wirken antibakteriell und sie werden bereits zur Behandlung von Blasenentzündungen eingesetzt [2–4].

 

Da Radieschen und Kohl zur selben Pflanzenfamilie gehören, werden sie von den gleichen Schädlingen und Krankheiten befallen. Die Pilzkrankheiten Kohlhernie, bei der sich die Wurzel wucherartig verdickt, und die Rettichschwärze, bei der sich das Radieschen von außen schwarz färbt, sind genauso relevant wie die Kohlfliege, der Erdfloh und der Kohlweißling [5].

 

Unsere Untersuchungsergebnisse

In der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 sind die Rückstandshöchstgehalte von Pestiziden in Lebensmitteln festgelegt. Radieschen gehören zur Gruppe der Wurzelgemüse (Untergruppe: Rettiche), die Rückstandshöchstgehalte gelten hier für die Wurzel nach entfernen der Blätter und anhaftender Erde. Für Radieschenblätter gelten nach derzeitigem Stand ab 01.01.2025 die Rückstandshöchstgehalte für Grünkohl, der ebenfalls zur Familie der Kreuzblütler gehört und wie Radieschenblätter eine große Blattoberfläche aufweist [6]. Für dieses Projekt wurden die Radieschen und die Blätter erstmals separat untersucht.

 

Im Frühjahr 2024 hat das CVUA Stuttgart 10 Proben Radieschen aus konventionellem Anbau, jeweils Wurzel und Blätter getrennt, auf Rückständen an über 750 Pflanzenschutzmitteln und Kontaminanten untersucht. Bei 9 der 10 untersuchten Proben ist das Herkunftsland bekannt, die Proben stammen aus Deutschland (4) und Italien (5).

 

Abbildung 2: Übersicht der Herkunftsländer der untersuchten Radieschen.

Abbildung 2: Übersicht der Herkunftsländer der untersuchten Radieschen

 

Der mittlere Rückstandsgehalt bei Radieschen aus konventionellem Anbau liegt in den Blättern deutlich über dem der Wurzeln (siehe Tabelle 1). Die Anzahl der nachgewiesenen Wirkstoffe ist im Mittel in den Blättern mehr als doppelt so hoch (8,2) wie in den üblicherweise verzehrten Wurzeln.

 

Tabelle 1: Rückstände und Kontaminanten in Radieschen und Radieschenblättern im Vergleich
 
Anzahl Proben 
Mittlerer Rückstandsgehalt [mg/kg Probe]
Stoffe pro Probe 
Anzahl Proben > HG*
Radieschen
10
0,06
3,5
0
Radieschenblätter
10
0,85
8,2
9
Bio Radieschen
1
0,004
2
0
Bio Radieschenblätter
1
0,003
1
0
Zum Vergleich: Radieschen Bio (01/2020-02/2024)
5
0,003
0,6
0

* Höchstgehalte gültig ab 1.1.2025

 

Die Rückstandshöchstgehalte für Radieschen wurden in keinem Fall überschritten. Würde man allerdings die ab 01.01.2025 geltenden Rückstandshöchstgehalte für Radieschenblätter anwenden, wiesen 9 Proben eine Überschreitung der Rückstandshöchsgehalte auf (*). Nur in einer untersuchten Probe Radieschenblätter konnte kein Wirkstoff mit einem Gehalt über den zukünftig geltenden Rückstandshöchstgehalten nachgewiesen werden. Bei Anwendung der Rückstandshöchstgehalte für Radieschen auf die ermittelten Rückstandsgehalte in den Blättern wurde in 4 Proben eine Höchstmengenüberschreitung nachgewiesen. Wie zu erwarten, liegen die Rückstandsgehalte in Bio Radieschen im Spurenbereich (< 0,01 mg/kg), für den besseren Vergleich wurden die Ergebnisse der Untersuchung von Bio-Radieschen seit 2020 herangezogen.

 

Abbildung 3: Mittlerer Rückstandsgehalt von Radieschen und Radieschenblättern im Vergleich.

Abbildung 3: Mittlerer Rückstandsgehalt von Radieschen und Radieschenblättern im Vergleich

 

In Abbildung 3 sind die mittleren Pestizidrückstandsgehalte der Radieschen und Radieschenblätter im Vergleich dargestellt. Dieser mittlere Gehalt der Blätter ist um das 40-fache höher als bei den Wurzeln. Dies ist u. a. auf die große Oberfläche der Blätter zurück zu führen. Abbildung 4 zeigt die Gesamtpestizidgehalte der einzelnen Proben, auch hier zeigt sich deutlich, dass diese in den Radieschen signifikant niedriger sind. Einzige Ausnahme ist Probe 6, hier war der Gesamtgehalt in den Radieschenblättern leicht niedriger als in den Radieschen.

 

Abbilddung 4: Gehalte an Pflanzenschutzmittelrückständen.

Abbilddung 4: Gehalte an Pflanzenschutzmittelrückständen

 

In den Radieschenblättern konnten 8,2 Stoffe pro Probe nachgewiesen werden, während es in den Radieschen lediglich 3,5 waren (siehe Tabelle 1). In Tabelle 2 sind die 10 am häufigsten nachgewiesenen Wirkstoffe aufgelistet. Auch hier wird die höhere Anzahl an nachgewiesenen Stoffen in den Radieschenblättern deutlich. Im Radieschenanbau kommen vorwiegend fungizide Wirkstoffe zum Einsatz. In den Radieschen und Blättern wurden aus dieser Gruppe Azoxystrobin, Boscalid, Dimethomorph, Fludioxonil, Iprodion und Tebuconazol nachgewiesen. Des Weiteren wurde das Insektizid Lambda-Cyhalothrin häufig bestimmt. Bei Chlorat und Perchlorat handelt es sich um Stoffe, die hauptsächlich über das zur Bewässerung oder zum Waschen verwendete Wasser und/oder über den Boden eingetragen werden.

 

Tabelle 2: Übersicht der 10 häufigsten Stoffe mit Angaben zum Höchstgehalt für Radieschen/Radieschenblätter und Wirkstoffart in konventionellen Proben
Stoff
Höchstgehalt für Radieschen gemäß VO (EG) Nr. 396/2005 (Stand September 2024) [mg/kg]
Anzahl
Höchstgehalt für Radieschenblätter *** gemäß VO (EG) Nr. 396/2005 (Stand September 2024) [mg/kg]
Anzahl
Azoxystrobin (Fungizid)
1,5
3
6
5
BAC (Desinfektions- und Reinigungsmittel)
0,1
1
0,1
1 (1 > Höchstgehalt)
Boscalid (Fungizid)
2
3
9
7
Chlorat (Kontaminant)
0,15
1
0,2
6
Dimethomorph (Fungizid)
1,5
3
3
5
Fludioxonil (Fungizid)
0,3
6
0,01*
8 (2 > Höchstgehalt)
Iprodion (Fungizid)
0,01
1
0,01
1 (1 > Höchstgehalt)
Lambda-Cyhalothrin (Insektizid)
0,15
5
0,01**
6 (6 > Höchstgehalt)
Perchlorat  (Kontaminant)
0,05
3
0,1
10
Tebuconazol  (Fungizid)
0,02
2
0,02
4 (1 > über Höchstgehalt)

* Fludioxonil ist im Anbau von Radieschen während der Kultur zugelassen, bei Anbau von Grünkohl nur vor der Aussaat
** Lambda-Cyhalothrin ist zugelassen im Anbau von Radieschen während der Kultur, bei Anbau von Grünkohl jedoch nicht [7]
*** die für Grünkohl geltenden Höchstgehalte sind hier zugrunde gelegt, Anwendung für Radieschenblätter voraussichtlich erst ab 2025

 

Fazit

Die untersuchten Radieschen aus konventionellem Anbau wiesen allesamt Rückstände an mehreren Pestizidwirkstoffen auf, wobei die Gesamtrückstandsgehalte in den Radieschen wesentlich niedriger waren als in den Blättern. Derzeit sind die Radieschen verkehrsfähig, bei der Anwendung der ab 2025 geltenden Rückstandshöchstgehalte wären 9 von 10 Proben Radieschenblätter beanstandet worden. Die Änderung der Verzehrs Gewohnheiten, wie zum Beispiel die Verwendung von Radieschenblättern in Smoothies, Pesto oder Salat, bringt unerwartete Probleme für die zukünftige Vermarktung von Radieschen mit Grün mit sich.

 

Aufgrund der in den Blättern festgestellten Rückstände über den zukünftig geltenden Höchstgehalten, sollte man auf den Verzehr von Radieschenblättern aus konventionellem Anbau eher verzichten und stattdessen auf solche aus dem eigenen Garten oder aus biologischem Anbau zurückgreifen. Weitere Untersuchungen folgen im Frühjahr 2025.

 

Bildernachweis

Fotos Radieschen: Anne Benkenstein

 

Quellen

[1] Bundesinformationszentrum Landwirtschaft: Radieschen selbst im Garten anbauen (zuletzt abgerufen am 05.09.2024)

 

[2] Spektrum.de: Senfölglykoside und Universität Bonn: Senföle - eine Alternative zu Antibiotika (beide zuletzt abgerufen am 05.09.2024)

 

[3] Belitz, Grosch, Schieberle, Lehrbuch der Lebensmittelchemie, 5., vollständig überarbeitete Auflage, Springer-Verlag 2001

 

[4] ARD alpha: Scharfe Senföle gegen gefährliche Keime (zuletzt abgerufen am 05.09.2024)

 

[5] Plantura GmbH: Radieschen: Herkunft, Vermehrung & Pflege (zuletzt aufgerufen am 4.9.2024)

 

[6] Verordnung (EU) 2021\1771 vom 7. Oktober 2021 zur Änderung von Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf Rettichblätter

 

[7] Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Verzeichnis zugelassener Pflanzenschutzmittel (zuletzt abgerufen am 09.09.2024)

 

Artikel erstmals erschienen am 23.09.2024