Nikotin in Lebensmitteln – was hat Rauchen damit zu tun?

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Hanna Marks

 

Immer wieder findet das CVUA Stuttgart Rückstände des in der EU nicht mehr zugelassenen Pestizidwirkstoffs Nikotin in Obst und Gemüse. Neben einer gezielten Anwendung von Nikotin als Pflanzenschutzmittel oder als Tabaksud als vermeintlich ökologisches Mittel können die Nikotingehalte auch aus natürlichen Gehalte der Pflanze selbst oder durch Kontamination mit Tabakstäuben oder Raucherhänden resultieren. Versuche des CVUA Stuttgart zeigen, welches Ausmaß Kontaminationen haben können.

 

Anwendung oder Kontamination?

Für unverarbeitetes Obst und Gemüse gilt, mit Ausnahme von frischen Kräutern, ein von der EU in der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 gesetzlich festgelegter Rückstandshöchstgehalt für das Insektizid Nikotin von 0,01 mg/kg. Seit Anfang 2017 hat das CVUA Stuttgart insgesamt 259 Proben unverarbeitetes Obst und Gemüse (ohne frische Kräuter) auf Nikotin untersucht und insgesamt 19 auffällige Befunde über dem gesetzlich festgelegten Rückstandshöchstgehalt festgestellt. Unter Berücksichtigung der analytischen Schwankungsbreite von 50 % überschritten immerhin noch 6 der 19 auffälligen Proben die Höchstmenge gesichert und wurden beanstandet .

 

Tab. 1: Nikotin-Befunde des CVUA Stuttgarts in unverarbeitetem Obst und Gemüse (ausgenommen frische Kräuter*)
Herkunft der Proben
Anzahl der Proben insgesamt
Nikotin-Gehalte
≤ 0,01 mg/kg**
> 0,01 mg/kg und ≤ 0,02 mg/kg
> 0,02 mg/kg***
Deutschland
114
104 (91 %)
7 (6 %)
3 (3 %)
EU (ohne Deutschland)
75
70 (93 %)
3 (4 %)
2 (3 %)
Drittländer
56
52 (93 %)
3 (5 %)
1 (2 %)
unbekannt
14
14 (100 %)
0
0
Summe aller Proben
259
240 (93 %)
13 (5 %)
6 (2 %)

* Kräuter haben einen anderen Rückstandshöchstgehalt und sind in der Tabelle nicht mit aufgeführt.

** 0,01 mg/kg entspricht i.d.R. der Bestimmungsgrenze und dem Höchstgehalt

*** Rückstandshöchstgehalt für Nikotin ist nach Berücksichtigung der analytischen Schwankungsbreite von 50 % gesichert überschritten.

 

Anhand der Analysenergebnisse können wir die Proben rechtlich beurteilen, allerdings sagen die gemessenen Gehalte nichts darüber aus, wie das Insektizid in die Probe gelangt ist – durch eine Anwendung als Pestizidwirkstoff, durch eine Kontamination oder durch eine natürliche Produktion der Pflanze selbst?

 

Hände waschen nicht vergessen

Nikotin kommt natürlicherweise in der Tabakpflanze vor und in geringerem Maße auch in anderen Nachtschattengewächsen wie z.B. Kartoffeln, Tomaten und Auberginen. Für verschiedene andere Pflanzen, wie beispielsweise für Steinpilze und Tee, wird ein natürliches Vorkommen an Nikotin diskutiert, allerdings gibt es dafür noch keinen wissenschaftlichen Beleg. Eine Kontamination durch nahegelegene Tabakfelder oder Tabakverarbeitungsanlagen gilt als wahrscheinlicher. Die Verwendung von selbst hergestelltem Tabaksud wurde in unserem Internetbeitrag „Nikotin aus Tabak – ein „natürliches“ Mittel gegen Pflanzenschädlinge?“ schon beleuchtet. Auch einzelne Zigarettenstummel auf dem Feld können zu einem nicht unerheblichen Gehalt im Lebensmittel führen [1]. Die Zigarettenstummel gelangen vorrangig bei der Ernte auf das Feld. Doch welche Kontaminationsmöglichkeiten von Lebensmitteln gibt es im alltäglichen Leben?

 

Abb. 1 : Salat – aber bitte ohne Zigarette!

Abb. 1 : Salat – aber bitte ohne Zigarette!

 

Vielleicht gönnt sich ein Kunde vor dem wöchentlichen Einkauf eine Zigarette. Anschließend sucht der Kunde nach dem schönsten Salatkopf – nimmt den Salatkopf in die Hand, dreht und wendet ihn bis er sicher ist, dass dies nun der schönste Salatkopf von allen ist. Diese Situation hat das CVUA Stuttgart unter anderem für Salat, Äpfeln und Pfirsiche nachgestellt und anschließend die Nikotingehalte gemessen. Dazu wurden die Lebensmittel teils im feuchten Zustand und teils im trockenen Zustand nach dem Rauchen einer Zigarette in die Hand genommen. Beim Rauchen vor dem Berühren der Pfirsiche wurde die glühende Seite der Zigarette zwischen den Zügen nahe an die Handinnenfläche gehalten – die Hände kamen somit verstärkt mit dem Nikotin in Kontakt.

 

Abb. 2: Nikotin-Gehalte in Salat, Apfel, Pfirsich ohne bzw. nach Kontakt mit Raucherhänden.

Abb. 2: Nikotin-Gehalte in Salat, Apfel, Pfirsich ohne bzw. nach Kontakt mit Raucherhänden

 

Der Versuch zeigt, dass bei trockenen Lebensmitteln kein bzw. vergleichsweise wenig Nikotin auf den Apfel bzw. Pfirsich übergeht. Ist das Lebensmittel dagegen feucht, können deutliche Nikotingehalte nachgewiesen werden. Nikotin ist ein sehr polares Pestizid und somit gut in Wasser löslich. Für die drei Lebensmittel gilt ein Rückstandshöchstgehalt von 0,01 mg/kg. Dieser ist nach Kontakt mit dem feuchten Lebensmittel nach Rauchen einer Zigarette bei allen drei Lebensmitteln überschritten. Bei intensiverem Kontakt durch Anfassen und Schneiden des feuchten Lebensmittels wurden bei Salat und Pfirsich etwas höhere Gehalte festgestellt.

 

Während Äpfel naturgemäß eine glatte Oberfläche besitzen, weist Salat in der Regel eine recht große, unregelmäßige Oberfläche auf, wodurch sich der Kontakt beim Anfassen des Lebensmittels mit der Haut ebenfalls vergrößert. Durch die größere Oberfläche und dem daraus resultierenden verstärkten Kontakt mit den mit Nikotin kontaminierten Händen ist eine höhere Kontamination mit Nikotin bei Salat im Vergleich zum Apfel denkbar. Geht man von einer Kontamination und nicht von einer Anwendung aus, spielgelt sich dies auch an unseren Untersuchungsergebnissen wieder – 10 der 19 Höchstmengenüberschreitungen wurden in Blattgemüse festgestellt.

 

Auch wenn es sich bei dem Versuch des CVUA Stuttgarts nur um einen Modellversuch handelt, zeigt es, dass nach dem Rauchen einer Zigarette durchaus relevante Gehalte an Nikotin auf das Lebensmittel übergehen können – daher gilt: Hände waschen vor dem Umgang mit Lebensmitteln nicht vergessen. Dies ist auch aus allgemeinen hygienischen Gesichtspunkten zu empfehlen.

 

Bei unserer Arbeit im Labor und dem Umgang mit Proben tragen wir selbstverständlich Einmalhandschuhe, sodass dort eine Kontamination mit Nikotin ausgeschlossen ist.

 

Infokasten

Das Insektizid Nikotin

Nikotin ist ein Nervengift und bindet im Gehirn an die sogenannten Acetylcholin-Rezeptoren, das sind für bestimmte biochemische Signalprozesse spezialisierte Bindungsstellen auf den Zellen. Der Stoff bewirkt unter anderem eine Erhöhung der Atemfrequenz, des Blutdrucks, der Herzfrequenz und fördert außerdem die Blutgerinnungsneigung, wodurch sich die Gefahr von Thrombosen erhöht [2,3].

Auf Grund seiner hohen Toxizität ist Nikotin in der EU bereits seit 2010 nicht mehr als Pestizidwirkstoff zugelassen. Zur Abschätzung möglicher akuter toxischer Risiken bei kurzzeitiger Exposition wird die beim Verzehr eines Lebensmittels aufgenommene Rückstandsmenge der sogenannten akuten Referenzdosis (ARfD) gegenübergestellt. Die ARfD für Nikotin beträgt 0,0008 mg pro kg Körpergewicht [3].

Bei einem Nikotin-Gehalt von 0,021 mg/kg grünem Salat und somit einer gesicherten Überschreitung des Rückstandhöchstgehaltes wird die ARfD nach Berechnung über das EFSA PRIMo-Modell Revision 3 für Kleinkinder bereits zu 99,9 % ausgeschöpft. Wird die ARfD zu über 100 % ausgeschöpft, so kann eine gesundheitliche Beeinträchtigung bei hohem Verzehr des Lebensmittels nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden [4].

 

Danksagung

Anja Barth, Sahra Söhnholz, Bärbel Illg

 

Bildernachweis

CVUA Stuttgart, Pestizidlabor

 

Quellen

[1] Uptake of nicotine from discarded cigarette butts – A so far unconsidered path of contamination of plant-derived commodities, Selmar et al., Environmental Pollution 238, 2018

[2] Deutsches Krebsforschungszentrum: Wirkungsweise des Nikotins (abgerufen am 02.01.2019)

[3] EFSA Statement: Potential risks for public health due to the presence of nicotine in wild mushrooms, The EFSA Journal RN 286, 1–47, 2009

[4] EFSA model for chronic and acute risk assessment, in der jeweils aktuellen Fassung (Stand Januar 2019: "PriMo Revision 3" als MS-Excel-Datei)

 

Artikel erstmals erschienen am 29.01.2019