Kartoffeln – „Nach der Ernte behandelt“

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Nadine Ebert

 

Erdapfel, Grumbeere oder Tüfte, Namen hat die Kartoffel viele, doch eins haben sie gemeinsam: Ein aufmerksamer Blick im Supermarkt oder Hofladen auf das Schild bei der Ware oder dem Etikett an der Verpackung verrät dem Käufer „Nach der Ernte behandelt“. Doch was bedeutet dieser Hinweis eigentlich und werden noch weitere Pflanzenschutzmittelrückstände in Kartoffeln gefunden?

 

Foto: Kartoffeln mit Schale.

 

Im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung wurden am CVUA Stuttgart in den vergangenen 5 Jahren insgesamt 228 Proben Kartoffeln aus konventionellem Anbau auf Rückstände von über 750 Pestiziden und Kontaminanten untersucht (siehe Tabelle 1). In 212 dieser Proben (93 %) wurden Rückstandsgehalte nachgewiesen, 177 Proben (78 %) enthielten dabei zwei oder mehr Rückstände, sog. Mehrfachrückstände. Eine Überschreitung der gesetzlich festgelegten Höchstgehalte wurde in 10 Proben Kartoffeln festgestellt. Fünf dieser Proben stammten aus Deutschland, drei aus Zypern und je eine aus Frankreich und Israel. Zusätzlich wurden acht Proben aufgrund eines überhöhten Gehaltes des Wirkstoffes Chlorat beanstandet. Diese sind nicht in der Tabelle aufgeführt, da Chlorat-Rückstände in pflanzlichen Lebensmitteln nicht ausschließlich auf die Anwendung als Herbizid zurückzuführen sind, sondern auch infolge einer Verunreinigung durch die Umwelt (kontaminiertes Beregnungs- oder Bewässerungswasser) in das Lebensmittel gelangen können. Darüber hinaus kann Chlorat als Nebenprodukt bei der Trinkwasserdesinfektion entstehen und so auf allen Stufen der Lebensmittelkette ins Produkt gelangen. Weiterführende Informationen zu Chlorat sind in unserem Beitrag „Rückstände und Kontaminanten in Frischobst aus konventionellem Anbau 2019“ zu finden [1].

 

Tabelle 1: Rückstände in Kartoffeln aus konventionellem Anbau (CVUAS 2016 bis Okt. 2020)
Jahr
Anzahl der Proben
Proben mit Rückständen
Proben mit Mehrfach-rückständen
Mittlerer Gehalt ohne Fosetyl (mg/kg)
Proben
> Höchstgehalt (Herkunftsland)
Stoffe über dem Höchstgehalt
2016
57
55 (96 %)
47 (82 %)
0,88
4 (Deutschland, Frankreich, 2x Zypern)
Fosetyl, Summe; Fluazifop; Flonicamid, Summe; Haloxyfop, Summe
2017
34
34 (100 %)
28 (82 %)
0,64
2 (2x Deutschland)
Nikotin; Haloxyfop, Summe
2018
32
29 (91 %)
25 (78 %)
2,2
-
-
2019
66
59 (89 %)
47 (71 %)
1,4
3 (2x Deutschland, Zypern)
Chlorpyrifos (2x); Fosthiazat
2020
39
35 (90 %)
30 (77 %)
0,78
1 (Israel)
Glufosinat, Summe
Summe
228
212 (93 %)
177 (78 %)
-
10*
-

* ohne Chlorat

 

Ohne Berücksichtigung der formalen Beanstandungen von Chlorat, waren 96 % der seit 2016 untersuchten Proben Kartoffeln aus konventionellem Anbau unauffällig. In Tabelle 1 ist zudem der mittlere Gehalt an Pestizidwirkstoffen in den untersuchten Kartoffelproben aufgeführt. Aufgrund der vergleichsweise hohen Rückstandsgehalte des Wirkstoffes Fosetyl in pflanzlichen Lebensmitteln wird der mittlere Gehalt pro Probe ohne das Fungizid Fosetyl angegeben, um das Gesamtbild nicht zu verzerren.

 

Bio ein Unterschied?

In den meisten Fällen sind in Produkten aus ökologischer Erzeugung keine oder nur Spuren von Pestizidrückständen nachweisbar. Bio-Produkte enthalten zudem deutlich seltener Mehrfachrückstände als ihre konventionellen Vertreter [2]. Dies gilt auch für Kartoffeln:

 

In den Jahren 2016 bis Okt. 2020 wurden insgesamt 44 Proben Kartoffeln aus ökologischem Anbau auf Rückstände von über 750 Pestiziden und Kontaminanten untersucht. In zwei Proben Kartoffeln wurde eine Überschreitung der gesetzlich festgelegten Höchstgehalte festgestellt. Eine dieser Proben wurde aufgrund eines überhöhten Gehaltes des Wirkstoffes Chlorat beanstandet, die andere Probe enthielt Melamin über dem zulässigen Höchstgehalt. In keiner der untersuchten Kartoffelproben konnten Mehrfachrückstände nachgewiesen werden. Somit ist bei Kartoffeln in der Regel Bio drin, wo Bio drauf steht.

 

Kartoffeln – „Nach der Ernte behandelt“

Nicht selten findet der Verbraucher beim Kauf von Kartoffeln auf einem Schild bei der Ware oder direkt auf dem Etikett der Verpackung den Hinweis „Nach der Ernte behandelt“. Was steckt dahinter.

 

Um Kartoffeln nach der Ernte während der Lagerung möglichst lange haltbar zu machen, werden diese in vielen Fällen mit dem Wachstumsregulator Chlorpropham behandelt. Dieser verlangsamt das Auskeimen der Kartoffeln, verlängert somit ihre Haltbarkeit und ermöglicht es, die Knollen über einen größeren Zeitraum hinweg zu lagern.

 

Bei Kartoffeln aus konventionellem Anbau war die Anwendung des Keimhemmungsmittels Chlorpropham bisher in Deutschland zulässig, musste jedoch durch die Angabe „Nach der Ernte behandelt“ kenntlich gemacht werden. Namentlich genannt werden musste der Stoff allerdings nicht. Bei Erzeugnissen aus ökologischem Anbau hingegen ist diese Form der Haltbarmachung von Kartoffeln nicht erlaubt. Abbildung 1 zeigt die Nachweishäufigkeit der bei Kartoffeln aus konventionellem Anbau angewendeten Wirkstoffe. Chlorpropham wurde in 54 % der untersuchten Proben nachgewiesen und ist damit der auf Kartoffeln am häufigsten vorkommende Pflanzenschutzmittelwirkstoff.

 

Abbildung 1 : Nachweishäufigkeit der Wirkstoffe in Kartoffeln aus konventionellem Anbau (CVUA S 2016 bis Okt. 2020).

Abbildung 1 : Nachweishäufigkeit der Wirkstoffe in Kartoffeln aus konventionellem Anbau (CVUAS 2016 bis Okt. 2020); F = Fungizid; H = Herbizid; I = Insektizid; M = Metabolit; N = Nematizid; W = Wachstumsregulator

 

Chlorpropham verliert seine Zulassung

Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln müssen vor ihrer Erstanwendung zunächst ein aufwändiges Verfahren durchlaufen um eine Zulassung zu erhalten, denn ohne Genehmigung dürfen sie in der EU nicht eingesetzt werden. Dabei werden besonders das Risiko einer Gesundheitsgefährdung von Mensch und Tier sowie mögliche Auswirkungen auf die Umwelt bewertet, die aus dem Einsatz des Wirkstoffes resultieren könnten. Erhält ein Pflanzenschutzmittelwirkstoff eine Zulassung, wird dieser in der Regel für einen Zeitraum von 10 Jahren genehmigt. Nach Ablauf dieser Zeit kann ein Antrag auf Verlängerung der Genehmigung gestellt werden. Dafür wird der Wirkstoff erneut einer Bewertung unterzogen, um den aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen gerecht zu werden. Wie wichtig diese Neubewertungen sind zeigt sich daran, dass viele Stoffe, wie beispielsweise Chlorpyrifos, ihre Zulassungen im Laufe der Zeit wieder verloren haben [3].

 

Nun hat die Europäische Kommission entschieden, die Genehmigung für den Wirkstoff Chlorpropham nicht mehr zu erneuern. Bei der Neubewertung des Stoffes konnte das Risiko einer Gesundheitsgefährdung von Mensch und Tier nicht mehr mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Zwar wurde nicht Chlorpropham selbst als gesundheitlich bedenklicher als zuvor eingestuft, sein Hauptabbauprodukt 3-Chloranilin jedoch schon. Was folgt daraus?

 

Die Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln mit Chlorpropham sind zum 31. Juli 2019 in Deutschland ausgelaufen, es galt jedoch eine Aufbrauchfrist bis zum 8. Oktober 2020. Danach darf das Keimhemmungsmittel nicht mehr angewendet werden. Reste der Mittel müssen entsorgt werden, Kartoffellager sind zudem gründlich zu reinigen um zu gewährleisten, dass neue Knollen nicht durch noch vorhandene Reste kontaminiert werden [4]. Gleichzeitig werden auch die gesetzlichen Höchstgehalte für Chlorpropham deutlich abgesenkt. Während Kartoffeln bisher einen Gehalt von 10 mg/kg nicht überschreiten durften, wird künftig ein neuer Höchstgehalt von 0,4 mg/kg gelten.

 

Wie sieht die Situation in den von uns untersuchten Proben der letzten 5 Jahre aus? In Tabelle 2 sind unsere Untersuchungsergebnisse zu Rückständen an Chlorpropham in konventionell erzeugten Kartoffeln dargestellt. Erfreulicherweise waren alle Proben unauffällig. Selbst der höchste, gemessene Gehalt an Chlorpropham von 7,4 mg/kg in einer Kartoffelprobe aus 2019 lag unterhalb des gesetzlich festgelegten Rückstandshöchstgehaltes von 10 mg/kg.

 

Tabelle 2: Rückstände an Chlorpropham in Kartoffeln aus konventionellem Anbau (CVUAS 2016 bis Okt. 2020)
Jahr
Anzahl der Proben
Proben mit Chlorpropham-Rückständen
Mittlerer Gehalt (mg/kg)
Höchster Gehalt (mg/kg)
Proben > Höchstgehalt (10 mg/kg)
Proben > künftiger Höchstgehalt (0,4 mg/kg)
2016
57
34 (60 %)
0,68
4,7
-
14
2017
34
25 (74 %)
0,27
2,7
-
3
2018
32
19 (59 %)
0,85
3,8
-
7
2019
66
25 (38 %)
1,4
7,4
-
11
2020
39
19 (49 %)
0,56
2,8
-
6

 

Anders stellt sich die Situation dar, wenn bereits der neue Höchstgehalt von 0,4 mg/kg für eine Beurteilung heranzuziehen wäre. In diesem theoretischen Fall, hätten 41 der untersuchten Kartoffelproben nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprochen. Doch der künftige Verzicht auf das Keimhemmungsmittel und die sorgfältige Reinigung der Lager von Chlorprophamresten, ermöglichen in Zukunft die Einhaltung des neuen Höchstgehaltes.

 

Alternativlos ist der Einsatz von Chlorpropham ohnehin nicht. Ein zugelassenes Keimhemmungsmittel für Kartoffeln ist 1,4-Dimethylnaphthalin. Dieser Wirkstoff wurde immerhin in bereits 2 % der untersuchten konventionellen Proben nachgewiesen (siehe Abbildung 1). Ob die Nachweishäufigkeit zunimmt, werden weitere Untersuchungen von Kartoffelproben zeigen.

 

Unser Fazit

Um Kartoffeln aus konventionellem Anbau nach der Ernte während der Lagerung möglichst lange haltbar zu machen, wurden diese in vielen Fällen mit dem Wachstumsregulator Chlorpropham behandelt. Kenntlich gemacht werden muss dies durch die Angabe „Nach der Ernte behandelt“. Erfreulicherweise wurde trotz des häufigen Nachweises von Chlorpropham in den konventionell erzeugten Kartoffelproben der gesetzlich festgelegte Höchstgehalt nie überschritten. Im Hinblick auf die Belastung mit weiteren Pflanzenschutzmitteln zeigt sich (ohne Berücksichtigung der formalen Beanstandungen von Chlorat) : 96 % der seit 2016 untersuchten Proben Kartoffeln aus konventionellem Anbau sind unauffällig, bei ökologisch erzeugter Ware sogar 98 %.

 

Bildernachweis

CVUA Stuttgart, Pestizidlabor

 

Quellen

[1] https://www.bfr.bund.de/cm/343/der-eintrag-von-chlorat-in-die-nahrungskette-sollte-reduziert-werden.pdf

[2] https://oekomonitoring.ua-bw.de/start.html, aufgerufen am 01.10.2020

[3] http://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/pesticides, aufgerufen am 01.10.2020

[4] https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Fachmeldungen/04_pflanzenschutzmittel/2019/
2019_06_21_Fa_Nichtgenehmigung_Chlorporpham.html
, aufgerufen am 01.10.2020

 

Artikel erstmals erschienen am 10.11.2020