Der Klassiker im Visier: Schwäbischer Kartoffelsalat
Ein Bericht aus unserem Laboralltag
Julia Augustin
In den letzten 6 Jahren wurden 146 Proben von schwäbischen Kartoffelsalaten aus Gastronomiebetrieben zwecks der Überwachung des Verbraucherschutzes auf bakterielle Krankheitserreger sowie Hygiene- und Verderbserreger am CVUA Stuttgart untersucht. Routinemäßig wurde auch die Lager- bzw. Produkttemperatur zum Zeitpunkt der Probenahme erfasst.
96,6 % der untersuchten Kartoffelsalate, welche unter die Kategorie Feinkostsalate fallen, befanden sich in einem mikrobiologisch unbedenklichen Zustand. Proben, welche inakzeptable Keimgehalte von Hygieneindikatorkeimen und-/oder Verderbserregern enthielten und somit rechtlich beanstandet wurden, betrugen anteilig lediglich 3,4 %. Bei der Bewertung der Produkttemperaturen ist jedoch die regionale, typische Zubereitungsweise von schwäbischen Kartoffelsalaten zu berücksichtigen. In der Regel werden diese im letzten Zubereitungsschritt für eine geschmackliche Abrundung mit warmer Brühe angemacht und nach einer gewissen „Ziehzeit“ dem Verbraucher lauwarm serviert.
Abbildung 1: Angerichteter Kartoffelsalat in Essig/Öl-Marinade samt Radieschen und Kräuterzugabe
Mittels mikrobiologischer Analysen gelingen Rückschlüsse auf die Personal-/Produktionshygiene der Feinkostsalate
Zu haben in vielen Imbissen, Metzgereien, Gaststätten und auf örtlichen Volksfesten: der Kartoffelsalat! Ob als schneller Mittagssnack oder abends in deftigerer Variante als Beilage zum Hauptgericht: Kartoffelsalat findet man häufig auf der Speisekarte der genannten Betriebe. Er gehört als verzehrfertige Zubereitung pflanzlicher Herkunft mit einer würzenden Sauce auf Mayonnaise- oder Essig/Öl-Basis zu den Feinkostsalaten. Diese Gruppe wird basierend auf ihren Zutaten unterteilt. Dabei werden ähnliche Erzeugnisse zusammengefasst in: (1) Feinkostsalate mit Fleisch bzw. Fleischerzeugnissen; (2) Feinkostsalate mit Fleisch von Fischen, Krebs- und/oder Weichtieren sowie (3) Gemüse-, und andere Feinkostsalate. In die zuletzt genannte Gruppe ist somit auch der Kartoffelsalat einzuordnen [1].
Angesichts der Beliebtheit lohnt sich also ein Blick auf die mikrobiologische Beschaffenheit dieser offen angebotenen Speise. Selbst wenn die essigsaure Variante in Süddeutschland die übliche Zubereitungsmethode ist und der Zusatz von organischen Säuren (z. B. Branntwein-, Essig-, Apfel- oder Zitronensäure) durch die pH-Wert Absenkung einen eindämmenden Effekt auf den Keimgehalt hat, werden bereits vorhandene Bakterien im Salat nicht gänzlich oder gar schlagartig abgetötet. Daher sind hier vorbeugende Maßnahmen wie eine adäquate Personal- und Küchenhygiene, gute Herstellungspraxis sowie die Vorabprüfung der Beschaffenheit der Rohmaterialien (Gemüseeinlagen, Speck, Kräuter und Gewürze; s. Abbildung 1) von besonderer Bedeutung. Dies gilt für Personen, die den Salat für private Zwecke herstellen, ebenso wie für größere, kommerzielle Hersteller und Betriebe [2].
Untersuchungsspektrum
Das CVUA Stuttgart ist in Baden-Württemberg unter anderem Zentrallabor für die Produktgruppe der Feinkostsalate und nahm dies im Rahmen eines Sonderprogrammes zum Anlass, mikrobiologische Untersuchungen auf Basis von Anreicherungs- und Keimzählverfahren durchzuführen. Im Fokus stehen dabei Verderbserreger (Hefen, Schimmelpilze, Aeromonaden, Pseudomonaden und Milchsäurebakterien), Hygieneindikatorkeime (Enterobacteriaceae), Fäkalkeime (Escherichia coli) sowie krankheitserregende Erreger (Salmonellen, Listerien, Bacillus cereus, Staphylococcus aureus und Clostridium perfringens). In Kombination mit der vorausgegangenen grobsinnlichen Bewertung durch mindestens einen Sachverständigen erfolgt die mikrobiologische Analytik, welche unter anderem in Anlehnung an die für Feinkostsalate empfohlenen Richt- und Warnwerte der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM e.V.) [3] anschließend beurteilt wird (Näheres s. Infokasten).
Infokasten
DGHM - Deutsche Gesellschaft für Mikrobiologie und Hygiene e.V.
Die Arbeitsgemeinschaft „Mikrobiologische Richt- und Warnwerte für Lebensmittel“ besteht aus 16 Mitgliedern und wurde 1986 gegründet. Diese setzen sich zusammen aus Forschungseinrichtungen, Lebensmittelüberwachungsbehörden und Untersuchungsämtern, Handelslaboratorien und Vertretern der Industrie. Gemeinsames Ziel ist es, durch jährlichen Austausch von Erfahrungen Richt- und Warnwerte für Lebensmittel(gruppen) zu etablieren. Die Werte sollen hinsichtlich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes, der Lebensmittelüberwachung, den Herstellern von Lebensmitteln sowie dem Handel eine objektive Grundlage für die Beurteilung mikrobiologischer Befunde geben.Die Festlegung dieser Werte erfolgt z. B. nach dem aktuellen wissenschaftlichen Stand hinsichtlich verschiedener Mikroorganismen gemäß Aspekten der Hygienepraxis sowie den angewandten Produktionsverfahren (industriell, handwerklich). Sie werden ganz im Sinne des gesundheitlichen Verbraucherschutzes bestimmt, damit ein mikrobiologisch unbedenkliches Produkt bis zum Ende des Mindesthaltbarkeitsdatums vorliegt. Die angegebenen Richt- und Warnwerte sind als Empfehlung zu verstehen und daher nicht rechtlich bindend [3].
Richtwert (KbE/g) | Warnwert (KbE/g) | |
---|---|---|
Aerobe mesophile Koloniezahl | 1 x 106 | --- |
Enterobacteriaceae | 1 x 103 | 1 x 104 |
Escherichia coli | 1 x 101 | 1 x 102 |
Milchsäurebakterien | 1 x 106 | --- |
Hefen | 1 x 105 | --- |
Koagulase-positive Staphylokokken | 1 x 102 | 1 x 103 |
Salmonellen | --- | n.n. in 25 g |
Listeria monocytogenes | --- | 1 x 102 |
KbE/g: koloniebildende Einheiten pro 1g Lebensmittel; n.n.: nicht nachweisbar
Richtwerte: geben eine Orientierung, welches Mikroorganismenspektrum zu erwarten ist und welche Keimgehalte in den jeweiligen Lebensmitteln bei Einhaltung einer guten Hygienepraxis akzeptabel sind. Überschreitungen dieser Werte weisen auf Schwachstellen in der Herstellungs- und Hygienepraxis hin.
Warnwerte: geben Mikroorganismengehalte an, deren Überschreitung einen Hinweis darauf gibt, dass die Prinzipien einer guten Hygiene- und/oder Herstellungspraxis verletzt wurden.
Ergebnisse der Jahre 2015 bis 2020
96,6 % der insgesamt 146 am CVUA Stuttgart untersuchten Kartoffelsalate, welche in Form von offen angebotener, loser Ware aus verschiedenen Gastronomiebetrieben planmäßig erhoben wurden, waren mikrobiologisch unauffällig oder noch annehmbar. 3,4 % (n = 5) wiesen sehr stark erhöhte und damit in mikrobiologischer Hinsicht inakzeptable Keimgehalte auf.
Abbildung 2
Insgesamt wurden aber 12 der 146 Proben beanstandet. Dies entspricht einer Beanstandungsquote von insgesamt 8,2 %. Dieser Anteil setzt sich zusammen aus Beanstandungen zum einen aufgrund der bereits erwähnten hohen Keimgehalte, in Bezug auf die mesophile Gesamtkeimzahl, Hefen und Milchsäurebakterien und/ oder Enterobacteriaceae (n = 5) oder aber aufgrund einer zu hohen Lagerungstemperatur der kühlbedürftigen Feinkostsalate (n = 7). In drei Fällen lag eine Kombination beider Sachverhalte vor (s. Abbildung 2). Hinsichtlich der Koloniezahlen der Enterobacteriaceae, welche zu den Indikatorkeimen für Hygiene zählen, lagen elf Proben über dem Richtwert, diese befanden sich jedoch noch vorwiegend in einem akzeptablen Bereich. Zwei dieser elf Proben überschritten auch den empfohlenen Warnwert der DGHM Arbeitsgruppe, sodass diese letztendlich im Sinne der EU-Verordnung VO (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene und der Lebensmittelhygieneverordnung (LMHV) beurteilt wurden [4, 5]. Hinsichtlich der bei der DGHM aufgeführten Verderbserreger waren Hefen in vier und Milchsäurebakterien in acht Proben in erhöhten aber grenzwertig noch akzeptablen Keimgehalten nachweisbar und lagen über den empfohlenen Richtwerten. Weitere Verderbserreger wie Pseudomonaden waren, wenn vorhanden, zumeist in geringen und somit akzeptablen Mengen feststellbar. Die Ausnahme bildeten zwei Proben mit Pseudomonaden-Keimgehalten von über 106 KbE/g.
Des Weiteren gab es keine formelle Beanstandung in den planmäßig erhobenen Proben der letzten Jahre bezüglich vorhandener Krankheitserreger. Zwar wurden in insgesamt drei Proben qualitativ Listerien im Anreicherungsverfahren nachgewiesen (L. monocytogenes und L. spp.); diese Keimgehalte befanden sich im Keimzählverfahren jedoch unterhalb der quantitativen Nachweisgrenze (< 10 KbE/g), worauf die betroffenen Betriebe hingewiesen wurden. Salmonellen und Escherichia coli konnten in keiner der Proben nachgewiesen werden, ebenso keine Keime von Staphylococcus aureus. Bacillus cereus wurde lediglich in einer Probe ermittelt. Dessen Menge (2x102 KbE/g) war für eine etwaige Toxinbildung aber viel zu gering. Eine Übersicht über die Verteilung der Keimgehalte der typischen Indikatorkeime für Kartoffelsalate veranschaulicht Abbildung 3.
Abbildung 3 größere Ansicht
Wichtige Informationen für die Beurteilung: Lagertemperatur und Lagerdauer
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 LMHV gelten Feinkostsalate in mikrobiologischer Hinsicht als leicht verderbliche Lebensmittel und sind deshalb gekühlt zu lagern. Dabei empfiehlt die DIN 10508 („Lebensmittelhygiene – Temperaturen für Lebensmittel“) eine Lagertemperatur von maximal +7 °C für die mikrobiell sensible Lebensmittelgruppe [6]. Die Produkt- bzw. Lagertemperatur fiel, unabhängig von der Beanstandung, in zehn der 146 Planproben (6,85 %) deutlich zu hoch aus. Die Werte lagen zwischen 12,6 °C und fast 30 °C. Eine entsprechende Kühlung ermöglicht eine Verlangsamung biochemischer, enzymatischer als auch mikrobieller Prozesse und verzögert so den Lebensmittelverderb. Auch Krankheitserreger, von denen manche (B. cereus, S. aureus und Clostridium perfringens) ab einem gewissen Keimgehalt die Fähigkeit besitzen Toxine zu bilden [2] wurden nicht nachgewiesen.
Diese zehn Proben waren zum jeweiligen Entnahmezeitpunkt in den Gastronomiebetrieben rein sachlich betrachtet zu warm gelagert worden, wenngleich auch nur drei dieser zehn Salate gleichzeitig zu hohe Keimgehalte aufwiesen. Unter dem regionalen Aspekt ist die typische Zubereitung eines schwäbischen Kartoffelsalates zu beachten. Dieser wird im klassisch-schwäbischen Stil zuletzt mit warmer Brühe übergossen, um nach einer gewissen Zeit des „Durchziehens“ seinen typischen, würzigen Geschmack zu erhalten.
Wichtig ist: Es darf auch unter bestimmten Bedingungen kurzfristig von den empfohlenen Lagertemperaturen betreffend der Zubereitung, Beförderung oder Lagerung abgewichen werden, sofern das Lebensmittel nicht nachteilig beeinflusst wird [6]. Ebenso gilt dies auch für das Anbieten und Servieren in der Gastronomie. Als „kurzfristig“ kann eine Zeitspanne von circa zwei Stunden nach Zubereitung angenommen werden.
Demnach ist die Temperatur stets zu notieren und insbesondere für lose und offen angebotene Ware die Stand-/Lagerzeit zu erfragen. Diese Dokumentation erleichtert im Folgenden auch die Kommunikation zwischen den unteren Lebensmittelkontrollbehörden und dem Untersuchungsamt, welches die Bewertung der Probe mittels aller verfügbaren Informationen und Parameter (Vorbericht, grobsinnliche und mikrobiologische Analytik) vornimmt.
Fazit
Insgesamt fällt die Analyse bei Kartoffelsalaten der letzten Jahre am CVUA Stuttgart sehr erfreulich aus! Dies lässt auf eine gute Produktions- und Personalhygiene in den betroffenen Betrieben schließen. Als wesentlicher Parameter bei der Bewertung haben sich die Lagertemperaturen der jeweiligen Proben herausgestellt. Diese weichen, bedingt durch die traditionelle Herstellungsweise, gerne von generellen Empfehlungen ab. Dies kann jedoch für eine begrenzte Zeit akzeptiert werden, sofern die Einhaltung einer guten Hygienepraxis von der Lebensmittelüberwachung bestätigt werden kann. Das Wichtigste bleibt: die Unbedenklichkeit beim Verzehr dieses sensiblen Lebensmittels. Der Verbraucherschutz in Baden-Württemberg ist bei unserem schwäbischen Feinkost-Klassiker gemäß dieser Bilanz weitestgehend gegeben!
Bildernachweis
Julia Augustin, privates Foto
Quellen
[1] Leitsätze für Feinkostsalate des Deutschen Lebensmittelbuchs vom 02.12.1998 (BAnz. Nr. 66a vom 09.04.1999, GMBl. Nr. 11 S. 231 vom 26.04.1999)
[2] Baumgart, J. (2003). Mikrobiologie von Feinkosterzeugnissen. In Weber, H. (Hrsg.) (2003). Mikrobiologie der Lebensmittel Fleisch-Fisch-Feinkost, (1. Aufl., S. 519–526). B. Behr's Verlag GmbH & Co.KG
[3] DGHM: Richt- und Warnwerte für Lebensmittel (Stand: 18.09.2020)
[4] Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. L 139 vom 30.4.2004, S. 1–54)
[5] Lebensmittelhygiene-Verordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 2016 (BGBl. I S. 1469), die durch Artikel 2 der Verordnung vom 3. Januar 2018 (BGBl. I S. 99) geändert worden ist
[6] DIN 10508:2019-03 Lebensmittelhygiene – Temperaturen für Lebensmittel. DIN Deutsches Institut für Normung e. V., erschienen: 03/2019