Ist vegane Schokolade wirklich „vegan“?
Lach, Daniel; Straub, Sina; Kielkopf, Dorothee; Priesnitz, Lisa; Barthmann, Michaela
Die vegane Ernährung erfreut sich in Deutschland einer immer größeren Beliebtheit. Doch erfüllt eine als „vegan“ deklarierte Schokolade tatsächlich die Anforderungen an ein veganes Produkt? Decken sich die Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher mit der Definition für vegane Lebensmittel? Im Jahr 2024 untersuchte das CVUA Stuttgart 40 als „vegan“ deklarierte Schokoladen. Sie entsprachen weitestgehend der Definition veganer Lebensmittel. Unsere Umfrage ergab jedoch: Die Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbrauchern an vegane Schokolade decken sich nicht vollständig mit dieser Definition.
Abbildung 1: Vegane Schokoladen
Was bedeutet „vegan“?
Ein Lebensmittel gilt als vegan, wenn es keine tierischen Zutaten enthält und während der Produktion keine tierischen Verarbeitungshilfsstoffe oder Zusatzstoffe verwendet werden. Diese Definition umfasst alle Produktionsstufen, einschließlich Zutaten wie Aromen, Enzyme oder Trägerstoffe
. Die Definition wurde 2016 auf der Verbraucherschutzministerkonferenz der Länder erarbeitet und in die Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs übernommen.
Wichtig: Die Kennzeichnung „vegan“ schließt nicht aus, dass unbeabsichtigte, geringe Spuren tierischer Bestandteile enthalten sein können, wenn diese trotz Einhaltung der guten Herstellungspraxis technologisch unvermeidbar sind. Daher ist „vegan“ z. B. nicht gleichzusetzen mit der Auslobung „milchfrei“, die speziell auf Verbraucherinnen und Verbraucher mit Allergien oder Unverträglichkeiten abzielt.
Dass unbeabsichtigte, geringe Spuren tierischer Bestandteile erlaubt sind, ist sinnvoll. Die Produktion von veganen Lebensmitteln wäre sonst deutlich aufwendiger, würde viel mehr Ressourcen benötigen und wäre damit weitaus weniger nachhaltig. Separate Produktionsstätten oder -linien wären notwendig. Ein hoher Lebensmittelverwurf würde anfallen.
Allerdings sind unbeabsichtigte Einträge auf eine technologisch unvermeidbare Menge zu begrenzen. Aus diesem Grund findet sich auf vielen als „vegan“ deklarierten Lebensmitteln ein sogenannter Spurenhinweis wie beispielsweise „Kann Spuren von Milch enthalten“. Dieser freiwillige Hinweis der Hersteller richtet sich hauptsächlich an Personen mit Lebensmittelallergien oder Unverträglichkeiten.
Die Bedeutung der veganen Ernährung in Deutschland
Die vegane Ernährung in Deutschland stellt keinen Nischentrend mehr dar. Es gibt immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher, die täglich zu vegetarischen oder veganen Alternativen anstatt tierischen Produkten greifen. Laut einer Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2023 ernährt sich allein in Deutschland etwa 2 % der Bevölkerung ausschließlich vegan
. Für die vegane Ernährung gibt es eine Vielzahl an Gründen wie beispielsweise das Tierwohl, der Umweltschutz oder die eigene Gesundheit.
Was ist vegane Schokolade?
Was ist unter einer „veganen“ Schokolade zu verstehen und deckt sich die Erwartung der Konsumentinnen und Konsumenten mit der Realität? Um dies einordnen zu können, ist es wichtig zu verstehen, aus welchen Zutaten eine Schokolade besteht und ab wann sie als vegan vermarktet werden darf.
Schokolade wird hergestellt, indem Kakaomasse, Kakaobutter, Zucker, ggf. Milchpulver und/oder Butterreinfett, Gewürze und Aromen zu einer geschmeidigen Masse verarbeitet werden. Im Conchierprozess werden Geschmack und Textur dieser Mischung durch mehrstündiges Rühren bei warmer Temperatur verfeinert. Danach wird die zarte Schokoladenmasse temperiert, ausgeformt und verpackt.
Dabei wird Schokolade in drei Kategorien angeboten:
Bei herkömmlicher Milchschokolade werden bei der Herstellung typischerweise Milchbestandteile wie Milchpulver oder Butterreinfett zugegeben. Somit kann eine Milchschokolade per Definition nicht vegan sein. Wird ein veganes Produkt in Anlehnung an eine Milchschokolade hergestellt, wird auf die genannten tierischen Bestandteile verzichtet. Das Produkt darf nicht als Milchschokolade bezeichnet werden. Um Geschmack und Konsistenz einer Milchschokolade nachzuahmen, werden bei veganen Alternativen z. B. Mandelmehl oder andere pflanzliche Zutaten verwendet. Solche Lebensmittel können z. B. als „Veganes Kakaoerzeugnis mit Mandelmehl“ bezeichnet werden.
Schokolade besteht hauptsächlich aus Kakaomasse, Zucker und Kakaobutter. Sie kann unter Verwendung von Milchprodukten (meist Butterreinfett) hergestellt sein. Schokoladen mit hohem Kakaoanteil enthalten häufig keine Milchprodukte, sodass sie aufgrund ihrer Zusammensetzung vegan sind
.
Weiße Schokolade besteht definitionsgemäß aus Kakaobutter, Zucker und Milchbestandteilen und ist damit nicht vegan
. Vegane Produkte, die in Anlehnung an Weiße Schokolade hergestellt werden, dürfen nicht als „Weiße Schokolade“ bezeichnet werden. Bei einer Herstellung aus Kakaobutter, Zucker und z. B. Mandel(mehl) können diese Lebensmittel z. B. als „vegane Kakaobutterzubereitung mit Mandelmehl“ bezeichnet werden.
Verbrauchererwartung an vegane Schokolade
Um die Verbrauchererwartung an vegane Schokoladen in Erfahrung zu bringen, führte das CVUA Stuttgart eine Umfrage mit 269 Teilnehmenden durch. Im ersten Teil der Umfrage sollten die Teilnehmenden angeben, welcher der drei bereitgestellten Aussagen zu veganer Schokolade sie am ehesten zustimmen. In Abbildung 2 sind die Ergebnisse dieser Frage aufgeführt.
Abbildung 2: Prozentuale Angabe der Verbraucherbefragung und der jeweiligen Antwortmöglichkeiten auf die Frage, welche Aussage über vegane Schokolade ihrer Meinung nach am ehesten zutrifft.
Laut der Umfrage sind 45 % der Befragten der Meinung, dass in einer veganen Schokolade weder tierische Zutaten noch Spuren davon enthalten sein dürfen. Tatsächlich erlaubt die Definition für vegane Lebensmittel unbeabsichtigte Spuren tierischer Bestandteile, sofern diese trotz Einhaltung der guten Herstellungspraxis technologisch unvermeidbar sind. 36 % der Befragten gehen davon aus, dass Spuren von tierischen Bestandteilen zulässig sind, wenn ein entsprechender Spurenhinweis vorhanden ist. Dieser Hinweis ist jedoch freiwillig und nicht gesetzlich vorgeschrieben. Für viele Menschen, die unter Lebensmittelallergien oder anderen Lebensmittelunverträglichkeiten leiden, ist der Hinweis eine relevante Angabe. Er dient außerdem auch der Transparenz gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern. Nur etwa 19 % der Teilnehmenden wählten die Antwort, dass Spuren von tierischen Bestandteilen zulässig sind, auch wenn kein entsprechender Spurenhinweis vorhanden ist. Das zeigt, dass die Vorstellung der meisten Verbraucherinnen und Verbraucher von „vegan“ von der beschriebenen Definition abweicht.
Im zweiten Teil der Umfrage sollten die Teilnehmenden angeben, ob sie folgender Aussage zustimmen:
„Eine Halbbitter-, Zartbitter oder Bitterschokolade enthält im Normalfall keine tierischen Bestandteile (z. B. Milch), wodurch sie auch ohne weitere Angabe vegan sein kann“.
55 % der Befragten stimmten zu, 45 % lehnten die Aussage ab. Tatsächlich enthalten solche Schokoladen häufig keine tierischen Produkte und gelten dann auch ohne eine zusätzliche Kennzeichnung als „vegan“. Es wird deutlich, dass für viele Verbraucherinnen und Verbraucher unklar ist, dass Schokoladen mit hohem Kakaoanteil oft ohne tierische Bestandteile hergestellt werden, wodurch sie auch ohne weitere Angabe vegan sind. Es lohnt sich einen Blick ins Zutatenverzeichnis zu werfen, um zu erkennen, ob die Schokolade mit oder ohne Milch bzw. Milchbestandteile hergestellt wurde. Spuren von Milchbestandteilen sind davon unberührt.
Unsere Untersuchungsergebnisse
Bei den häufigsten tierischen Zutaten in Schokolade handelt es sich um Milchpulver, Butterreinfett oder andere Milchbestandteile. Vegane Schokoladen enthalten solche Zutaten nicht – lediglich geringe Mengen unbeabsichtigter, technologisch unvermeidbarer Spuren dieser Bestandteile können vorkommen.
Am CVUA Stuttgart wurden im Jahr 2024 40 als „vegan“ deklarierte Schokoladen auf ihren Gehalt an Milchbestandteilen untersucht, indem der Gehalt des Milcheiweißes Casein bestimmt wurde.
Infokasten
Casein
Caseine sind Proteine, die hauptsächlich in Milch vorkommen und etwa 80 % der Proteine in Kuhmilch ausmachen. Wird Casein in einem Lebensmittel, wie beispielsweise Schokolade nachgewiesen, so hat entweder bei der Herstellung eine unbeabsichtigte Kontamination mit Milch bzw. Milchbestandteilen stattgefunden oder es wurden milchhaltige Zutaten verwendet. Die Höhe des analytisch ermittelten Caseingehaltes erlaubt Rückschlüsse darüber, ob es sich um unbeabsichtigte Spuren oder um Zutaten handelt. Vor allem für Menschen mit Milchallergien oder für Veganer, welche jeglichen Kontakt mit tierischen Produkten vermeiden wollen, ist die Untersuchung auf enthaltenes Casein daher von großer Bedeutung.
Die Anzahl der analysierten veganen Schokoladen sowie deren Casein-Befunde aus dem Jahr 2024 sowie aus den Jahren 2020 bis 2023 sind in Abbildung 3 dargestellt. Darin ist ersichtlich, in wie vielen untersuchten Schokoladen Casein nicht nachweisbar war, Spuren von Casein in technologisch unvermeidbaren Mengen nachgewiesen wurden oder Casein in Mengen bestimmt wurde, die als technologisch vermeidbar gelten.
Abbildung 3: Übersicht der Gesamtmenge untersuchter Schokoladen aus dem Jahr 2024 und den Jahren 2020 bis 2023 aufgeschlüsselt nach Proben, die technologisch unvermeidbare Spuren von Casein, ohne Spuren von Casein (Casein nicht nachweisbar) und Casein in Mengen, die als technologisch vermeidbar gelten, enthalten.
Abbildung 4 zeigt die im Jahr 2024 und im Zeitraum 2020 bis 2023 untersuchten veganen Schokoladen sowie die Anzahl der Proben mit oder ohne Spurenhinweis bezüglich Milch in der Kennzeichnung.
Abbildung 4: Übersicht der Gesamtmenge untersuchter Schokoladen aus dem Jahr 2024 und den Jahren 2020 bis 2023 aufgeschlüsselt nach Proben, die einen Spurenhinweis bezüglich Milch enthalten und Proben, die keinen Spurenhinweis bezüglich Milch enthalten.
In sechs der untersuchten Produkte konnte Casein nicht nachgewiesen werden und in 31 Proben war Casein in technologisch unvermeidbaren Spuren enthalten. Damit erfüllten 37 von 40 (93 %) als „vegan“ deklarierte Schokoladenproben aus dem Jahr 2024 die Anforderungen an vegane Lebensmittel, da sie höchstens technologisch unvermeidbare Spuren von Casein enthielten. Bei drei Produkten lag der Gehalt an Casein höher. Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass hier Milch oder Milcherzeugnisse als Zutat verwendet wurden. Dieser erhöhte Caseingehalt weist auf einen unbeabsichtigten Eintrag von Milch im Herstellungsprozess hin, der über einer technologisch unvermeidbaren Menge liegt. Den Anforderungen an eine gute Herstellungspraxis, nach welcher die Gehalte an einer Kontamination auf das technologisch Mögliche zu reduzieren sind, wird nicht mehr entsprochen. In diesen drei Fällen wurde eine Überprüfung des Allergenmanagements im Herstellungsbetrieb empfohlen.
Im Zeitraum 2020 bis 2023 wurden 36 vegane Schokoladen auf ihren Caseingehalt geprüft. In zwei Proben war Casein nicht nachweisbar. 30 Proben enthielten Casein in technologisch unvermeidbarer Menge und vier Proben (11 %) enthielten Casein in Mengen, die als technologisch vermeidbar angesehen werden.
39 der 40 im Jahr 2024 untersuchten Proben waren mit einem freiwilligen Spurenhinweis auf Milch versehen (siehe Abbildung 4). Von den in den Jahren 2020 bis 2023 untersuchten 36 veganen Schokoladen trugen 25 (69 %) einen Spurenhinweis auf Milch. Auch bei veganen Schokoladen ohne Spurenhinweis auf Milch wurde vereinzelt Casein in technologisch unvermeidbaren Spuren ermittelt.
Der Vergleich unserer Ergebnisse aus den Jahren 2020 bis 2023 mit den Daten aus 2024 zeigt, dass die Spurendeklaration von Milch häufiger erfolgt (von 69 % im Zeitraum 2020 bis 2023 auf 98 % in 2024).
Fazit
Eine Untersuchung von 40 als „vegan“ gekennzeichneten Schokoladen am CVUA Stuttgart im Jahr 2024 ergab, dass 93 % der Proben die Anforderungen an vegane Lebensmittel erfüllten, da sie höchstens technologisch unvermeidbare Spuren von Casein enthielten. Zwar wurde in 78 % der Proben Casein (und damit Milchbestandteile) nachgewiesen, jedoch nur in technologisch unvermeidbaren Spuren. Etwa 7 % der Proben wiesen einen leicht erhöhten Caseingehalt auf, der als technologisch vermeidbar gilt. Es ist nicht anzunehmen, dass hier Milch oder Milcherzeugnisse als Zutat verwendet wurde, sondern ein unbeabsichtigter Eintrag von Milcherzeugnissen im Herstellungsprozess stattfand. In diesen Fällen wurde empfohlen, dass der verantwortliche Lebensmittelunternehmer das Allergenmanagement prüft, um die Gehalte weiter zu minimieren. Die Caseingehalte in veganen Schokoladen sind vergleichbar mit den Ergebnissen aus den Jahren 2020 bis 2023.
Eine Umfrage mit 269 Verbraucherinnen und Verbrauchern zeigte, dass nur 19 % der Befragten erwarten, dass vegane Schokolade Spuren tierischer Bestandteile enthalten kann und dies nicht über einen Spurenhinweis gekennzeichnet werden muss. Tatsächlich ist ein Spurenhinweis rechtlich nicht vorgeschrieben. 45 % der Befragten erwarten hingegen, dass gar keine Spuren tierischer Bestandteile enthalten sind. Eine absolute Nulltoleranz wäre mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden, was einer nachhaltigen, ressourcenschonenden Herstellung veganer Schokolade entgegenstünde. Somit existiert eine Diskrepanz zwischen den Vorstellungen der Verbraucherinnen und Verbraucher bezüglich veganer Schokolade und den Anforderungen an diese. Ein freiwillig angegebener Spurenhinweis auf der Verpackung sorgt hier für Transparenz. Während die Kennzeichnung von 69 % der im Zeitraum 2020 bis 2023 untersuchten veganen Schokoladen einen freiwilligen Spurenhinweis auf Milch enthielt, waren es 2024 bereits 98 %.
Dank
Unser Dank für die durchgeführten Casein-Bestimmungen in den Schokoladen geht an Helene Fay und Elke Berndt.
Bildernachweis
Güneri, Melisa (CVUA Stuttgart); Abbildung 1
Quellen
Verbraucherschutzministerkonferenz der Länder; Sitzung vom 22. April 2016 (zuletzt abgerufen am 10.03.2025)
Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs, Neufassung vom 10. September 2024 (BAnz AT 09.10.2024, GMBI 39/2024, S. 844 bis 848)
Forsa, Ernährungsreport 2023 – Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung (zuletzt abgerufen am 17.03.25)
Verordnung über Kakao- und Schokoladenerzeugnisse (Kakaoverordnung) vom 15. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2738), zuletzt geändert durch Artikel 9 der Verordnung vom 5. Juli 2017 (BGBl. I S. 2272)