Verkäufe am Rastplatz – die Betrugsfalle

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Das CVUA Stuttgart ist nicht nur zuständig für die Untersuchung von Proben aus dem stationären Handel, von Importproben, Erkrankungsproben und Beschwerdeproben, sondern hilft auch der Polizei bei der Untersuchung von Proben, die im Zuge einer Ermittlung sichergestellt werden. Seit 2016 hat das CVUA Stuttgart insgesamt 22 Proben aus sogenannten Kofferraumverkäufen untersucht. Überwiegend wurden Messer- und Topfsets geprüft. Fazit: Bei allen Proben fehlte der verantwortliche Inverkehrbringer und die meisten Proben wiesen irreführende Angaben, wie z. B. „Made in Swiss“ auf. Weiterhin traten bei chemischen Untersuchungen weitere Mängel auf, beispielsweise Verfärbungen von Töpfen, hohe Elementlässigkeiten und Gehalte an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen.

 

Hintergrund

Seit 2016 werden uns immer wieder Topf- und Messersets zur Untersuchung zugesendet, die auf Autobahnrastplätzen direkt aus dem Kofferraum von PKW heraus verkauft wurden. Die dort angepriesenen Sets wurden auf der Umverpackung durch unverbindliche Preisempfehlungen als äußerst hochpreisig ausgelobt. Vor Ort wurden dann vermeintliche Schnäppchenpreise verlangt. Die Sets waren auf den ersten Blick professionell aufgemacht. Erst bei näherer Betrachtung wurden Qualitätsmängel ersichtlich: So waren Messer beispielsweise stumpf oder Deckelgriffe an den Töpfen locker.

 

Auf einigen vermeintlich hochpreisigen Produkten ist sogar der Link zu einer Homepage angegeben, die auf den ersten Blick ein seriöses Unternehmen vermuten lässt. Erst bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass es sich bei der Homepage um einen „Dummy“ handelt. Hier liegt die Vermutung nahe, dass skeptische Kund*innen auf dem Autobahnrastplatz mittels Smartphone-Überprüfung der Homepage in Sicherheit gewogen werden sollen.

 

Ähnliche Verkaufsmaschen sind laut Presse auch auf Flohmärkten und in Wohnsiedlungen bekannt: Hier fahren vermeintlich seriöse Verkäufer durch Wohnsiedlungen und sprechen potentielle Käufer*innen in deren eigenen Vorgärten an. Die Geschichten ähneln sich oftmals: Der Verkäufer komme von einer Messe und konnte nicht alles absetzen. Der Restbestand müsse nun aus diversen Gründen schnellstmöglich verkauft werden, daher die vermeintlich günstigen Preise.

 

Irreführung

Da „Made in Swiss“ eine hohe Qualität verspricht, werden viele Waren, insbesondere Messersets, damit beworben, dass sie in der Schweiz gefertigt wurden. Auf den Verpackungen wird entweder die Flagge der Schweiz oder der Name, oft auch in Englisch, abgebildet. Somit wird Verbraucher*innen suggeriert, dass es sich um ein hochwertiges, in der Schweiz gefertigtes Produkt handelt. Zusätzlich fehlt die erforderliche Kennzeichnung eines Verantwortlichen. Somit können Verbraucher*innen beim Kauf nicht nachprüfen, ob es sich bei dieser Ware tatsächlich um ein Produkt aus der Schweiz handelt. Wenn diese Waren nicht in der Schweiz produziert wurden, sind die Aufmachung und die Angabe daher geeignet, Verbraucher*innen über die Herkunft und die Qualität der Messer zu täuschen. Rechtlich gesehen darf nach Art. 3 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1935/2004 die Kennzeichnung, Werbung und Aufmachung der Materialien und Gegenstände den Verbraucher nicht irreführen.

 

Bei einem weiteren Messerset wurde nicht nur die Schweiz hervorgehoben, sondern auch noch die Bezeichnung „Damascus“. Somit soll Verbraucher*innen suggeriert werden, dass die Messer nicht nur in der Schweiz gefertigt wurden, sondern auch noch aus Damaszenerstahl. Auch diese Aussage ist geeignet, Verbraucher*innen in die Irre zu führen, da die Messer eindeutig nicht aus dem mehrlagigen Stahl gefertigt waren, der gemeinhin unter Damaszenerstahl verstanden wird

 

Infokasten

Damaszenerstahl

„Der Begriff Damaszener-Stahl (auch: Damaszenerstahl und Damast), abgeleitet von Damaskus, bezeichnet einen Werkstoff aus einer oder mehreren Eisen-/Stahlsorten, der in poliertem oder geätztem Zustand eine klare Struktur aus mehreren sich abwechselnden Lagen unterschiedlichen Ausgangsmaterials erkennen lässt. Heute bezeichnet der Begriff Damaszenerstahl vor allem den Schweißverbundstahl, der bereits seit mehr als 2000 Jahren in Europa hergestellt wird. Dieser Stahl ist wegen seiner dekorativen Musterung wieder beliebt.“ [1]

 

Topfset AMC

Weiterhin wurden auch Topfsets angeboten. In einigen Fällen wurde nicht die Schweiz als Herstellungsland hervorgehoben, sondern der Name „AMC“. Unter der Abkürzung AMC wird üblicherweise die eingetragene Marke „Alfa Metalcraft Corporation“ aus Bingen verstanden, welche hochpreisige Töpfe und andere Produkte anbietet. Bei den aus Kofferräumen heraus angebotenen Waren wurde die Abkürzung AMC u. a. aus Authentic Master Cookware abgeleitet. Hier kann ein markenrechtlicher Verstoß vorliegen.

 

Unsere Untersuchungsergebnisse

Am CVUA Stuttgart wird bei diesen Proben nicht nur die Kennzeichnung überprüft, sondern es werden auch spezifische Untersuchungen durchgeführt.

 

Nickellässigkeit

Die Klinge eines Messers wurde auf ihre Metalllässigkeit hin untersucht (siehe auch: "Backformen und Wanderequipment aus Metall – Überprüfung der neuen Richtwerte für Metalllässigkeit"). Für Nickel wurde durch den Europarat ein SRL (specific release limit) von 0,14 mg/kg Lebensmittel festgelegt. Dieser Wert wurde gesichert überschritten. Der festgestellte Übergang an Nickel weist darauf hin, dass die Anforderung, keine unvertretbare Veränderung der Zusammensetzung der Lebensmittel herbeizuführen, nicht eingehalten wird. Somit dürfte diese Probe nicht verkauft werden.

 

Verfärbungen

Nach dem Umfang der durchgeführten Untersuchungen war die Probe hinsichtlich der Metalllässigkeit nicht zu beanstanden. Allerdings hatte sich die Kontaktfläche (Topfinnenfläche) nach dem Heißkontakt mit 0,5%iger Zitronensäure, die als Lebensmittelsimulanz für saure Lebensmittel eingesetzt wird, goldfarben verfärbt. Diese Verfärbung weist auf eine minderwertige Qualität des Materials hin. Die auf dem Begleitblatt des Topfsets vorhandene Angabe „Edelstahl rostfrei 18/10“ musste unseres Erachtens in Frage gestellt werden.

 

Foto zeigt einen verfärbten und einen nicht verfärbten Kochtopf.

 

Zusatz „Antibakteriell“

Zusätzlich werden viele Messersets auch noch damit beworben, dass sie „antibakteriell“ oder mit einer antibakteriellen Schicht überzogen seien für einen „gesunden Gebrauch“. Üblicherweise, jedoch nicht ausschließlich, wird eine antimikrobielle Wirkung durch Silberionen im Material erwirkt. Silber konnten wir nur in den wenigsten Proben nachweisen. Ob die Mengen für eine antimikrobielle Wirkung ausreichen oder ob eine andere Art der mikrobiellen Ausstattung vorliegt, ist bei derart geringen Befunden zu bezweifeln. Der Verantwortliche Hersteller muss jedoch die antibakterielle Wirkung belegen können. Sollte seitens des verantwortlichen Inverkehrbringers nur der Produktschutz (siehe Infokasten) ausgelobt werden, so muss dies mit eindeutigen Aussagen erfolgen, um eine Verbrauchertäuschung zu vermeiden. Verbraucher*innen dürfen nicht fälschlicherweise davon ausgehen, dass die Küchenhygiene bei Verwendung der Messer im Lebensmittelkontakt vernachlässigt werden kann.

 

Infokasten

Antibakteriell

Hier muss man als Verbraucher*in auf den genauen Wortlaut achten. Denn antibakteriell ist nicht gleich antibakteriell. Einerseits kann sich die antibakterielle Ausstattung auf das Lebensmittel auswirken oder sie kann dem Produktschutz dienen und die Bildung von Biofilmen verhindern. Sofern von einer Wirkung auf das Lebensmittel ausgegangen wird, handelt es sich bei dem Gegenstand um einen aktiven Gegenstand gemäß Art. 3 Buchstabe a der VO (EG) Nr. 450/2009. Die Nachweispflicht einer wirksamen antimikrobiellen Ausrüstung, die der VO (EU) Nr. 450/2009 unterliegt, liegt beim Hersteller. Soll seitens des verantwortlichen Inverkehrbringers nur der Produktschutz ausgelobt werden, ist dies in eindeutiger Form erforderlich, um eine Verbrauchertäuschung zu vermeiden.

 

Naphthalin

Der Kunststoffgriff eines Messers wurde in einem Screeningverfahren auf das Vorhandensein von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) untersucht (siehe auch "Untersuchung von PAK in Kletterschuhen").

Es waren vier der acht in der REACH-VO geregelten PAK nachweisbar. Zwar lag keiner der vier PAK über dem Grenzwert, jedoch wurde ein erhöhter Gehalt an Naphthalin im Material nachgewiesen. Naphthalin ist der Gruppe der Umwelt-PAK zuzuordnen. Diese Substanzen sind vor allem PAK, die bei Untersuchungen in der Umwelt (Luft, Wasser, Boden) häufig nachgewiesen wurden und dafür als Leitsubstanzen von der amerikanischen Umweltbehörde (EPA – Environmental Protection Agency) charakterisiert wurden. Da die Exposition des Menschen mit PAK auch über andere Quellen (Umwelt) erfolgt, sollte das Vorhandensein von PAK in Verbraucherprodukten nach Einschätzung des BfR bis zur technischen Unvermeidbarkeit minimiert werden [2]. Das BfR beschreibt zudem, dass „bei Hautkontakt mit entsprechenden PAK-haltigen Produkten die PAK in der Regel sehr gut über die Haut aufgenommen werden können [2].

 

Da das Messer vorhersehbar in direkten Kontakt mit der Haut kommt, empfahlen wir den Hersteller dazu aufzufordern, durch Eigenkontrollmaßnahmen sicherzustellen, dass künftig keine Bedarfsgegenstände mit gesundheitlich relevanten Stoffen in Verkehr gebracht werden.

 

Fazit

Als Verbraucher*in sollte man sich insbesondere auf Rastplätzen und auch im eigenen Vorgarten nicht von Schnäppchenpreisen für scheinbar hochwertige Qualitätswaren in die Irre führen lassen. In diesen Fällen wird man meist nicht nur getäuscht, man zahlt zu viel für geringe Qualität und zudem kann das mit den Gegenständen zubereitete Essen auch noch nachteilig beeinflusst werden.

 

Bildernachweis

CVUA Stuttgart

 

Quellen

[1] Wikipedia: Definition Damaszener Stahl

[2] BfR: PAK in verbrauchernahen Produkten müssen so weit wie möglich minimiert werden, Stellungnahme Nr. 025/2009 vom 08.06.2009; im Internet veröffentlicht, zuletzt abgerufen am 12.08.2019.

 

Artikel erstmals erschienen am 05.11.2020