Greenwashing bei Lebensmittelbedarfsgegenständen – ein Rückblick auf das Jahr 2024
Magdalena Köhler, Alexandra Treyer

Abbildung 1: Etikett einer Probe
Anfang des Jahres 2024 berichteten wir über Greenwashing (Teil 1 und Teil 2). Daraufhin wurden weitere Lebensmittelverpackungen (insbesondere Schokoladenverpackungen) und Gegenstände, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, wie z. B. Tischdecken aus Papier oder ökologisches Kindergeschirr, gutachterlich von uns beurteilt, da sie den Verbraucher aufgrund ihrer Werbeaussagen in die Irre führen. Hier eine Rückschau zu den untersuchten Proben aus dem Jahr 2024.
Schokoladenverpackungen
Viele Lebensmittelhersteller, die speziell ökologische Lebensmittel verkaufen, bieten ihre Lebensmittel in besonderen, ökologischen Verpackungen an. Besonders auffällig sind Schokoladentafeln, die nicht nur in einem Papierkarton angeboten werden, sondern zusätzlich noch in einer Innenfolie aus „kompostierbaren“ Bestandteilen verpackt sind. Unsere Untersuchungen zeigten jedoch, dass für die Herstellung dieser Innenfolien nicht nur Zellglas verwendet wurde, sondern auch eine Schicht aus Polyvinylidenchlorid (PVDC), einem Kunststoff. Gemäß Art. 3 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1935/2004 darf die Kennzeichnung, Werbung und Aufmachung der Materialien und Gegenstände den Verbraucher nicht irreführen. Dies steht im Einklang mit § 33 Abs. 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB), wonach es verboten ist, Materialien oder Gegenstände für den Lebensmittelkontakt unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen oder beim Verkehr mit solchen Bedarfsgegenständen hierfür allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben.
Abbildung 2: Aussage auf einer Schokoladenverpackung
Insgesamt waren es zehn Schokoladenverpackungen, die wir gemäß § 33 Abs. 1 des LFGB im Jahr 2024 beurteilt haben, da die meisten Kunststoffschichten weder biologisch abbaubar noch kompostierbar sind.
Bamboo Fibre Kids Set
Abbildung 3: Aussagen auf einer Probe
Nachdem im Jahr 2020 die „Bamboo Note“ der EU Kommission veröffentlicht wurde (siehe unsere Beiträge u. a. "Bambus in Coffee-to-go Bechern – legal auf dem Markt?" und "Merkblätter Bedarfsgegenstände"), dürften Lebensmittelbedarfsgegenstände aus Kunststoff, die als Zusatzstoff Bambus verwenden, nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Doch, wie sieht die Realität aus?
Leider finden sich immer noch Produkte, insbesondere Waren für Kinder, die damit werben, dass sie hauptsächlich aus Bambusfasern hergestellt sind. Bei unseren Untersuchungen stellte sich jedoch heraus, dass bei dem „Bambooware“-Geschirr auch Melamin, also ein Kunststoff, verwendet wurde. Auch hier handelt es sich um eine Irreführung des Verbrauchers, denn dass ein Kunststoff Bestandteil des Geschirrs ist, wurde verschwiegen. Ebenso die Tatsache, dass dieses Produkt aufgrund des Bestandteils Melamin nicht, wie beworben, biologisch abbaubar („biodegradable“) ist.
Gemäß diverser Gerichtsurteile der letzten 30 Jahre, ist die Irreführungsgefahr bei umweltbezogener Werbung besonders groß. Es könnte der Eindruck entstehen, derartige Produkte seien ohne Einschränkung umweltfreundlich. Da sich gemäß einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27.06.2024 Umweltaussagen als besonders geeignet erweisen, emotionale Bereiche im Menschen, von der Sorge um die eigene Gesundheit bis zum Verantwortungsgefühl für spätere Generationen, anzusprechen, bedarf es bei derartigen Produkten einer Aufklärung, in welchen konkreten Aspekten diese umweltfreundlich sind [1]. Aufgrund dessen ist die Bewerbung der Probe ohne eine weitere Erläuterung u. E. dazu geeignet den Verbraucher in die Irre zu führen und gemäß § 33 Abs. 1 des LFGB zu beurteilen. Zusätzlich wurde bei diesem Produkt beurteilt, dass ein nicht zugelassener Zusatzstoff (Bambus) verwendet wurde.
Auch Papier oder Produkte aus anderen nachwachsenden Materialien sind nicht automatisch umweltfreundliche oder nachhaltige Produkte
Abbildung 4: Umverpackung einer Probe Trinkhalme
Oftmals weisen Bedarfsgegenstände- oder Lebensmittelverpackungen wie z. B. von Papiertrinkhalmen oder von Gegenständen aus Zuckerrohr, Auslobungen wie „eco friendly“, „green“, „ökologische Alternative“ und „nachhaltig die Umwelt schonend“ auf. Das Problem: Die Bewerbung dieser Produkte mit diesen pauschalen Angaben, ohne weitere Aufklärung über die Aspekte der Nachhaltigkeit gegenüber anderen Produkten ist dazu geeignet den Verbraucher irrezuführen und ist, wie schon oben erwähnt, gemäß § 33 Abs. 1 LFGB zu beurteilen.
Bei Papier beispielsweise handelt es sich nicht um ein reines Naturprodukt. Aus dem Holz werden in einem aufwendigen Prozess erst die Cellulosefasern herausgelöst, um daraus im Anschluss Papier herzustellen. Bereits dafür werden eine Menge Chemikalien und zum Teil auch Kunststoffharze wie beispielsweise Nassverfestigungsmittel im Herstellungsprozess eingesetzt, um die gewünschten Eigenschaften des Papieres einzustellen. Im Anschluss werden die Papiere dann für ihren Zweck weiterverarbeitet: geschnitten, geklebt, bedruckt, beschichtet, etc.. Hierfür kommen ebenfalls Chemikalien oder Polymere zum Einsatz, welche im Produkt verbleiben. Gelangt das Papier in die Umwelt, gelangen auch die Chemikalien in die Umwelt. Papier sollte daher auch nicht achtlos weggeworfen werden. Im Recyclingprozess werden die Chemikalien zum Teil herausgelöst, andere verbleiben auf der Papierfaser. Die geschlossenen Wasserkreisläufe helfen die Belastung durch Chemikalien im Abwasser zu verbessern, jedoch dauert es sehr lange bis Kontaminationen aus dem Recyclingprozess entfernt werden können. [2]
Auch solche Produkte lagen auf unserem Untersuchungstisch. Im Jahr 2024 waren es insgesamt 18 Proben (u. a. Teller und Schalen aus Zuckerrohr, Teller, Tischtuchrollen und Trinkhalme aus Papier), die wir gemäß § 33 Abs. 1 LFGB beurteilten, da diese pauschalen Aussagen geeignet sind, den Verbraucher in seiner Kaufentscheidung zu beeinflussen. Sie verleiten dazu, dieses „umweltfreundliche“ Produkt einem Produkt vorzuziehen, das nicht mit Aussagen zur Umweltverträglichkeit beworben wird, obwohl es nicht schlechter oder besser ist.
Weitere Produkte
Insgesamt wurden 43 Produkte aufgrund ihrer Aussagen zur Umweltfreundlichkeit, ihrem Entsorgungsweg, ihrer Abbaubarkeit oder den verwendeten Materialien im Jahr 2024 als irreführend beurteilt.
FAZIT
Greenwashing – endlich verbieten?
Es bleibt abzuwarten, wie die „Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken“ einem solchen Labelling den Riegel vorschiebt. Die Richtlinie (EU) 2024/825 trat am 26. März 2024 in Kraft; bis zum 27. März 2026 müssen die Vorschriften in deutsches Recht umgesetzt werden und finden ab dem 27. September 2026 Anwendung. Die so genannte „Green Claim Directive“ soll diese Richtlinie um spezifische Vorgaben zu Umweltaussagen und -kennzeichen ergänzen. Bis dahin werden wir weiterhin unerlaubte Umweltwerbung aufdecken und somit einen Teil dazu beitragen, dass Greenwashing nicht mehr stattfindet.
Quellen
[1] BGH: Urteil vom 20.10.1988, IZR 219/87, OLG Hamm: Urteil vom 19.08.2021, I-4 U 57/21 OLG Bremen: Urteil vom 23.12.2022, 2 U 103/22 und BGH: Urteil vom 27.06.2024. I ZR 98/23
[2] Umweltbundesamt: „Papier und Druckerzeugnisse“, zuletzt aufgerufen am 12.03.2025.