Irreführung: Vermeintlich Ökologisches Geschirr aus Bambus besteht zu einem großen Teil aus Kunststoff – ein Update
Ein Bericht aus unserem Laboralltag
Malte Glüder
Bereits 2014 berichteten wir über Geschirr, das vermeintlich aus nachwachsendem Bambus besteht. Schon damals wurde seitens der Hersteller nicht oder nur unzureichend über die formgebenden Kunststoffe informiert, die einen maßgeblichen Anteil des Materialgemisches ausmachen. Seitdem haben wir eine erhebliche Anzahl an Proben zu dieser Thematik untersucht (Fokus: „Coffee to go - Becher“ für den Mehrweggebrauch) und stellen fest: Besserung ist nicht in Sicht! In einem kleinen Anteil der Produkte wurden Grenzwertüberschreitungen oder eine unzureichende Konformitätsarbeit festgestellt, ein Großteil der Anbieter bewirbt seine Produkte mit irreführenden Werbeaussagen und oftmals steht nicht unmissverständlich drauf, was drin ist. Alle uns zur Untersuchung vorgelegten Coffee to go-Becher wurden aus einem der o.g. Gründe als nicht verkehrsfähig beurteilt.
Abbildung 1: Bambus in seiner natürlichsten Form (Richelieu, Frankreich); Foto: Manfred Heyde, Wikimedia Commons
Ein verlockendes Angebot in Zeiten von Coffee to go
Seit einigen Jahren ist Coffee-to-go ein allgegenwärtiger Trend. Jedes Jahr werden für den schnellen Kaffeegenuss unterwegs Millionen Papp- und Kunststoff-Einweg-Becher wenig nachhaltig im Müll entsorgt. Um dieser Ressourcenverschwendung Einhalt zu gebieten, setzt der Markt auf Mehrwegbecher „to go“. In Städten entwickeln sich Pfand-basierte Mehrwegsysteme, im Internet werden vermehrt vermeintlich ökologische Alternativen zum Einwegbecher angeboten. Becher auf Basis von Bambus werden als Alternative zu Produkten aus Papier oder Kunststoff, aber auch zu Mehrwegbechern aus Kunststoff beworben. Dabei wird vor allem auf den Aspekt der Nachhaltigkeit und des ökologischen Handelns abgezielt. Oft verheimlicht wird jedoch die Tatsache, dass die Becher in der Regel einen erheblichen Kunststoffanteil als formgebende Komponente enthalten.
Abbildung 2: Gegenstände aus verschiedenen Materialien für den Lebensmittelkontakt
Unseriöse Werbeversprechen
Viele Anbieter des Bambusgeschirrs überbieten sich gegenseitig mit Versprechen in puncto Nachhaltigkeit, Recycelbarkeit und Natürlichkeit.
Werbeaussagen wie „umweltfreundlich“, „aus nachwachsendem Rohstoff“ und „biologisch abbaubar“ ziehen sich wie ein roter Faden durch die verschiedenen Angebote. Diese finden sich zahlreich im Internethandel, aber auch in Lifestyle-, Einrichtungs-, Bio- oder Weltläden.
Die Werbeaussagen rücken stets Bambus als Material in den Fokus. Bei einem Teil der Anbieter fällt der enthaltene Kunststoff schlicht unter den Tisch, andere Anbieter verschleiern ihn durch Verwendung ungebräuchlicher Bezeichnungen wie „Resin“ oder „natürliches Harz“. Schließlich gibt es Anbieter, die explizit mit nicht zutreffenden Aussagen wie „100% Bambus“ oder „Die Alternative zu Kunststoff“ werben.
Untersuchungsergebnisse des CVUA Stuttgart
Seit unserem letzten Bericht im Jahr 2014 wurden 45 Gegenstände für den Kontakt mit Lebensmitteln untersucht, die mit dem Material Bambus beworben wurden. Bei 10 Proben handelte es sich tatsächlich um Gegenstände aus Bambusholz (Holzstücke). Hierzu zählten insbesondere Schneidbretter, Pfannenwender und Salatschüsseln, bei denen die Holzstruktur deutlich zu erkennen war.
Bei den restlichen 35 Proben, davon etwa die Hälfte Coffee-to-go-Becher, handelte es sich um Kunststoffgegenstände, die fein zerkleinertes Bambusholz und Maisstärke allenfalls als Füllstoffe enthielten Der verwendete Kunststoff war oft Melaminharz. Es wurden jedoch auch andere Kunststoffe, wie Harnstoff-Formaldehyd-Harze identifiziert. Diese Gegenstände zeichneten sich durch eine matte Oberfläche aus, wobei die Innenseite teilweise zusätzlich mit einem Kunststoff beschichtet war und daher glatt erscheint. Eine Holzmaserung ist bei solchen Produkten naturgemäß nicht erkennbar.
Infokasten
Welche Kunststoffe werden in sogenanntem Bambusgeschirr verwendet?
Als formgebender Bestandteil und um beispielsweise die Spülmaschinenfähigkeit zu gewährleisten wurde zumeist ein Kunstharz aus Melamin und Formaldehyd (umgangssprachlich Melamin) verwendet. Wir fanden jedoch auch Harnstoff-Formaldehyd-Harze sowie bei früheren Untersuchungen Polylactate.
Abbildung 3: Riss im Becher – das verwendete Material ist für den Lebensmittelkontakt nicht geeignet
Keine dieser zuletzt genannten Proben wurde durch das CVUA Stuttgart als unauffällig beurteilt. 31 von diesen aus Holzpulver und Kunststoff zusammengesetzten 35 Proben wurden als irreführend beurteilt, weil der Kunststoffanteil aus der vorliegenden Werbung und Kennzeichnung nicht ersichtlich war.
Weiterhin fielen 11 von 35 Proben dadurch auf, dass zum Teil erhebliche Mengen Melamin und/oder Formaldehyd aus den Gegenständen in die darin befindlichen Prüflebensmittel übergingen. In diesen Fällen wurden die gesetzlichen Höchstmengen teils deutlich überschritten. In Fällen, bei denen der Kunststoff Harnstoff-Formaldehyd-Harz verwendet wurde, kam es nach dem Kontakt mit der heißen Prüflösung zu deutlichen Materialveränderungen. So wies ein Becher einen deutlichen Riss in der Außenwand auf und es löste sich pulvriges Material ab, die Oberfläche des Materials wurde deutlich sichtbar verändert. In diesem Fall wurde der Grenzwert für Formaldehyd um ca. das 50-fache überschritten. Lediglich vier Proben waren als nicht irreführend zu beurteilen und gleichzeitig ohne unzulässigen Übergang von unerwünschten Stoffen. Diese, sowie einige weitere Proben wurden letztlich jedoch ebenfalls als nicht verkehrsfähig beurteilt, da hier die Konformitätserklärung für Gegenstände aus Kunststoff fehlerhaft war oder eine nicht ausreichende Kennzeichnung vorlag.
Zusammenfassend waren somit alle 35 Proben als nicht verkehrsfähig zu beurteilen.
Fazit
Der Wunsch nachhaltig zu handeln steht immer mehr im Fokus. Dazu können Mehrwegbecher beitragen. Jedoch sollten die Möglichkeiten und Grenzens solcher Produkte für jeden Verbraucher klar erkennbar sein. Sofern das Mehrweggeschirr dem bestimmungsgemäßen Gebrauch standhält, die notwendige Konformitätsarbeit geleistet wurde und der Verbraucher nicht über die wahre Identität des Materials getäuscht wird, können solche Gegenstände einen sinnvollen Beitrag zur Ressourcenschonung leisten. Unsere Erfahrungen zeigen jedoch, dass insbesondere im Bereich des Internethandels dem Kunden ein Produkt aus Bambus versprochen und ein Kunststoffprodukt mit Bambusanteilen geliefert wird. Wer Kunststoffe vermeiden will, hat kaum eine Chance, die korrekte Zusammensetzung des Geschirrs zu erfahren.
In diesem Sinne wird das CVUA Stuttgart auch zukünftig einen Schwerpunkt auf die Untersuchung von „ökologischem Geschirr“ legen.