Pestizide in Goji-Beeren?

Kathi Hacker

 

Hintergrund der Untersuchungen

Foto: Goji-Beeren am Strauch; Wikimedia. Die Werbung verspricht: täglich eine Handvoll der Beeren knabbern und man ist fit, bleibt gesund und fühlt sich jung. Goji, die angebliche Wunderbeere aus Asien, soll dies alles ermöglichen. Diese „Anti-Aging-Beeren“, auch Wolfsbeeren genannt, sind in den westlichen Ländern zum Trend geworden und werden seit Kurzem verstärkt auch von deutschen Verbrauchern verzehrt. Die reifen orange-roten Goji-Beeren des Bocksdorn-Strauches (Lycium barbarum, ein Nachtschattengewächs) erinnern vom Aussehen an längliche Hagebutten, in getrockneter Form ähneln sie roten Rosinen. Sie schmecken fruchtig-herb, vergleichbar mit Cranberries. Goji werden bei uns z.B. in Form getrockneter Beeren pur, in Müsli oder Nussmischungen und als Saft oder Tee angeboten.

 

Ernährungsbewusste Verbraucher haben beim CVUA Stuttgart angefragt, wie es um die Pestizidbelastung der auf dem deutschen Markt befindlichen Goji-Beeren steht. Der folgende Beitrag berichtet über unsere Untersuchungsergebnisse.

 

Fazit

Die Untersuchung von 7 Proben getrockneter Goji-Beeren im Zeitraum Februar bis April 2009 auf Rückstände von über 500 Pflanzenschutzmitteln zeigte, dass Goji zu den Obstsorten mit höherer Pestizidbelastung zählen. Die Bilanz: alle Proben (100 %) mussten aufgrund Höchstmengenüberschreitungen des Insektizids Acetamiprid beanstandet werden! Jedoch wurde bei keiner Probe die akute Referenzdosis überschritten, d.h. dass keine der untersuchten Goji Proben aufgrund der festgestellten Rückstände als gesundheitlich bedenklich einzustufen war. Aufgrund dieser schlechten Bilanz werden die Untersuchungen fortgeführt.

 

Vorsicht geboten ist bei so manchen Qualitätsangaben. Bei 2 von 7 Proben wurden die Angaben „bio“ bzw. „wilde Goji-Beeren unbehandelt“ aufgrund der hohen Anzahl und der Gehalte der nachgewiesenen, chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittelwirkstoffe in Frage gestellt. Aufgrund der Tatsache dass in allen 7 untersuchten Proben Rückstände mehrerer Wirkstoffe (im Mittel 10 Rückstände pro Probe) mit z.T. hohen Rückstandskonzentrationen nachgewiesen wurden, ist bei diesen Proben nicht von wild gesammelten, sondern von unter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln angebauten Beeren auszugehen.

 

Tipp

Goji-Beeren kann man auch im eigenen Garten anbauen und ernten. Die frostresistenten Bocksdorn-Sträucher kann man im Fachhandel kaufen, und sie gedeihen gut in unserem Klima.

 

Ausführliche Darstellung der Ergebnisse

Insgesamt wurden am CVUA Stuttgart sieben Proben getrocknete Goji-Beeren untersucht. Die Proben wurden von Lebensmittelkontrolleuren der unteren Lebensmittelüberwachungsbehörden in den Land- und Stadtkreisen überwiegend bei Reformhäusern entnommen. Zwei Proben stammten von Internethändlern.

Bei drei der sieben Proben wurde als Herkunftsland China angegeben. Die Herkunft der restlichen Proben ist unbekannt, jedoch wurde z.T. auf den Verpackungen darauf hingewiesen dass Goji-Beeren in der Regel im Ningxia-Tal in China kultiviert werden bzw. aus Zentralasien stammen.

 

Einen Überblick über die Ergebnisse der Rückstandsuntersuchungen bei getrockneten Goji-Beeren liefert Tabelle 1. In allen Proben wurden Pflanzenschutzmittelrückstände mehrerer Wirkstoffe nachgewiesen. Auffällig war, dass die untersuchten Proben durchweg ähnliche Wirkstoffspektren aufwiesen.

 

Die ernüchternde Bilanz der Analysen: alle sieben untersuchten Proben (100 %) wiesen Rückstände über der zulässigen Höchstmenge des Insektizids Acetamiprid auf. Für getrocknete Goji-Beeren gibt es keine gesonderten Rückstandshöchstmengen, so dass die Höchstmengen für die frischen Goji-Beeren bei der Beurteilung von Pestizidrückständen heranzuziehen sind. Unter Berücksichtigung einer bei der Trocknung eintretenden Aufkonzentrierung der Rückstandsgehalte wurde dabei ein Verarbeitungsfaktorfaktor von 5 für die Beurteilung herangezogen. Für den Wirkstoff Acetamiprid ist eine EU-weite gesetzliche Höchstmenge von 0,01 mg/kg für frische Goji-Beeren festgesetzt. Unter Berücksichtigung des Verarbeitungsfaktors gilt für die getrockneten Beeren somit ein theoretischer Höchstgehalt für Acetamiprid von 0,05 mg/kg. Der niedrigste Acetamiprid-Gehalt in den untersuchten Proben lag bei 0,20 mg/kg getrocknete Goji.

 

Bei allen untersuchten Proben lagen die gefundenen Wirkstoffgehalte jedoch unter der akuten Referenzdosis, so dass nach der derzeitigen Datenlage für diese Proben keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die einzelnen Rückstände zu erwarten sind.

 

Durchschnittlich wurden in den untersuchten Goji-Beeren 10 verschiedene Wirkstoffe pro Probe nachgewiesen. Im Mittel enthielt ein Kilogramm getrocknete Goji-Beeren 0,60 mg Pflanzenschutzmittelrückstände.

 

Tabelle 1: Aufstellung der Einzelbefunde der Pflanzenschutzmittelrückstandsuntersuchungen bei getrockneten Goji-Beeren (CVUA Stuttgart Feb - April 2009); nur massenspektrometrisch abgesicherte Werte ≥ 0,005 mg/kg sind angegeben; * = Summe von Wirkstoffen; I = Insektizid, F = Fungizid; H = Herbizid, A = Akarizid; N = Nematizid
 Wirkstoff Messwert
[mg/kg getrocknete Goji-Beeren]
Probe 1
laut Angaben auf der Verpackung
wilde Goji-Beeren unbehandelt
Acetamiprid (I)
Imidacloprid (I)
Carbendazim* (F)
Cypermethrin* (I)
2,4-D (H)
Endosulfan* (I, A)
Difenoconazol (F)
Pyridaben (I, A)
0,54
0,026
0,018
0,016
0,008
0,008
0,006
0,005
Probe 2
laut Angaben auf der Verpackung
bio Goji-Beeren“
Acetamiprid (I)
Carbendazim* (F)
Triadimenol* (F)
Thiophanat-methyl (F)
Imidacloprid (I)
Pyridaben (I, A)
Cypermethrin* (I)
Triazophos (I, A; N)
Clofentezin (A)
0,23
0,12
0,069
0,040
0,024
0,022
0,008
0,008
0,006
Probe 3 Acetamiprid (I)
Triadimenol* (F)
Pyridaben (I, A)
Carbendazim* (F)
Thiophanat-methyl (F)
2,4-D (H)
Imidacloprid (I)
Cypermethrin* (I)
Clofentezin (A)
0,27
0,066
0,056
0,052
0,040
0,016
0,014
0,008
0,006
Probe 4 Acetamiprid (I)
Carbendazim* (F)
Pyridaben (I, A)
Triadimenol* (F)
Thiophanat-methyl (F)
Clofentezin (A)
Imidacloprid (I)
2,4-D (H)
0,24
0,14
0,045
0,023
0,020
0,014
0,012
0,005
Probe 5
Herkunft : China
Acetamiprid (I)
Triadimenol* (F)
Carbendazim* (F)
Thiophanat-methyl (F)
Pyridaben (I, A)
2,4-D (H)
Imidacloprid (I)
Cypermethrin* (I)
Clofentezin (A)
Cyprodinil (F)
0,20
0,092
0,060
0,040
0,038
0,014
0,014
0,013
0,008
0,005
Probe 6
Herkunft : China
Acetamiprid (I)
Carbendazim* (F)
Triadimenol* (F)
Thiophanat-methyl (F)
Imidacloprid (I)
Pyridaben (I; A)
Cypermethrin* (I)
Clofentezin (A)
2,4-D (H)
0,31
0,080
0,042
0,038
0,034
0,031
0,025
0,008
0,007
Probe
Herkunft : China
Acetamiprid (I)
Carbendazim* (F)
Thiophanat-methyl (F)
Pyridaben (I; A)
Difenoconazol (F)
Imidacloprid (I)
Triadimenol* (F)
Cypermethrin* (I)
Clofentezin (A)
Myclobutanil (F)
2,4-D (H)
0,42
0,26
0,1
0,032
0,026
0,023
0,023
0,020
0,016
0,014
0,007

 

Produkte von Goji-Beeren werden zu vergleichsweise hohen Preisen verkauft und für Produkte mit besonderen Qualitätsauslobungen (z.B. „bio“ oder „aus Wildsammlung“) können ggf. noch höhere Preise erzielt werden. Wie sieht es hier mit Verbrauchertäuschungen aus?

 

Eine Probe wurde als „bio“ und somit als Erzeugnis aus ökologischem Landbau ausgelobt. Chemisch-synthetische Pestizide sind im ökologischen Landbau als Pflanzenschutzmittel nicht zugelassen. In der untersuchten „Bio“-Probe wurden jedoch 10 unterschiedliche, chemisch-synthetische Wirkstoffe nachgewiesen, z.T. mit Gehalt über dem von der baden-württembergischen Lebensmittelüberwachung bei der Beurteilung zugrundegelegtem Schwellenwert (siehe Infokasten) von 0,01 mg/kg Lebensmittel (bezogen auf das Ausgangsprodukt frische Beeren; bei getrockneten Goji muss noch ein Trocknungsfaktor von 5 einbezogen werden). Die festgestellten Gehalte lagen in vergleichbarer Größenordnung wie konventionell angebaute Goji-Beeren, so dass eindeutig von einer Pflanzenschutzmittelanwendung beim Anbau der Beeren auszugehen ist. Die Kennzeichnung als Bio-Produkt wurde somit als irreführend beanstandet.

 

Des weiteren wurde bei einer Probe die Auslobung „wilde Goji-Beeren unbehandelt“ als Irreführung beanstandet. In der untersuchten Probe wurden Rückstände von 12 chemisch synthetischen Pestiziden festgestellt. Aufgrund der z.T. hohen Gehalte und der hohen Anzahl an unterschiedlichen Pflanzenschutzmittelrückständen ist davon auszugehen, dass die Beeren auf Plantagen unter Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln kultiviert wurden.

 

Infokasten

0,01 mg/kg - Schwellenwert ist nicht gleich Grenzwert bei Erzeugnissen aus dem ökologischen Landbau

Die EG Öko-Verordnung erlaubt keine Anwendung chemisch-synthetischer Pestizide. Allerdings gibt es in der Öko-Verordnung keine speziellen Grenzwerte, die die Verkehrsfähigkeit von Öko-Lebensmitteln mit Pestizidrückständen regelt. Für Öko-Lebensmitteln gelten nach der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen die gleichen Grenzwerte wie für konventionelle Lebensmittel, was unserer Auffassung nach nicht der Verbrauchererwartung entspricht, da der Verbraucher Produkte ohne Rückstände von Pestiziden erwartet. Angesichts der hohen Messempfindlichkeit der Nachweismethoden muss ein Bio-Produkt, das nachweisbare Rückstände von Pflanzenschutzmitteln enthält, nicht zwangsläufig unzulässig behandelt oder mit konventioneller Ware vertauscht bzw. vermischt worden sein. Allerdings sind bei Erzeugnissen aus ökologischem Landbau in der Regel auch unter Berücksichtigung von Abdrift und Umweltkontamination keine bestimmbaren Rückstände über dem von der baden-württembergischen Lebensmittelüberwachung erarbeiteten, analytischen „Schwellenwert“ von 0,01 mg/kg zu erwarten (bei verarbeiteten Produkten bezogen auf das frische Ausgangsprodukt). Wichtig ist hierbei, dass 0,01 mg/kg kein Grenzwert darstellt, bei dessen Überschreiten feststeht, dass das Produkt nicht entsprechend der Regeln der EG-Öko-Verordnung erzeugt wurde. Vielmehr handelt es sich um einen Schwellenwert, oberhalb dessen im Einzelfall beurteilt werden muss, ob die Rückstandsbelastung von unzulässige Anwendungen stammen. Rückstandsgehalte, die oberhalb dieses Schwellenwertes liegen, sind bei vielen Pflanzenkulturen ein deutlicher Hinweis, dass gegen die Pflanzenschutzmittel-Anwendungsverbote der Öko-Verordnung verstoßen wurde oder dass konventionelle Waren umdeklariert wurden. In diesen Fällen, wird von einer Verbrauchertäuschung ausgegangen und die Ware wegen Irreführung beanstandet.Der Schwellenwert von 0,01 mg/kg wird inzwischen auch von einigen Handelsverbänden des ökologischen Landbaus als Grenze der Verkehrsfähigkeit als Bio-Ware praktiziert.

 

Bildernachweis

Wolfberries, Fotografen Paul Gross und Richard Zhang, 2005. Dieses Bild wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht.

 

Artikel erstmals erschienen am 27.05.2009