Untersuchungen von Rohmilch aus Automaten im CVUA Stuttgart in den Jahren 2020 bis 2022

Elisa Scheib

 

Im Zeitraum von 2020 bis 2022 untersuchte das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart insgesamt 54 Rohmilchproben aus Milchautomaten auf den somatischen Zellgehalt, den Gesamtkeimgehalt, Verderbnis- und Hygienekeime sowie die Abwesenheit von pathogenen Keimen. 56 % der Proben befanden sich in einem mikrobiologisch unbedenklichen Zustand. 44 % der Proben waren mikrobiologisch auffällig.

 

Abb. 1: Milchtankstelle zur Abgabe von Rohmilch als „Milch-ab-Hof“ zur Selbstbedienung

Abb. 1: Milchtankstelle zur Abgabe von Rohmilch als „Milch-ab-Hof“ zur Selbstbedienung

 

Rohmilch wird keinem speziellen Erhitzungsverfahren oder Keimreduzierungsverfahren unterzogen und kann dadurch krankmachende Keime enthalten. Die frisch ermolkene Rohmilch eutergesunder Milchkühe weist in der Regel einen niedrigen Keimgehalt auf. Hygienekeime aber auch krankmachende Keime können mit der Milch ausgeschieden werden. Allerdings ist auch ein Eintrag über den Kot der Tiere denkbar. Hierbei gelangen die ausgeschiedenen Keime beim Melken in die Rohmilch. Hygienische Mängel im Erzeugerbetrieb (mangelhafter Reinigungszustand von Melkmaschinen, Rohrleitungen und Tanks) oder eine nicht ausreichende sowie lückenhafte Kühlung kann außerdem nach dem Melken zur nachfolgenden Kontamination der Rohmilch mit Verderbs- und Hygienekeimen (Pseudomonaden, Enterobacteriaceae) führen. Vorhandene krankheitserregende Keime (Salmonellen, Campylobacter, Listeria monocytogenes, Staphylococcus aureus, verotoxinbildende Escherichia coli (STEC)) werden durch Erhitzen unschädlich gemacht, wodurch sich das Infektionsrisiko maßgeblich verringert.

 

Abb. 2: Automat zur Abgabe von Rohmilch als „Milch-ab-Hof“.

Abb. 2: Automat zur Abgabe von Rohmilch als „Milch-ab-Hof“

 

Zum Schutz der Verbraucher ist die Abgabe von Rohmilch oder Rohrahm nach § 17 (1) der Tierischen Lebensmittel-Hygieneverordnung (Tier-LMHV) verboten. Zwei Ausnahmen stellen die Abgabe von Rohmilch als „Milch-ab-Hof“ z. B. über Milchautomaten zur Selbstbedienung (s. Abb. 1 und 2) und die Abgabe von Rohmilch in Fertigpackungen als „Vorzugsmilch“ dar.

 

Bei der Abgabe von Rohmilch „ab Hof“ ist der Milcherzeuger zur Anbringung eines Hinweisschildes verpflichtet, dass den Verbraucher darauf hinweist, die Rohmilch vor dem Verzehr abzukochen (s. Abb. 3). Für Vorzugsmilch gelten demgegenüber besonders strenge Hygieneanforderungen an die Tiergesundheit, die Gewinnung und Vermarktung der Milch. In Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung, z. B. in Kantinen und Krankenhausküchen, darf Rohmilch als „Milch-ab-Hof“ oder Vorzugsmilch nicht abgegeben werden.

 

Abb. 3: Rohmilchautomat zur Selbstbedienung mit Hinweisschild.

Abb. 3: Rohmilchautomat zur Selbstbedienung mit Hinweisschild

 

Infokasten

Gemäß § 17 Abs. 4 Tier-LMHV darf Rohmilch ausnahmsweise von Milcherzeugerbetrieben unmittelbar an Verbraucher abgegeben werden, wenn

  • die Abgabe im Milcherzeugungsbetrieb erfolgt,
  • die Rohmilch im eigenen Betrieb gewonnen und behandelt worden ist,
  • die Rohmilch am Tag der Abgabe oder am Tag zuvor gewonnen worden ist,
  • an der Abgabestelle gut sichtbar und lesbar der Hinweis "Rohmilch, vor dem Verzehr abkochen" angebracht ist und
  • die Abgabe von Rohmilch zuvor der zuständigen Behörde angezeigt worden ist.

 

Untersuchungsspektrum

Das CVUA Stuttgart untersuchte den mikrobiologischen Status von „Milch-ab-Hof“-Rohmilch aus Milchautomaten zur Selbstbedienung mittels Anreicherungs- und Keimzählverfahren. Im Zeitraum der Jahre 2020 bis 2022 wurden insgesamt 54 Proben untersucht.

 

Untersucht wurde auf verschiedene Parameter: somatische Zellzahl, Gesamtkeimgehalt, verderbniserregende Pseudomonaden, Hygieneindikatorkeime (Enterobacteriaceae, Escherichia coli) und Krankheitserreger (Salmonellen, Listerien, Campylobacter, STEC (shigatoxinbildende Escherichia coli, auch VTEC), Staphylococcus aureus). Letztere können bei entsprechend hoher Keimzahl ein Erkrankungsrisiko darstellen. Der grobsinnlichen Beurteilung durch mindestens einen Sachverständigen folgt die mikrobiologische Analytik im Labor. Gemäß § 14 der Tierischen Lebensmittelhygiene-Verordnung (Tier-LMHV) und gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchstabe a in Verbindung mit Anhang III Abschnitt IX Kap. I Teil III Nr. 3 Buchstabe a der VO (EG) Nr. 853/2004 darf bei Rohmilch die Zahl somatischer Zellen nicht höher als 400.000 (4,0x105) /ml und die Gesamtkeimzahl nicht größer als 100.000 (1,0x105) KbE/ml sein. Diese Vorgaben gelten jedoch für das geometrische Mittel über drei Monate bei monatlich mindestens einer Probenahme bei dem somatischen Zellgehalt bzw. über zwei Monate bei monatlich mindestens zwei Probenahme für den Gesamtkeimgehalt.

 

Untersuchungsergebnisse

56 % der insgesamt 54 am CVUA Stuttgart untersuchten Rohmilchproben aus Automaten waren mikrobiologisch unauffällig. 24 Proben (44 %) waren mikrobiologisch auffällig – dabei waren teilweise mehrere Parameter pro Probe erhöht bzw. zu hoch (s. Abb. 4).

 

 

Abb. 4: Untersuchungsergebnisse von Rohmilch aus Automaten in den Jahren 2020 bis 2022 (n = 54).

Abb. 4: Untersuchungsergebnisse von Rohmilch aus Automaten in den Jahren 2020 bis 2022 (n = 54)

 

Bei 48 Proben wurde mittels Screening Verfahren der somatische Zellgehalt ermittelt. Vier Proben (8,3 0160%) wiesen eine Zellzahl > 4,0x10Zellen/ml auf.
Bei 53 Proben wurde der Gesamtkeimgehalt bestimmt. Dieser lag bei 13 Proben (24,5 %) über 1,0x105 KbE/mL (s. Tabelle 1).
52 Proben wurden auf verderbniserregende Pseudomonaden untersucht. Hierbei wiesen 16 Proben (30,8 %) einen Keimgehalt > 104 KbE/mL auf.
In 53 Proben wurde der Keimgehalt an zu den Hygienekeimen zählende Enterobacteriaceae untersucht. Bei 13 Proben (24,5 %) lag der Keimgehalt > 10KbE/mL.
Pseudomonaden und Enterobacteriaceae können auf den mangelhaften Reinigungszustand des Milchautomaten bzw. von Gerätschaften hinweisen.
Auf das Vorkommen des Fäkalindikatorkeims Escherichia coli wurden 53 Proben untersucht. Der Keimgehalt war bei 5 Proben (9,4 %) > 102 KbE/mL. Dies kann jedoch auch ein Hinweis auf Euterentzündungen (Mastitis) im Milchkuhbestand sein.
52 Proben wurden auf Staphylococcus aureus, ein Mastitiserreger sowie potentieller Lebensmittelvergifter hin untersucht. 9 Proben (17,3 %) wiesen den genannten Keim in einer Menge > 102 KbE/mL auf. Der Nachweis von Mastitiserregern in der Rohmilch kann auf Probleme in der Eutergesundheit im Milchkuhbestand hinweisen. Staphylococcus aureus kann ab einer Konzentration von etwa 1,0x105 bis 1,0x106 KbE/g Lebensmittel, sofern er Toxin bildet, Lebensmittelvergiftungen verursachen. Dieser Keimgehalt wurde in keiner der untersuchten Proben erreicht.

 

Tabelle 1: Untersuchungsergebnisse von Rohmilch aus Automaten auf den Gesamtkeimgehalt, Verderbs- und Hygienekeime
Parameter
Untersuchte Probenzahl
Interne Kennzahl (KbE/mL)
Proben mit Keimgehalt > interner Kennzahl
Gesamtkeimzahl
53
> 105
13 (24,5 %)
Enterobacteriaceae
53
> 103
13 (24,5 %)
Escherichia coli
53
> 102
5 (9,4 %)
Pseudomonaden
52
> 104
16 (30,8 %)
Stapyhlococcus aureus
52
> 102
9 (17,3 %)

 

Salmonellen und Campylobacter wurden in keiner der untersuchten 54 Proben festgestellt (s. Tabelle 2). In sieben Proben wurden Shiga-Toxin-bildende E. coli (STEC, auch VTEC) nachgewiesen. STEC sind grundsätzlich als potentielle EHEC (enterohämorrhagische Escherichia coli) anzusehen. Potenziell gesundheitsschädliche Listeria monocytogenes – Erreger der Listeriose – konnten qualitativ im Anreicherungsverfahren in drei Proben nachgewiesen werden. Beim Keimzählverfahren lag die Keimkonzentration bei zwei Proben davon unter der Nachweisgrenze von 10 KbE/g. In der dritten Probe konnte Listeria monocytogenes jedoch auch im Keimzählverfahren (2,0x101 KbE/g) nachgewiesen werden.

 

Tabelle 2: mikrobiologische Untersuchung von Rohmilch als „Milch-ab-Hof“ aus Automaten auf pathogene Keime (n = 54)
pathogener Keim
Untersuchungsergebnis
Salmonella spp.
negativ
Campylobacter spp.
negativ
Listeria monocytogenes
positiv (n = 3)
verotoxinbildende Escherichia coli (VTEC)
positiv (n = 7)

 

Bei einer bestimmungsgemäßen oder voraussehbaren Behandlung durch ausreichende Durcherhitzung werden die genannten Keime abgetötet. Der Nachweis pathogener Keime kann auf Hygienemängel bei der Gewinnung und Behandlung der Rohmilch und die Notwendigkeit hinweisen, die Wirksamkeit vorbeugender Maßnahmen zu überprüfen und Maßnahmen zur Verbesserung der Hygienesituation im Milcherzeugerbetrieb einzuleiten.

Bei 21 Proben wurde z. B. auf eine mögliche Nicht-Einhaltung der Rohmilchkriterien gemäß § 14 Tier-LMHV oder auf das Vorhandensein von Krankheitserregern hingewiesen.
Zwei Proben wurden als nachteilig beeinflusst gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 Tier-LMHV in Verbindung mit Anlage 2 der LMHV beanstandet.

In einer dieser Proben führte der Nachweis eines stark erhöhten Gesamtkeimgehaltes in Verbindung mit einem stark erhöhten Gehalt an verderbserregenden Pseudomonaden (> 106 KbE/mL) zur entsprechenden Beanstandung. In der zweiten Probe führte der stark erhöhte Gehalt an Gesamtkeimen und Pseudomonaden (> 106 KbE/mL) in Kombination mit dem Nachweis eines stark erhöhten Gehaltes an Enterobacteriaceae (> 105 KbE/mL) sowie potentiell gesundheitsschädlicher Listeria monocytogenes im Anreicherungsverfahren als auch im Keimzählverfahren (2,0x101 KbE/g) zur Beanstandung.
Bei einer Probe wurde bei der grobsinnlichen Untersuchung eine abweichende Konsistenz (flockig) festgestellt. Die mikrobiologische Analyse dieser Probe ergab einen stark erhöhten Gehalt an Escherichia coli (> 104 KbE/g) und Staphylococcus aureus (> 104 KbE/g). Sie wurde daher als nicht sicher und somit für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet im Sinne von Art. 14 Abs. 2 Buchstabe b i. V. m. Abs. 5 der VO (EG) Nr. 178/2002 beurteilt.

 

Fazit

Die Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchung von Rohmilch, die als „Milch-ab-Hof“ über Automaten zur Selbstbedienung verkauft wird, aus den Jahren 2020 bis 2022 sind überwiegend erfreulich. Insgesamt weisen die Untersuchungsergebnisse jedoch auf die Wichtigkeit der Einhaltung einer regelmäßigen Reinigung der Melkmaschinen, Rohrleitungen und Tanks in den verantwortlichen Milcherzeugerbetrieben hin. Der Nachweis potenziell pathogener Keime (z. B. Listeria monocytogenes, EHEC) verdeutlicht zudem erneut, die Wichtigkeit der Anbringung eines Erhitzungshinweises an Rohmilchautomaten zur Selbstbedienung und deren Berücksichtigung durch den Verbraucher. Insbesondere Risikogruppen, wie Kleinkinder, Schwangere, ältere und kranke Menschen wird vom Verzehr von Rohmilch, ohne vorheriges Abkochen und Rohmilchprodukten generell abgeraten.

 

Bildernachweis

Elisa Scheib, private Fotos

 

Literatur

[1] Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, zuletzt aufgerufen am 30.03.2023

 

[2] Milchindustrie-Verband (MIV), zuletzt aufgerufen am 30.03.2023

 

[3] Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs (ABl. L 139/55), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2021/1756 vom 6. Oktober 2021 (ABl. L 357/27)

 

[4] Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs (Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. April 2018 (BGBl. I S. 480, 619, 1844), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 11. Januar 2021 (BGBl. I S. 47)

 

[5] Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31/1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2019/1381 vom 20. Juni 2019 (ABl. L 231/1)

 

[6] Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln (Lebensmittelhygiene-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 2016 (BGBl. I S. 1469), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 3. Januar 2018 (BGBl. I S. 99)

 

[7] Rohmilch: Abkochen schützt vor Infektion mit Campylobacter, Stellungnahme Nr. 008/2016 des BfR vom 13. April 2016, zuletzt aufgerufen am 30.03.2023

 

Artikel erstmals erschienen am 04.04.2023