Food Defense – Lebensmittel-Produktschutz
Was bedeutet Food Defense oder Lebensmittel-Produktschutz?
Lebensmittel-Produktschutz, engl. Food Defense, bezeichnet Konzepte und Maßnahmen, die Lebensmittel vor absichtlicher Kontamination und bewusster Beeinträchtigung schützen. Eine derartige Kontamination kann durch die Zugabe von chemischen, biologischen, physikalischen oder radiologischen Gefahrstoffen entstehen. Darüber hinaus kann eine Manipulation, z. B. im Herstellungsprozess des Lebensmittels, dazu führen, dass sich Gefahrstoffe im Produkt bilden oder vorhandene Stoffe nicht wie vorgesehen beseitigt werden. Beispiele für derartig kontaminierte Lebensmittel sind mit Stecknadeln versetzte Erdbeeren, mit hochgiftigen Pflanzenschutzmitteln versetzte Tiefkühlkost oder mit hochpathogenen biologischen Krankheitserregern verunreinigte Fleischerzeugnisse.
Warum sollten Lebensmittel absichtlich manipuliert werden?
Die Spanne möglicher Motive für eine absichtliche Kontamination von Lebensmitteln ist sehr groß: vom „groben Unfug“, wo sich jemand einen Spaß erlaubt oder einer Mutprobe stellt, bis hin zum terroristisch motivierten Anschlag auf die Lebensmittelkette. Unter Sabotage fallen wirtschaftspolitisch begründete Eingriffe. Auch persönliche Racheakte von aktiven oder ehemaligen Mitarbeitenden von Lebensmittelbetrieben können Auslöser für mutwillige Kontaminationen sein. Darüber hinaus kann auch eine krankheitsbedingte Motivation, verursacht durch z. B. psychische Störungen oder eine Geltungssucht, vorliegen.
Wie steht Food Defense mit einem HACCP-System und mit Food Fraud in Zusammenhang?
Unter dem großen Schirm des Lebensmittelschutzes zählen die Bereiche Lebensmittelqualität (Food Quality), Lebensmittelsicherheit (Food Safety), Lebensmittelbetrug (Food Fraud) und Lebensmittel-Produktschutz (Food Defense). Dabei sind die beiden Ersteren als Schutzkonzepte gegen unabsichtliche Beeinträchtigungen zu sehen, während sich Food Fraud- und Food Defense-Systeme gegen die absichtliche Manipulation von Lebensmitteln wenden.
Abbildung: Lebensmittelrisiken und Lebensmittelschutz (modifiziert nach [Spink & Moyer 2011])
Ein funktionierendes HACCP-Konzept (Hazard Analysis and Critical Control Points) verringert Gefahren für Verbraucherinnen und Verbraucher durch ungewollte Kontamination wie z. B. Hygienefehler und erhöht somit die Lebensmittelsicherheit. Food Fraud-Konzepte hingegen streben den Schutz vor absichtlichen Veränderungen der Lebensmittel in betrügerischer Absicht an. Ein Beispiel für Lebensmittelbetrug ist das Strecken von hochwertigem Olivenöl mit minderwertigen anderen Ölen ohne Kenntlichmachung. Sinnvollerweise sind dabei die Schutzkonzepte gegen die verschiedenen Gefahren nicht isoliert zu betrachten. Sie sollten immer in Verbindung miteinander gesehen werden, da sowohl bei den Schwachstellen in der Lebensmittelkette (vulnerable Punkte, kritische Kontrollpunkte), als auch bei den Präventionsmaßnahmen gegen die verschiedenen Gefahren Überschneidungen möglich sind.
Sind Food Defense-Maßnahmen Pflicht?
Nach dem aktuellen europäischen Lebensmittelrecht sind für Lebensmittelunternehmen keine expliziten Maßnahmen für den Bereich Food Defense vorgeschrieben. Generell liegt jedoch die primäre Verantwortung für sichere Lebensmittel nach der Lebensmittel-Basisverordnung VO (EG) Nr. 178/2002 beim Lebensmittelunternehmer. In der US-amerikanischen Gesetzgebung gibt es die konkrete rechtlich verankerte Vorgabe für Food Defense-Systeme und Anforderungen an dessen Ausgestaltung. Lebensmittelunternehmen, die in die USA exportieren möchten, müssen daher bereits entsprechende Food Defense-Maßnahmen vorweisen können. Auch Lebensmittelunternehmen, die eine Zertifizierung nach bestimmten Branchenstandards wie dem International Featured Standard Food (IFS Food), dem Brand Reputation through Compliance Global Standard for Food Safety (BRCGS) oder dem Food Safety System Certification 22000 (FSSC 22000) anstreben, müssen seit einigen Jahren Maßnahmen im Bereich Food Defense vorweisen.
Wie können Food Defense-Maßnahmen im Lebensmittelbetrieb umgesetzt werden?
Zunächst empfiehlt es sich einen Überblick über die im Betrieb sinnvollen Food Defense-Maßnahmen zu verschaffen. Hierfür kann die „Checkliste Food Defense“, die zum kostenfreien Download bereitsteht, eine Hilfestellung bieten.
Für ein umfassendes Food Defense-Konzept ist ein systematisches Vorgehen erforderlich.Im ersten Schritt sollte eine Gefahrenanalyse über konkret möglichen Gefährdungen im Betrieb und die jeweiligen Eingriffspunkte durchgeführt werden. Anschließend sollte ein spezifischer Maßnahmenplan erstellt werden, in dem neben den Maßnahmen selbst auch deren Umsetzung, Überwachung und die Verifizierung der Schutzmaßnahmen dokumentiert werden. Begleitet werden sollte dieser Prozess durch Schulungen für alle Mitarbeitenden des Betriebs.
Weitere Hilfsmittel für die Umsetzung des gewünschten Konzepts werden u. a. in Form einer Food Defense Plan Builder-Software und einer Mitigation Strategies Database von der US-amerikanischen Lebensmittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) online bereitgestellt.)
Eine weitere Vorgehensweise, die an dem weit verbreiteten HACCP-Konzept orientiert ist, ist das sogenannte Threat Analysis Critical Control Points (TACCP)-Konzept. Dieses von der British Standards Institution (BSI) und der Global Food Safety Initiative (GFSI) vorgestellte System adressiert die möglichen Gefahren durch mutwillige Kontamination von Lebensmitteln. Daneben wurde das Vulnerability Analysis Critical Control Points (VACCP)-Konzept entwickelt, das sich gegen Food Fraud richtet.
Wo gibt es weitere Informationen und Materialien zum Thema Food Defense?
Auf folgenden Websites sind weitere Informationen und Materialien zum Thema Food Defense zu finden:
- U.S. Food and Drug Administration (FDA)
- International Featured Standard (IFS Food)
- IFS Food Defense Guideline
- Food Safety System Certification 22000 (FSSC 22000)
- British Standards Institution (BSI)
Quellen
- Spink J. & Moyer D. (2011). Defining the public health threat of food fraud. Journal of Food Science; 76:9, R157-R163.
- Spink, J. (2014). GFSI Directive on Food Fraud and Vulnerability Assessment (VACCP).
- The British Standards Institution (BSI) (2014). PAS 96:2014 – Guide to protecting and defending food and drink from deliberate attack.
- The British Standards Institution (BSI) (2017). PAS 96:2017 – Guide to protecting and defending food and drink from deliberate attack.
- International Featured Standards (IFS) (2014). Food V 6.1. Food Defense Guideline.
- International Featured Standards (IFS) 2023, IFS Food Standard Vers. 8
- Food Safety System Certification 22000 (FSSC 22000). Guidance document: Food Defense. Version 5, May 2019.
- United States, Department of Health and Human Services, Food and Drug Administration. “Mitigation Strategies To Protect Food Against Intentional Adulteration.” Code of Federal Regulations, Government Printing Office, 2021, pp. 446–454.
- Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): BfR-Produktschutz Checkliste
- Taise, S. (2018). Food Defense – Sabotage der Lebensmittel- und Trinkwasserversorgung als neue Bedrohung für die Bundeswehr? Wehrmedizinische Monatsschrift, 62, 90–96.
- Bogadi, N. et al. (2016). Food Defence system in food industry: perspective of the EU countries. Journal of Consumer Protection and Food Safety, 11 (3), 217 226.
- Bischoff, C., Buschulte, A. & Rau, J. Checkliste „Food Defense – ein Hilfsmittel für die Schwachstellenanalyse in Lebensmittelbetrieben. J Consum Prot Food Saf (2023).