Weinblätter im Fokus

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Florian Hägele

 

Weinblätter sind eine beliebte und weitverbreitete Delikatesse in der südosteuropäischen und orientalischen Küche. Frühere Untersuchen des CVUA Stuttgart zeigten, dass diese Erzeugnisse mitunter hohe Pestizidgehalte aufwiesen und häufig nicht verkehrsfähig waren. Ob sich die Situation bei Weinblättern zum Positiven verändert hat sollen nun die Untersuchungen der vergangenen Jahre aufzeigen.

 

Abbildung 1: Weinblätter (Quelle: Pixabay).

Abbildung 1: Weinblätter (Quelle: Pixabay)

 

Das Produkt und Hintergründe

Gefüllt mit Reis und anderen Zutaten, sind Weinblätter eine beliebte und weitverbreitete Delikatesse in der südosteuropäischen und orientalischen Küche. Hierzulande werden Weinblätter im Handel vornehmlich als in Salzlake eingelegtes Erzeugnis angeboten. Die dazu verwendeten Weinblätter werden in der Regel nicht als eigenständige Kultur angebaut, sondern stellen vielmehr ein Nebenprodukt der Traubenerzeugung dar. Da bei der Kultivierung von Wein- bzw. Tafeltrauben üblicherweise Pflanzenschutzmittel angewendet werden, sind entsprechende Rückstände auch in Weinblättern zu erwarten. Bereits im Jahr 2011 untersuchte das CVUA Stuttgart Weinblätter auf Pestizidrückstände [1]. Die Ergebnisse damals zeigten, dass diese Erzeugnisse mitunter hohe Pestizidgehalte aufwiesen und aufgrund von Höchstmengenüberschreitungen häufig nicht verkehrsfähig waren. Die Untersuchungen der vergangenen Jahre sollen nun Aufschluss geben, ob sich die unbefriedigende Situation bei Weinblättern zum Positiven verändert hat.

 

Die Ergebnisse der aktuellen Untersuchungen

Seit Januar 2015 hat das CVUA Stuttgart insgesamt 31 Proben Weinblätter im Rahmen der amtlichen Lebensmittelkontrolle auf Rückstände von über 750 verschiedenen Pestiziden, Pestizidmetaboliten sowie Kontaminanten untersucht (siehe Tabelle 1). Die Untersuchungen zeigen insgesamt ein äußerst ernüchterndes Gesamtbild:

  • 29 (94 %) der 31 Proben wiesen Rückstände von insgesamt 111 verschiedenen Pestizid-Wirkstoffen auf (siehe Tabelle 1).
  • Bei 71 % der Proben (22 von 31 Proben) wurden Pestizidrückstände über den gesetzlich festgelegten Höchstgehalten festgestellt. Diese wurden lebensmittelrechtlich beanstandet (siehe Tabelle 1).
  • Bei den 22 beanstandeten Proben wurden insgesamt 172 Höchstmengenüberschreitungen mit 53 verschiedenen Wirkstoffen festgestellt. Dies entspricht etwa 7,8 Höchstmengenüberschreitungen je Probe.

 

Tabelle 1: Rückstände in Weinblättern (CVUAS Januar 2015 bis Oktober 2020)
Herkunft
Probenzahl
Mit Rückständen
Ø Stoffe pro Probe
Proben > Höchstgehalt (%)
Befunde > Höchstgehalt
Ägypten
5
5 (100 %)
31
5 (100 %)
77
Bulgarien
3
3 (100 %)
20
3 (100 %)
19
Griechenland
1
1 (100 %)
13
1 (100 %)
3
Türkei
17
16 (94 %)
10,4
10 (59 %)
61
Unbekannt
5
4 (80 %)
7
3 (60 %)
12
Gesamt
31
29 (94 %)
14,2
22 (71 %)
172

 

Abbildung 2 zeigt die Verteilung an Mehrfachrückständen in den untersuchten Weinblättern. Nur 2 Proben enthielten keine Rückstände an Pestiziden. Die überwiegende Mehrheit der Proben (28 von 31 (90 %)) wiesen dagegen Mehrfachrückstände an Pestiziden, d. h. mehr als ein Pestizid in einer Probe, auf. Bei 2 Proben ägyptischer Herkunft wurden Rückstände von insgesamt 37 verschiedenen Pestiziden nachgewiesen. Im Schnitt wurden 14,2 Stoffe je Probe nachgewiesen (siehe Tabelle 1).

 

Abbildung 2: Mehrfachrückstände in Weinblättern (CVUAS Januar 2015 bis Oktober 2020).

Abbildung 2: Mehrfachrückstände in Weinblättern (CVUAS Januar 2015 bis Oktober 2020)

 

Der mittlere Rückstandsgehalt an Pestiziden beträgt 5,3 mg/kg und liegt damit erheblich höher als in sonstigem frischem Obst oder Gemüse. Dort liegt er seit Jahren im Mittel bei etwa 0,4 mg/kg (Quelle: Jahresberichte des CVUAS).

 

Auffällige und häufig gefundene Stoffe

Wie in Abbildung 3 dargestellt, wurden in den untersuchten Weinblättern, abgesehen von einigen Insektiziden, vornehmlich Pestizide aus der Gruppe der Fungizide nachgewiesen. Die Fungizide Tebuconazol, Metalaxyl (-M) und Boscalid waren dabei in über 50 % der Proben enthalten. Da im Traubenanbau eine intensive Anwendung von Fungiziden zur Bekämpfung von Pilzkrankheiten zwingend notwendig ist, stellen die zahlreichen Befunde an fungiziden Wirkstoffen in den Weinblättern kein unerwartetes Ergebnis dar.

Abbildung 3: Nachweishäufigkeit der am häufigsten gefundenen Wirkstoffe für Weinblätter in Prozent der untersuchten Proben (CVUAS Januar 2015 bis Oktober 2020).

Abbildung 3: Nachweishäufigkeit der am häufigsten gefundenen Wirkstoffe für Weinblätter in Prozent der untersuchten Proben (CVUAS Januar 2015 bis Oktober 2020)
F = Fungizid; = Insektizid; M = Metabolit

 

Entsprechend der hohen Befundhäufigkeiten entfallen die meisten Höchstmengenüberschreitungen auf die Wirkstoffgruppe der Fungizide. Am häufigsten wurden Höchstmengenüberschreitungen bei den Wirkstoffen Dithiocarbamate (12x), Boscalid (11x), Triadimenol (11x), Metalaxyl (-M) (8x), Azoxystrobin (6x) und Dimethomorph (6x) festgestellt. Auch den Insektiziden Lambda-Cyhalothrin (9x), Chlorpyrifos (8x) und Cypermethrin (6x) ist in Sachen Höchstmengenüberschreitungen eine besondere Relevanz beizumessen.

Weinblätter, die geltende Höchstmengen nicht einhalten, sind lebensmittelrechtlich nicht verkehrsfähig und dürfen somit nicht als Lebensmittel in den Handel gebracht werden.

 

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Rückstandshöchstgehalte

Rückstandshöchstgehalte sind keine toxikologischen Endpunkte oder toxikologische Grenzwerte. Sie werden aus Rückstandsversuchen abgeleitet, die unter realistischen Bedingungen durchgeführt werden. Danach erfolgt eine Gegenüberstellung der zu erwartenden Rückstände mit den toxikologischen Grenzwerten, um die gesundheitliche Unbedenklichkeit bei lebenslanger und ggf. einmaliger Aufnahme zu bewerten. Rückstandshöchstgehalte regeln den Handel und dürfen nicht überschritten werden. Ein Lebensmittel mit Rückständen über dem Rückstandshöchstgehalt ist nicht verkehrsfähig, darf also nicht verkauft werden. Nicht jede Überschreitung von Rückstandshöchstgehalten geht jedoch mit einem gesundheitlichen Risiko einher. Hier ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich.

 

Quelle: BVL-Broschüre, Pflanzenschutzmittel – sorgfältig geprüft, verantwortungsbewusst zugelassen, November 2009

 

Mehrheitlich stammten die beanstandeten Weinblätter aus den nicht-EU Ländern Türkei und Ägypten (siehe Tabelle 1). Aber auch bei den aus den EU-Mitgliedstaaten Bulgarien und Griechenland stammenden Ware wurden Überschreitungen festgestellt. Angesichts der Vielzahl nicht verkehrsfähiger Ware aus der Türkei werden türkische Weinblätter bei der Einfuhr in die EU verstärkt (20 % der Waren) einer amtlichen Kontrollen auf Pestizide unterzogen (Durchführungsverordnung (EU) 2019/1793). Zuletzt stellte sich jedoch die Rückstandssituation besonders bei ägyptischen Weinblättern als problematisch dar. In 2020 wurde beispielsweise bei einer Probe ägyptischer Herkunft die außergewöhnlich hohe Anzahl von insgesamt 22 verschiedenen Wirkstoffen über den gesetzlich festgelegten Höchstgehalten bestimmt. Aufgrund der beobachteten Situation bei ägyptischer Ware sollen zukünftig auch ägyptische Weinblätter verstärken Einfuhrkontrollen unterzogen werden.

 

Infokasten

Rückstandshöchstgehalte von Weinblättern

Da Weinblätter üblicherweise lediglich ein Nebenprodukt der Traubenerzeugung darstellen, wurden bisher sehr wenig spezielle Pestizidhöchstmengen für Weinblätter beantragt. Folglich sind für Weinblätter überwiegend sehr niedrige, allgemeine Höchstmengen auf dem Niveau der analytischen Bestimmungsgrenze festgesetzt. Für Tafeltrauben sind dagegen teilweise deutlich höhere Rückstände zulässig als für Weinblätter, da für Tafeltrauben Höchstmengen festgesetzt sind, die Rückstände aus zulässigen Pflanzenschutzmittelanwendungen berücksichtigen.
Die Erzeuger von Weinblättern könnten höhere Höchstmengen beantragen. Die Erarbeitung der hierzu notwendigen Datengrundlage, wie z. B. die Durchführung von Rückstandsversuchen, ist jedoch aufwändig und teuer. Angesichts der im Vergleich zu Tafeltrauben deutlich geringeren Verzehrmengen von Weinblättern und den teilweise deutlich höheren zulässigen Höchstmengen für Tafeltrauben, ist eine Beeinträchtigung der Verbraucher durch die festgestellten Höchstmengenüberschreitungen in Weinblättern nicht zu erwarten. Unabhängig davon sind die bestehenden, rechtlich verbindlichen Höchstmengen jedoch einzuhalten.

 

Tipp für den Verbraucher

Wie die zahlreichen Pestizid Befunde belegen, hat sich die Rückstandssituation seit dem ersten Bericht über Weinblätter aus 2011 unerfreulicher Weise nicht zugunsten des Verbrauchers verbessert. Nach wie vor sind die im Handel erhältlichen Weinblätter, im Vergleich mit anderem Gemüse, teilweise erheblich mit Pestiziden belastet.
Das CVUA Stuttgart wird die Situation bei Weinblättern daher weiterhin in Blick behalten und Weinblätter auf Rückstände an Pestiziden untersuchen.
Wer besonderen Wert auf rückstandsarme Produkte legt, sollte seine Weinblätter besser mit unbehandelten Blättern selbst herstellen. Dazu empfiehlt es sich entweder einen eigenen Rebstock zu pflegen oder bei einem Öko-Winzer um die Erlaubnis zu bitten einige Blätter ernten zu dürfen. Wer dagegen unerlaubter weise Weinblätter aus dem Weinberg entfernt, begeht Diebstahl und schadet unter Umständen dem Wachstum der Reben. Abgesehen davon ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch diese Weinblätter mit Pestiziden behandelt sind recht hoch.

 

Quellen

[1] Nicht verkehrsfähig: Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Weinblättern; CVUA Stuttgart

 

Artikel erstmals erschienen am 09.12.2020