Primäre aromatische Amine in Servietten und Bäckertüten – Die Gefahr lauert im Farbstoff

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Magdalena Lubecki, Dr. Gabriele Steiner

 

Primäre aromatische Amine (paA) können in Farbstoffen enthalten sein. Es handelt sich um gesundheitsschädliche Substanzen, von denen einige auch als krebserregende Stoffe eingestuft sind. Nach Meinung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), sollten Verbraucher so wenig wie möglich in Kontakt mit diesen Substanzen kommen. In Hinblick auf diese Aussagen wurden im Jahr 2014 am CVUA Stuttgart insgesamt 81 Proben, darunter Bäckertüten, Servietten und Muffinförmchen, auf ihre Abgabe an paA untersucht. Bei zehn Proben war der Übergang an paA auffällig.

 

Schmuckelement.

 

Rechtliche Situation

Gemäß den Anforderungen der Empfehlung XXXVI des BfR („Papiere, Kartons und Pappen für den Lebensmittelkontakt") dürfen keine Azofarbstoffe verwendet werden, die in der Anlage der Bedarfsgegenständeverordnung genannt werden. Weiterhin dürfen paA (siehe Infokasten) im Wasserextrakt der Fertigerzeugnisse nicht nachweisbar sein, unabhängig davon ob die paA´s direkt aus den Azofarbstoffen oder aus wiedergewonnen Fasern (Recyclingpapier) stammen.

 

Infokasten

Was sind primäre aromatische Amine?

Strukturformel Anilin.Primäre aromatische Amine sind Amine mit einem aromatischen Substituenten, einfachster Vertreter ist das Aminobenzol, auch bekannt als Anilin (siehe Strukturformel). PaA sind Substanzen, die zum Beispiel bei der Herstellung von bestimmten Farbmitteln, sogenannten Azofarbstoffen, verwendet werden und als Verunreinigung im Farbstoff zurück bleiben. Einige paA sind bekannte Humankanzerogene. Andere werden aufgrund tierexperimenteller Studien als potenziell krebserzeugend für den Menschen angesehen. Aus bunt bedruckten Papierservietten und Bäckertüten, wie sie von uns untersucht wurden, und auch aus anderen bedruckten Materialien mit Lebensmittelkontakt können gesundheitliche relevante paA´s ins Lebensmittel übergehen.

 

Zur Interpretation der Anforderung „nicht nachweisbar“ empfiehlt das BfR in Ergänzung zum bestehenden Summengrenzwert von 10 µg/L für paA eine zusätzliche Begrenzung des Übergangs der als krebserzeugend und potenziell krebserzeugend eingestuften Einzelsubstanzen, wie z.B. Anilin, Toluidin und Anisidin. Aus Sicht des BfR sollte für diese paA das ALARA-Prinzip (siehe Infokasten) gelten. Der Übergang auf Lebensmittel bzw. Lebensmittelsimulanzien sollte mit einer Nachweisgrenze von 0,002 mg/kg (2 µg/kg) Lebensmittel oder Lebensmittelsimulanz, nicht nachweisbar sein. Das BfR empfiehlt darüber hinaus, nur Farbpigmente zu verwenden, die keine krebserzeugende aromatische Aminkomponente enthalten.

 

Infokasten

ALARA Prinzip

Das ALARA-Prinzip ist eine grundlegende Leitlinie des Strahlenschutzes. Die Bezeichnung ist ein Kurzwort aus den Anfangsbuchstaben für "As Low As Reasonably Achievable". Sinngemäß fordert das ALARA-Prinzip, beim Umgang mit ionisierenden Strahlen eine Strahlenbelastung von Menschen, Tieren und Material so gering zu halten, wie dies mit vernünftigen Mitteln machbar ist. Das Prinzip lässt sich genauso auf jede Art des Umgangs mit schädlichen oder potentiell schädlichen Einflüssen übertragen, wie z.B. hier im Fall von primären aromatischen Aminen.

 

Diese Anforderungen des BfR sind vom Gesetzgeber auch in einem Gesetzesentwurf über die Zusammensetzung von Druckfarben vorgesehen (Druckfarben-Verordnung).

 

Untersuchungsergebnisse

Insgesamt wurden 81 Proben, darunter bedruckte Bäckertüten, farbige Muffinförmchen und durchgefärbte/bunt bedruckte Servietten auf ihre Abgabe an paA untersucht. Bei zehn Proben (12 %) war der Übergang von paA über den o.g. Empfehlungen des BfR. Die Ergebnisse sind in der Grafik unten dargestellt.

 

Exceldiagramm.

 

Bei acht dieser zehn auffälligen Proben lag die Summe an paA zwischen 10 und 43 µg/L. Bei sechs der zehn Proben wurden die Einzelsubstanzen Anilin, o-Toluidin und o-Anisidin in Gehalten über 2 µg/L ermittelt.

 

Durchführung der Untersuchung

Bild: Herstellung des Kaltwasserextrakts.

Herstellung des Kaltwasserextrakts.

Gemäß DIN EN 645 wird ein Kaltwasserextrakt der Probe hergestellt. Hierfür wird die Probe in kleine Teile geschnitten und mit Wasser bei Raumtemperatur 24 Stunden lang unter gelegentlichem Schütteln in Kontakt gebracht. Anschließend wird die Lösung filtriert, ggf. enthaltene paA´s flüssigchromatographisch mittels UHPLC (Ultra High Performance Liquid Chromatography) getrennt und mittels Massenspektrometrie detektiert.

 

 

 

Fazit

Unsere Ergebnisse zeigen, dass farbige Bedruckungen immer noch relevante Mengen an paA´s enthalten. Aufgrund dessen werden wir diese Untersuchungen auch im Jahr 2015 fortsetzen. Das BfR rät den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine langfristige Aufbewahrung von Lebensmitteln in bedruckten Papierverpackungen bzw. eingewickelt in bedruckten Servietten, insbesondere bei den Farbgebungen rot, orange und gelb zu vermeiden. Dies bestätigen unsere Untersuchungen, da von insgesamt 33 untersuchten Servietten 24 % (8 von 33) auffällig waren.

 

Quellen

[1] Stellungnahme Nr. 021/2014 des Bundesinstituts für Risikobewertung vom 24.Juli 2013, veröffentlicht unter http://www.bfr.bund.de/de/a-z_index/aromatische_amine-4779.html


 [2] Fragen und Antworten zu primären aromatischen Aminen in Druckfarben für Papierservietten und Lebensmittelverpackungen des Bundesinstituts für Risikobewertung vom 17. Dezember 2014, veröffentlicht unter http://www.bfr.bund.de


 [3] Verordnung (EU) Nr. 10/2011 der Kommission vom 14. Januar 2011 über Materialien und Gegenstände aus Kunststoff, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen (ABl. L 12/1, L 278/13), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 202/2014 vom 3. März 2014 (ABl. L 62/13)

 

Bildernachweis

CVUA Stuttgart.

 

Artikel erstmals erschienen am 11.06.2015