Gemüsesäfte – „Natürlich gesund“? Ist das so?

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Katrin Tränkle, Nadja Bauer, Kerstin Bonasch

 

Gemüsesäfte erfreuen sich in Form von Saftkuren gerade zu Beginn des Jahres großer Beliebtheit, wenn es darum geht, wieder „frisch und neu“ durchzustarten. Denn sie tragen nicht nur bei Entlastungskuren dazu bei, den Körper mit wichtigen Nährstoffen zu versorgen, ohne den Verdauungstrakt übermäßig zu belasten. Auch hoch über den Wolken und in Form von Smoothies werden Gemüsesäfte angeboten. Gemüsesäften eilt der Ruf voraus, gesund und natürlich zu sein, doch trifft das auch zu?

 

Allgemein

Gemüsesäfte werden am CVUA Stuttgart routinemäßig untersucht. Überwiegend landen Gemüsesäfte aus Tomate und Karotte auf dem Labortisch, aber auch Besonderheiten wie Säfte aus Sauerkraut und Roter Bete sind dabei. Häufig werden auch Mischungen aus verschiedenen Gemüsesäften im Handel angeboten.

 

Das CVUA Stuttgart hat in den Jahren 2022 und 2023 insgesamt 88 Gemüsesäfte auf für Gemüsesäfte spezifische Parameter untersucht. Die Säfte waren teilweise gesüßt oder auch gesalzen. Dabei war die Farbpalette sehr vielfältig [s. Abbildung 1].

 

Abbildung 1: hellgelber Sauerkraut-, orangener Karotten-, roter Tomaten- und violetter Rote Bete-Saft von links nach rechts im Glas.

Abbildung 1: hellgelber Sauerkraut-, orangener Karotten-, roter Tomaten- und violetter Rote Bete-Saft von links nach rechts im Glas

 

Zur Orientierung, was die allgemeine Verkehrsauffassung von Gemüsesäften darstellt, gibt es die Leitsätze für Gemüsesäfte und Gemüsenektar des Deutschen Lebensmittelbuches. Hier werden Begriffsbestimmungen, Herstellungsweisen, Beschaffenheitsmerkmale sowie Bezeichnungen und Aufmachung von Gemüsesäften erläutert [1]. Übliche Zutaten in Gemüsesäften sind zum Beispiel Gewürze, Zuckerarten, Salz oder auch verschiedene organische Säuren. Häufig wird bei ihrer Zusammensetzung auf Natürlichkeit gesetzt, indem sie nur aus wenigen Zutaten bestehen und größtenteils auf Zusatzstoffe verzichtet wird. Besonders ist, dass die Tomate, botanisch eine Frucht, nach aktueller Rechtslage sowohl in den Leitsätzen für Gemüsesaft und Gemüsenektar als auch in der Fruchtsaft-Verordnung behandelt wird.

 

Infokasten

Leitsätze (LS) für Gemüsesaft und Gemüsenektar

Die Leitsätze für Gemüsesaft und Gemüsenektar werden von der Deutschen Lebensmittelbuchkommission zur Verfügung gestellt und stellen die allgemeine Verkehrsauffassung dar. Sie beschreiben das Lebensmittel so, wie es der Verbraucher von der Bezeichnung erwartet. Zum Verständnis werden zu Beginn in den Leitsätzen verschiedene Begriffe erklärt und den üblichen Herstellungsprozess beschrieben.
Zum Beispiel ist gemäß den Leitsätzen ein „Gemüsesaft“, das unverdünnte, zum unmittelbaren Verzehr bestimmte gärfähige und unvergorene oder milchsauer vergorene, flüssige Erzeugnis aus Gemüse. Gemüsesaft ist auch das Erzeugnis, das aus konzentriertem Gemüsesaft oder aus konzentriertem Gemüsemark wieder hergestellt wird.
Übliche Zutaten in Gemüsesäften sind zum Beispiel Gewürze, Zuckerarten, Salz oder auch verschiedene organische Säuren. Auch die übliche Beschaffenheit wird aufgeführt.
In Abschnitt D sind übliche Bezeichnungen wie „Gemüsesaft aus …“ und „…saft“ sowie Ergänzungen „milchsauer vergoren“, „gesalzen“ oder „gezuckert“ beschrieben. [1]

 

Ergebnisse

In Bezug auf die grobsinnliche Untersuchung und die Prüfung der Kennzeichnung waren alle zur Untersuchung vorgelegten Proben unauffällig. Die Gemüsesäfte wiesen eine für das verwendete Gemüse typische Farbe und einen typischen Geschmack auf. Obwohl teilweise eine Zugabe von geschmacksgebenden Lebensmitteln erfolgt, überwiegt doch der Geschmack des Gemüses. Ein besonderes Augenmerk wurde beim Sauerkrautsaft auf den Vitamin C-Gehalt und beim Karottensaft auf den Benzol-Gehalt gelegt.

 

Vitamin C in Sauerkrautsaft

Ascorbinsäure, auch Vitamin C genannt, ist ein in Obst und Gemüse natürlich vorkommendes Vitamin, das an zahlreichen Stoffwechselprozessen beteiligt ist. Es wirkt antioxidativ und schützt so die Zellen vor oxidativen Schäden.
Die empfohlene Zufuhr von Vitamin C ist abhängig vom Alter und Geschlecht. Bei Erwachsenen beträgt sie für Männer 110 mg/Tag und für Frauen 95 mg/Tag [2]. Weißkohl enthält von Natur aus große Mengen an Vitamin C. Bei der Fermentation von Weißkohl bleibt das Vitamin C erhalten und ist auf Grund seiner guten Wasserlöslichkeit auch im Sauerkrautsaft vorzufinden.

 

Unsere Untersuchung von 10 Sauerkrautsäften aus dem Einzelhandel hat ergeben, dass mit Ausnahme von einer Probe in allen Proben Vitamin C nachgewiesen werden konnte [s. Abbildung 2]. Im Durchschnitt lag der Vitamin C-Gehalt bei 151,7 mg/L Saft.

 

Abbildung 2: Diagramm der nachgewiesenen Vitamin C-Gehalte in den 10 Sauerkrautsäften.

Abbildung 2: Diagramm der nachgewiesenen Vitamin C-Gehalte in den 10 Sauerkrautsäften

 

Orangensaft enthält zwar ungefähr doppelt so viel Vitamin C, allerdings auch achtmal so viel Zucker pro Liter. Daher wird, was die Vitamin C-Zufuhr betrifft, eher der regelmäßige Verzehr von Sauerkraut bzw. Sauerkrautsaft empfohlen. Vitamin C ist leicht oxidierbar und wird nach dem Öffnen beim Kontakt mit Sauerstoff abgebaut. Daher sollten geöffnete Säfte schnellst möglich verzehrt werden.

 

Benzol in Karotten-/Möhrensäften

Benzol wird vor allem über die Atemluft aufgenommen, da es hauptsächlich aus Brennstoffen und Verbrennungsprozessen stammt. Als Verunreinigung kann Benzol aber auch in Trinkwasser oder in Lebensmitteln enthalten sein [3]. „Es gibt Hinweise darauf, dass ein langes Erhitzen des Produkts auf über 100 °C zum Zwecke der Sterilisation der Grund für die Benzolbildung ist“ [3]. Speziell bei Karottensaft begünstigen die natürlichen Inhaltstoffe, wie β-Carotin, Aminosäuren oder bestimmte Aromen, die Bildung von Benzol [3].

 

Für Benzol in Karottensäften gibt es keinen Grenzwert. Bei der Bewertung der Benzolgehalte wird sich daher an dem festgelegten Grenzwert für Trinkwasser der Trinkwasser-Verordnung von 1 µg Benzol pro Liter und dem Richtwert der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 10 µg/L Trinkwasser orientiert.

 

Am CVUA Stuttgart wurden 27 handelsübliche Karotten- bzw. Möhrensäfte auf ihren Benzolgehalt untersucht. Unter den Säften befanden sich viele Bio-Produkte und Säfte, die entweder mit Zitronensäure oder mit Honig geschmacklich abgerundet wurden. Durchschnittlichen lag der Benzolgehalt bei 1,54 µg/L. Bei vier Proben lag der Benzolgehalt unter unserer Nachweisgrenze von 0,6 µg/L. Der höchste nachgewiesene Gehalt lag bei 3,1 µg/L [s. Abbildung 3]. Somit lag der Benzolgehalt in nahezu allen untersuchten Karottensäften über dem Grenzwert der Trinkwasser-Verordnung, jedoch weit unterhalb des Richtwertes der WHO für Trinkwasser. Es konnte bei den nachgewiesenen Benzolgehalten keine Unterscheidung zwischen Bio- und konventionellen Produkten erkannt werden. Auch die Zugabe von Honig oder Zitronensaft zeigte keinen Einfluss.

 

Abbildung 3: Diagramm der nachgewiesenen Benzolgehalte in den 23 Karottensäften (ohne nichtbestimmbare Proben) mit roter Linie für den Grenzwert von 1 µg/L Trinkwasser gemäß Trinkwasserverordnung.

Abbildung 3: Diagramm der nachgewiesenen Benzolgehalte in den 23 Karottensäften (ohne nichtbestimmbare Proben) mit roter Linie für den Grenzwert von 1 µg/L Trinkwasser gemäß Trinkwasserverordnung

 

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bewertet Benzol-Gehalte in Lebensmitteln wie folgt:

Entscheidend für die Bewertung der gesundheitlichen Relevanz einer möglichen Benzol-Aufnahme ist die Betrachtung der Gesamtexposition gegenüber Benzol aus allen Quellen. Den größten Anteil an der Gesamtexposition von Benzol hat die Aufnahme mit der Atemluft. Dagegen ist der Beitrag der Benzolaufnahme aus Erfrischungsgetränken und Karottensäften bei Benzolgehalten von wenigen Mikrogramm (µg) pro Liter Getränk und üblichen Verzehrsmengen vergleichsweise gering. Das trifft entsprechend auch auf die gesundheitlichen Risiken zu, die mit dem Konsum solcher Getränke verbunden sind. […] Da Benzol aber krebserregend ist und das Erbgut verändern kann, ist es grundsätzlich unerwünscht und sollte in Lebensmitteln so weit wie möglich reduziert werden.“ [3]

 

Die Hersteller sind daher angehalten, ihre Rezepturen und Herstellungsverfahren so zu optimieren, dass die gebildete Menge an Benzol im Endprodukt so gering wie möglich ist.

 

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Karotten- vs. Möhrensaft

Der Großteil der untersuchten Gemüsesäfte aus Karotten wurde als Karottensaft bezeichnet, nur vereinzelt wird die Bezeichnung Möhrensaft verwendet. Im Handel ist es üblich, die länglichen, walzenförmigen bis spitzen Rüben als Möhren zu bezeichnen und die eher rundlichen, kurzen und dicken Rüben als Karotten. Botanisch gibt es jedoch keinen Unterschied zwischen Möhren und Karotten [4].

 

Fazit

Alle 88 Gemüsesäfte waren nach dem Umfang der durchgeführten lebensmittelchemischen Untersuchungen und der Kennzeichnung unauffällig. Die Vielzahl an Nährstoffen macht den Gemüsesaft zu einer wertvollen Ergänzung einer ausgewogenen Ernährung. Durch das schonende Erhitzen sind die Erzeugnisse nicht hochverarbeitet und enthalten noch viele Vitamine und Mineralstoffe. Sie können einen Beitrag zu „5 am Tag“, den täglichen fünf Portionen Gemüse und Obst, und damit zur Verbesserung der Gesundheit leisten. Unseres Erachtens steht einem bedenkenlosen Genuss der im Handel befindlichen Produkten nichts im Weg. Gemüsesäfte tragen ihren guten Ruf zurecht.

 

Bildernachweis

Abbildung 1: Fiona Schert, Katrin Tränkle

 

Quellen

[1] LS Gemüsesaft: Leitsätze für Gemüsesaft und Gemüsenektar des Deutschen Lebensmittelbuches vom 28./29. Oktober 1981 (Beilage zum BAnz. Nr. 117a vom 01.07.1982, GMBl. Nr. 21 S. 366 vom 15.07.1982), zuletzt geändert durch die Bekanntmachung vom 17. April 1997 (BAnz. Nr. 239a vom 20.12.1997, GMBl. Nr. 45 S. 871 ff vom 19.12.1997); Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) – Publikationen – Leitsätze für Gemüsesaft und Gemüsenektar, abgerufen: 05.04.2024
[2] Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.: Ausgewählte Fragen und Antworten zu Vitamin C, abgerufen: 05.02.24
[3] Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Fragen und Antworten zu Benzol in Erfrischungsgetränken und Karottensäften (Aktualisierte FAQ des BfR vom 16. Dezember 2013)
[4] Bundeszentrum für Ernährung (BZfE): Von Möhren und Karottenn, abgerufen 10.04.2024

 

Artikel erstmals erschienen am 16.04.2024