Nikotin aus Tabak – ein „natürliches“ Mittel gegen Pflanzenschädlinge?
Silvia Zechmann
Abb. 1: Tabak (Foto: Jan Mesaros/Pixabay, CC0 Public Domain)
Nikotin in Obst und Gemüse - wo liegt das Problem?
In letzter Zeit finden wir zwar vereinzelt, aber immer wieder Rückstände an Nikotin in Obst- und Gemüseprodukten, auch in Produkten aus Deutschland.
Nikotin ist ein Nervengift, das für den Menschen und in noch höherem Maße für Insekten schädlich ist. Es kann natürlich in Pflanzen wie z.B. den Nachtschattengewächsen vorkommen, abgesehen vom Tabak sind die Gehalte hier jedoch gering. Der Stoff gehört mit zu den giftigsten Pestiziden, die einmal in Europa zugelassen waren. Während Nikotin in Drittländern teilweise noch angewendet wird (als Pestizidwirkstoff oder als Tabakzubereitung), ist der Stoff auf Grund seiner hohen Giftigkeit (Toxizität) in der EU bereits seit 2010 nicht mehr als Pestizidwirkstoff in Pflanzenschutzmitteln zugelassen [1].
Verwendung von Tabak als „natürliches“ oder „harmloses“ Mittel gegen Schädlinge
Umso überraschender waren für uns die vielfältigen Funde an „Rezepten“ in verschiedenen Foren für Gärtnerei oder Haushaltstipps im Internet. Dort wird beschrieben, wie man aus Tabak als Naturprodukt vermeintlich natürliche, ökologische und dennoch sehr wirksame Mittel gegen Schädlinge herstellen kann. Der Tabak soll dabei in der Regel nicht direkt ausgestreut werden. Stattdessen wird empfohlen, aus beispielsweise einem Liter Wasser und einigen zerbröselten Zigaretten einen Sud anzusetzen, der dann mehrere Tage lang ziehen soll bevor er mit einer Blumenspritze auf die Pflanzen gesprüht wird.
Teilweise findet man in diesem Zusammenhang auch Warnhinweise in den Foren, den Sud nur im Außenbereich, in Abwesenheit von Kindern und/oder nur für Zierpflanzen zu verwenden. In vielen Fällen wird jedoch in keiner Weise auf die hohe Giftigkeit des Nikotins in dem Tabak hingewiesen. Nachforschungen zufolge raten einzelne Gärtner ihren Kunden sogar zur Anwendung von Tabaksud als natürliches, Insekten abwehrendes Mittel, auch für Lebensmittel produzierende Pflanzen.
Abb. 2: Tabakplantage (Foto: Bishnu Sarangi/Pixabay, CC0 Public Domain)
Tatsächlich finden wir in unseren Proben vereinzelt auffällige Rückstände an Nikotin, auch in Obst- und Gemüseproben aus der EU und aus Deutschland. Als auffällig sehen wir Befunde an, die über den Werten liegen, die durch natürliche Gehalte der Pflanzen selbst, durch Kontamination mit Tabakstäuben oder durch Raucherhände zu erwarten wären. Die gesetzlich festgelegten Höchstmengen für Nikotin in pflanzlichen Produkten liegen dabei für die meisten Lebensmittel bei 0,01 mg/kg. Nur für einige wenige Produkte sind sie höher angesetzt (z.B. für Tee, Pilze, Gewürze oder Kräuter) [2]. 229 Proben pflanzlicher Lebensmittel mit der Höchstmenge von 0,01 mg/kg wurden in den vergangen 18 Monaten am CVUA Stuttgart auf Nikotin untersucht (für einen Überblick siehe die Tabelle unten). Von 94 deutschen Proben wiesen vier auffällige Nikotinbefunde über der Höchstmenge nach Verordnung (EG) Nr. 396/2005 auf. Bei zwei dieser vier Proben waren die Höchstmengen sogar nach Berücksichtigung der analytischen Schwankungsbreite von 50 % gesichert überschritten und die Proben mussten beanstandet werden (eine Eichblattsalat- und eine Johannisbeeren-Probe).
Herkunft der Proben |
Anzahl der Proben Insgesamt*
|
Probenanzahl und Gehalte berechnet auf das unverarbeitete Produkt
|
||
---|---|---|---|---|
≤ 0,01 mg/kg**
|
> 0,0 mg/kg und ≤ 0,02
|
> 0,02 mg/kg***
|
||
In- und Ausland |
229
|
208
|
7
|
14
|
Deutschland |
94
|
90
|
2
|
2
|
EU (ohne Deutschland) |
11
|
9
|
0
|
2
|
Drittländer |
124
|
109
|
5
|
10
|
Wie die Nikotingehalte in deutsche oder in Proben aus der EU gelangen, obwohl hier Nikotin nicht mehr als Pestizidwirkstoff zugelassen ist, ist nicht abschließend geklärt. Unsere Untersuchungen werden fortgeführt und der Sachverhalt weiter beobachtet.
In jedem Fall ist Nikotin giftig und von einer Anwendung von Tabak als „ökologisches“ oder gar „harmloses“ Mittel gegen Schädlinge ist dringend abzuraten!
Infokasten
Das Insektizid Nikotin
Nikotin ist ein Nervengift und bindet im Gehirn an die sogenannten Acetylcholin-Rezeptoren, das sind für bestimmte biochemische Signalprozesse spezialisierte Bindungsstellen auf den Zellen. Der Stoff bewirkt unter anderem eine Erhöhung der Atemfrequenz, des Blutdrucks, der Herzfrequenz und fördert außerdem die Blutgerinnungsneigung, wodurch sich die Gefahr von Thrombosen erhöht [3,4].
Zur Abschätzung möglicher akuter toxischer Risiken bei kurzzeitiger Exposition wird die beim Verzehr eines Lebensmittels aufgenommene Rückstandsmenge der sogenannten akuten Referenzdosis (ARfD) gegenübergestellt. Die ARfD für Nikotin beträgt 0,0008 mg pro kg Körpergewicht [4,5].
Informationen zur Wirkung und Toxizität von Nikotin aus Zigaretten finden Sie beispielsweise unter folgendem Link [3].
Quellen
[1] 2009/9/EG: Entscheidung der Kommission vom 8. Dezember 2008 über die Nichtaufnahme von Nikotin in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG des Rates und den Widerruf der Zulassungen für Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff
[2] Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Februar 2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates
[3] https://www.dkfz.de/de/rauchertelefon/Nikotin_Wirkung.html (abgerufen am 01.09.2017)
[4] EFSA Statement: Potential risks for public health due to the presence of nicotine in wild mushrooms. The EFSA Journal (2009) RN-286, 1–47
[5] Stellungnahme 009/2009 des BfR vom 28. Februar 2009: Nikotin in getrockneten Steinpilzen: Ursache der Belastung muss geklärt werden