Serviette – eine Probe, viele Untersuchungsmöglichkeiten

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Magdalena Köhler, Lydia Richter

 

Servietten sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Nicht nur zum Abtupfen des Mundes, sondern auch zum Servieren und Einwickeln von Lebensmitteln, daheim und auch in anderen Bereichen, wie z. B. Bäckereien. Was man meist jedoch nicht bedenkt, Servietten können abfärben und gesundheitlich bedenkliche Stoffe abgeben. Aus diesen Gründen hat das CVUA Stuttgart diese Produktgruppe jährlich im Fokus.

 

Abb. 1: Foto mit verschiedenen bunten Papierservietten.

Abb. 1: Servietten

 

Rechtliche Anforderungen

Servietten sind aus Papier und gelten somit rechtlich als Lebensmittelbedarfsgegenstände aus Papier. Für diese Produkte gilt die Rahmen-Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 und zusätzlich die Empfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Weitere Informationen finden Sie hier.

 

Unsere Untersuchungen

Ausbluten

Manche Servietten fallen dadurch auf, dass sie bei Gebrauch abfärben. Daher wird getestet, ob dies auch in Kontakt mit Lebensmitteln geschieht. Hierzu werden verschiedene Simulanzien verwendet. Das sind Lösungen, die ähnliche Merkmale aufweisen, wie die verschiedenen Lebensmittelkategorien (siehe Infokasten).

 

Infokasten

Lebensmittelsimulanzien

Wässrige Lebensmittel Destilliertes Wasser
Saure Lebensmittel 3%ige Essigsäure
Fettige Lebensmittel Pflanzenöl nach VO (EU) Nr. 10/2011
Alkalische Lebensmittel (wie z. B. eine Laugenbrezel) Alkalische Prüflösung gemäß DIN 646

 

Eine Probe wird mit ungefärbten Glasfaserpapieren, die mit einem Lebensmittelsimulanz getränkt sind, zusammengebracht und bei Servietten 4 Stunden lang im Stapel belastet. Das Anbluten der Glasfaserpapiere wird mit dem Graumaßstab nach dem Prüfverfahren „Graumaßstab-Handhabung zur Bewertung des Anblutens“ bewertet. Gemäß der BfR-Empfehlung XXXVI. Papiere, Kartons und Pappen für den Lebensmittelkontakt dürfen Farbmittel nicht auf Lebensmittel überwandern, d. h. die Stufe 5 des Graumaßstabes gemäß DIN EN 646 (siehe Abb. 2, Stufe 5 auf der rechten Seite) muss erreicht werden.

 

Abb. 2: zur Veranschaulichung ein Graumaßstab aus dem Jahre 1969.

Abb. 2: zur Veranschaulichung ein Graumaßstab aus dem Jahre 1969

 

Im Jahr 2021 haben wir insgesamt 56 Servietten mit unterschiedlichstem Dekor auf ihr Ausblutverhalten getestet. Das Ergebnis: Sechs Servietten mussten aufgrund des Abfärbens auf das Simulanz gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c der VO (EG) Nr. 1935/2004 beurteilt werden. Im Jahr 2022 haben wir insgesamt 57 Servietten untersucht, ob sie ausbluten. Das erfreuliche Ergebnis: Nur eine Probe musste gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c der VO (EG) Nr. 1935/2004 beurteilt werden (siehe Diagramm).

 

Diagramm 1: Untersuchungsergebnisse des Ausblutens von Servietten mit saisonalen Motiven sortiert nach Anzahl „ohne Befund“ (o.B.) und „auffällig“ aus den Jahren 2021 und 2022.

Diagramm 1: Untersuchungsergebnisse des Ausblutens von Servietten mit saisonalen Motiven sortiert nach Anzahl „ohne Befund“ (o. B.) und „auffällig“ aus den Jahren 2021 und 2022

 

Primäre aromatisch Amine

Primäre aromatisch Amine (paA) sind gesundheitsschädliche Substanzen, von denen einige auch als krebserregend eingestuft werden. Gemäß den Empfehlungen XXXVI des BfR (“Papiere, Kartons und Pappen für den Lebensmittelkontakt”) dürfen keine Azofarbstoffe verwendet werden, die in der Anlage der Bedarfsgegenstände-VO genannt werden. Weitere Informationen finden Sie hier.

 

Diagramm 2: Untersuchungsergebnisse aus den Jahren 2021 und 2022.

Diagramm 2: Untersuchungsergebnisse aus den Jahren 2021 und 2022

 

Das CVUA Stuttgart hat im Jahr 2021 insgesamt 18 Servietten (mit Fußball-Europameisterschafts- und Halloween-Dekor) auf ihren Gehalt an paAs im sogenannten Kaltwasserextrakt untersucht. Das erfreuliche Ergebnis: Alle Servietten waren unauffällig. Auch die im Jahr 2022 untersuchten, weiteren elf Servietten mit Halloween-Dekor zeigten kein auffälliges Ergebnis.

 

Bisphenol A und Ersatzstoffe

Nachdem Bisphenol A (BPA) in der Öffentlichkeit aufgrund seiner endokrinen Wirkung in die Kritik geriet, suchen die Hersteller nach Ersatzstoffen. Für die dem BPA sehr ähnlichen (analogen) Stoffe liegen jedoch oftmals noch keine toxikologischen Bewertungen vor. Bereits 2015 haben wir über Bisphenole und deren Derivate in Konservendosen und Tuben berichtet.

 

Bisphenole können aber über den Papierrecyclingprozess auch z. B. in recycelten Papieren nachgewiesen werden. Weitere Informationen zum Thema Recycling-Papier finden Sie in unserem Bericht "Recyclingpapier – eine geeignete Lebensmittelverpackung?".

 

Für BPA und Bisphenol S (BPS) ist im Anhang der Empfehlung XXXVI des BfR festgelegt, dass der Übergang von BPA und BPS von Erzeugnissen aus wiedergewonnen Papierfasern, die bestimmungsgemäß oder vorhersehbar mit Lebensmittel in Berührung kommen oder auf diese einwirken, auf Lebensmittel jeweils 0,05 mg/kg nicht überschreiten darf.

 

Aufgrund dieser Vorgaben haben wir im Jahr 2021 zehn Servietten aus recycelten Materialien untersucht. Eine Serviette wies auffällige Gehalte im Kaltwasserextrakt an BPA und BPS auf und wurde gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b der VO (EG) Nr. 1935/2004 beurteilt.

 

Chlorpropanole (z. B. 3-MCPD)

In unserem Internetbeitrag "Papiertrinkhalme – Die unbedenkliche Alternative zu Kunststoff?" berichteten wir über Nassverfestiger in Papiertrinkhalmen. Aus diesen Nassverfestigern können Chlorpropanole entstehen oder freigesetzt werden.

 

Da 3-Chlor-1,2-propandiol (3-MCPD) und 1,3-Dichlor-2-propanol (1,3-DCP) gesundheitsschädlich sein können, haben wir im Jahr 2021 auch 14 Servietten auf deren Gehalt an Chlorpropanolen im Kaltwasserextrakt untersucht. Und siehe da, eine Serviette wies auffällige Gehalte an 3-MCPD und 1,3-DCP auf. Unter Fußnote 11 der BfR-Empfehlung XXXVI wird festgelegt, dass der Übergang von 3-MCPD den Richtwert von 12 μg/L auf keinen Fall überschreiten soll. 1,3-DCP darf im Wasserextrakt der Probe nicht nachweisbar sein (bei einer Nachweisgrenze von 2 µg/L). Unsere Untersuchungswerte an 3-MCPD und 1,3-DCP lagen knapp über den geltenden Richtwerten. Somit lag hier ein Hinweis vor, dass die Vorgaben der BfR-Empfehlung nicht eingehalten wurden. Es wurde empfohlen, den Hersteller aufzufordern durch Vorlage entsprechender Untersuchungsberichte eindeutig nachzuweisen, dass die Übergänge von 3-MCPD und 1,3-DCP gesichert unter den Richtwerten der BfR-Empfehlung XXXVI liegen. Im Jahr 2022 untersuchten wir weitere acht Servietten auf Chlorpropanole, diese waren erfreulicherweise unauffällig.

 

Photoinitiatoren

Im Jahr 2014 wurden wir im Zuge der Untersuchung auf Photoinitiatoren in Klebeetiketten fündig. Hier waren zum Teil sehr hohe Konzentrationen an diesen Substanzen enthalten, für weitere Informationen lesen Sie hier weiter. Für uns ein Grund auch Servietten auf ihren Gehalt an Photoinitiatoren zu untersuchen.

Bedruckungen mit bunten Farben und diversen Mustern sind unerlässlich für die Vermarktung von Servietten. Die dazu genutzten Farbsysteme bergen jedoch Risiken, u. a. können auch die hierfür notwendigen, sogenannten Photoinitiatoren in das Lebensmittel übergehen, wenn Lebensmittel mit Servietten umhüllt werden z. B. belegte Brötchen in Bäckereien.

 

In Deutschland gilt seit 7. Dezember 2021 die Einundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Bedarfsgegenständeverordnung (sog. „Druckfarbenverordnung“). Darin werden Stoffe für die Herstellung bedruckter Lebensmittelbedarfsgegenstände sowie der Übergang dieser Stoffe auf Lebensmittel geregelt. Die genannte Änderung der Bedarfsgegenständeverordnung tritt jedoch erst ab dem 01.01.2026 in Kraft. Bis dahin gilt die Leitlinie des Europäischen Druckfarbenverbandes EuPIA (European Printing Ink Association). Diese enthält eine Positivliste für Photoinitiatoren, die in Druckfarben für Lebensmittelkontaktmaterialien verwendet werden dürfen. Photoinitiatoren, die nicht in der Liste aufgeführt sind, sollten nur verwendet werden, wenn die Migration 10 µg/kg Lebensmittel nicht überschreitet oder, wenn eine Barriere, beispielsweise aus Glas, vorhanden ist [2]. Die Leitlinie stellt zwar keine gesetzlich verbindliche Regelung dar, sie beschreibt jedoch die Gute Herstellungspraxis bei Verwendung von Druckfarben für den Lebensmittelkontakt und kann somit zur Überprüfung einer Einhaltung der Bedingungen für die Gute Herstellungspraxis herangezogen werden.

 

Im Jahr 2021 untersuchten wir insgesamt 14 Servietten auf ihren Gehalt an Photoinitiatoren im Kaltwasserextrakt. Das Ergebnis: Drei Servietten wurden aufgrund ihres erhöhten Übergangs an diesen Substanzen in den Kaltwasserextrakt gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b der VO (EG) Nr. 1935/2004 beurteilt, da sie nicht der guten Herstellungspraxis entsprechen und somit die festgestellten Übergänge an Photoinitiatoren als unvertretbare Veränderung der Zusammensetzung des Lebensmittels zu beurteilen sind.

 

Fazit

Aus den Ergebnissen der geschilderten Untersuchungen in den Jahren 2021 und 2022 geht hervor, dass die beobachteten Mängel aufgrund mangelnder guter Herstellungspraxis aufgetreten sind. D. h. man kann die Servietten nach dem Stand der Technik mit geringerer Belastung für den Verbraucher produzieren – eine (unmittelbare) Gesundheitsgefahr geht jedoch von derartigen Servietten nicht aus.

 

Quellen

[1] BfR: XXXVI. Empfehlung „Papiere, Kartons und Pappen für den Lebensmittelkontakt“, Stand 01.04.2021

 

[2] EuPIA-Leitlinie Druckfarben zur Verwendung auf der vom Lebensmittel abgewandten Oberfläche von Lebensmittelverpackungen und Gegenständen; EuPIA Suitability List of Photoinitiators and Photosynergists for Food Contact Materials (Stand Oktober 2020)

 

Artikel erstmals erschienen am 30.01.2023