MALDI-TOF MS für den gesicherten Nachweis von Bacillus cytotoxicus
Dr. Jörg Rau, Dr. Matthias Contzen
Im Zusammenhang mit lebensmittelbedingten Erkrankungen ist der rechtssichere Nachweis und eine eindeutige Identifizierung von Bakterien eine herausfordernde Aufgabe für das mikrobiologische Labor. Im Rahmen des Themenschwerpunkts Erregeridentifizierung setzt sich das CVUA Stuttgart auch mit nicht zum Umfang der Routineuntersuchung zählenden „neuen“ Keimen auseinander. Um eine solche Art handelt es sich bei Bacillus cytotoxicus: Nach einem fatalen Geschehen im Jahr 1998 in einem französischen Altenheim wurde eine bis dahin unbekannte thermotolerante, also hitzeunempfindliche, Spezies als Vertreter der Bacillus cereus Gruppe neu beschrieben. Als eine der weltweit ersten Arbeitsgruppen überhaupt konnten die Experten des CVUA Stuttgart dieses Bakterium nachweisen und mittels FT-Infrarotspektroskopie von anderen Vertretern der Bacillus cereus Gruppe abgrenzen (Rau et al., 2009) sowie sich nachfolgend auch an der Speziesbeschreibung als Bacillus cytotoxicus sp. nov. beteiligen (Guinebretiere et al., 2013).
Infokasten
Bacillus cytotoxicus – ein Vertreter der Bacillus cereus Gruppe
Bacillus cytotoxicus besitzt spezielle Eigenschaften und Fähigkeiten, die in der Lebensmittelmikrobiologie besondere Aufmerksamkeit erregen. Das Bakterium kann, wie viele Bacilli, durch die Ausbildung von widerstandsfähigen Sporen nahrungsarme Zeiten oder harsche Bedingungen (Hitze, Kälte) gut überdauern. B. cytotoxicus wächst, auch im Vergleich mit anderen Vertretern seiner engeren Verwandtschaftsgruppe, bei erhöhten Temperaturen. So werden die Isolate im Labor auf festen Nährmedien bei 50 °C für 24 Stunden kultiviert, und nicht bei 30 °C oder 37 °C, wie viele andere Vertreter der B. cereus Gruppe (Abb. 1). Die genannten Temperaturen sind beispielsweise bei fehlerhaft warmgehaltene Speisen möglich. Die Aufnahme großer Mengen dieser Bakterien, kombiniert mit dem von B. cytotoxicus-Isolaten gebildeten Cytotoxin K-1 (als Produkt des cytK-1-Gens) kann zu lebensmittelbedingten Erkrankungen führen. Am CVUA Stuttgart haben wir bereits 2013 eine Studie zum Vorkommen von B. cytotoxicus durchgeführt, in der wir insbesondere bei Kartoffelprodukten Isolate gewinnen konnten (Contzen et al., 2014). Andere Forschungsgruppen konzentrierten sich beispielsweise auf Lebensmittelinsekten, oder Kantinenlieferungen für Militärangehörige (Etter et al.,2024; Fretzel et al., 2022; Stevens et al., 2019).
Die Aufgabe des CVUA Stuttgart endet jedoch nicht nach Abschluss dieser grundlegenden wissenschaftlichen Arbeiten, sondern zielt immer auch auf die Übernahme der neuen Erkenntnisse in den Alltag der Lebensmittelüberwachung ab. Dies schließt die Etablierung einer neuen Methodik im Labor und deren Validierung im Rahmen der qualitätssichernden Maßnahmen gemäß unserer Akkreditierung ein.
Die B. cereus Gruppe umfasst mittlerweile fast 20 verschiedene Arten aerob wachsender, sporenbildenden Bakterien. Manche Vertreter besitzen Eigenschaften, die beim Menschen Erkrankungen auslösen können. Die einzelnen Spezies lassen sich in der Routine der Lebensmittelüberwachung z. T. nur schwer voneinander unterscheiden. Die internationale Norm ISO 7932, ebenfalls unter Beteiligung des CVUA Stuttgart überarbeitet, sieht für die Abgrenzung von B. cytotoxicus einen gesonderten PCR-Nachweis des für B. cytotoxicus spezifischen cytK-1-Gens vor (s. Infobox). Neben derartigen molekularbiologischen Techniken sind am CVUA Stuttgart aber auch Methoden der Identifizierenden Spektroskopie, wie MALDI-TOF Massenspektrometrie und FT-Infrarotspektroskopie seit langem fester Bestandteil der Arbeitsgänge im Labor, die auch im Falle von B. cytotoxicus den Aufwand und die Kosten deutlich verkleinern.
Abb. 1: Präsumtive Bacillus cereus auf Schafblutagar nach ca. 24 h Bebrütung bei 30 °C bzw. 55 °C
1 B. cereus
2 B. cereus (Cereulid-bildend)
3 B. thuringiensis
4 "B. cytotoxicus"
Für die matrixunterstützter Laser-Desorptions-Ionisations-Flugzeit Massenspektrometrie (MALDI-TOF MS) haben wir daher nun in einer umfangreichen formell strukturierten Validierung den Beleg erbracht, dass B. cytotoxicus sich trotz der sehr engen taxonomischen Verwandtschaft klar von den anderen Vertretern der B. cereus Gruppe abgrenzen lässt. Im Rahmen der breit angelegten Studie in Zusammenarbeit mit dem Berliner Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), dem Robert-Koch-Institut (RKI, ebenfalls Berlin) und der Universität Zürich zeigte sich auch bei 1408 anderen als Vergleich eigesetzten MALDI-TOF Massenspektren anderer Arten kein einziger falsch positiver Nachweis. In der Studie wurden Spektren aller beteiligter Labore integriert. Die hierbei gezeigte freie Kombinierbarkeit der MALDI Spektren verschiedenster Geräte und Standorte demonstriert eindrucksvoll die Robustheit der Methode. Die Validierung folgte dabei streng den Vorgaben der vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) herausgegebenen „Leitlinien für die Validierung von Spezies-Identifizierungen mittels MALDI-TOF-MS im Einzellabor oder in Laborverbünden“ der § 64 Arbeitsgruppe „MALDI-TOF“ (BVL, 2021).
Dieses Beispiel zeigt, wie hilfreich die Instituts- und Disziplinen-übergreifende Zusammenarbeit für eine wirksame und qualitätsgesicherte Nutzung innovativer Methoden ist. Für die Bewältigung unserer Aufgaben wird die offenen kollegiale Zusammenarbeit immer wichtiger. In diesem Falle wurde die Studie durch das CVUA Stuttgart initiiert und vorangetrieben.
Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Food Control als frei zugänglicher Artikel veröffentlicht (Rau et al., 2025). In gewohnter Weise haben wir für unser weltweites Fachkollegium die in der Studie erstellten Spektren (Referenzspektren und die Einzelspektren zur Validierung), wie die Validierungsberichte transparent über die Plattform MALDI-UP im Katalog präsentiert.
Quellen
Weitere Internetartikel zum Thema
23.03.2010: "Bacillus cytotoxicus" als neuartiger pathogener Erreger in Lebensmitteln?
19.01.2009: Neue Wege zum Nachweis von pathogenen Bacillus cereus