Vitamin D-Bedarf decken – Sonne, Pillen oder Pilze?

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Pat Schreiter, Lisa Könighofer, Ellen Scherbaum

 

Seit Ende 2018 bietet der Handel vereinzelt „Vitamin D Pilze“ in der Gemüseabteilung an, mit vielversprechenden Aussagen wie „30x mehr Vitamin D“ und „100 Gramm enthalten 125 Prozent der empfohlenen Tagesdosis“ auf der Verpackung. Was steckt dahinter und stimmt diese Aussage?

 

Vitamin D: das Sonnenvitamin

Vitamin D ist lebensessentiell. Es reguliert den Calcium- und Phosphatstoffwechsel und spielt somit eine wichtige Rolle bei der Knochenbildung. Dank der Tatsache, dass seine Vorstufe Vitamin D3 aus dem in der Haut befindlichen 7-Dehydrocholesterin mit Hilfe von Sonneneinstrahlung gebildet wird, hat es den Namen „Sonnenvitamin“ verdient. Durch weitere Hydroxylierungen in der Leber und in der Niere entsteht die aktive Form des Vitamin D.

 

Bildung von Vitamin D im Körper

Die Hauptquelle des Vitamin D3 ist seine Biosynthese in der Haut. Diese bedarf des UVB Anteils der Sonnenstrahlung und hängt daher stark vom Sonnenstand ab. In unseren gemäßigten Breiten in Deutschland kann die Biosynthese des Vitamins D3 praktisch nur in den Monaten vom April bis Oktober geschehen, wobei jegliche Sonnenschutzmaßnahme den Prozess beeinträchtigt. An sonnigen Sommertagen und unter optimalen Bedienungen kann der Tagesbedarf am Vitamin D3 allein durch die Biosynthese um ein Vielfaches gedeckt werden. Der Überschuss wird im Fettgewebe gespeichert und steht dann dem Körper zur Verfügung, wenn die Vitamin D3-Biosynthese reduziert ist.

 

Weitere Vitamin D-Quellen

Die zweite natürliche Quelle des Vitamin D3 ist die Aufnahme über die Nahrungsmittel, die bis zu 20 % des Bedarfs deckt. Insbesondere in fettigem Fisch, Innereien und Eierprodukten kommt Vitamin D3 vor. Im Unterschied zu dem D3 aus Lebensmitteln tierischen Ursprungs enthalten Pilze und einige Pflanzen Vitamin D2, das aus Ergosterin ebenfalls durch die UV-Bestrahlung in Pilzen entsteht. Bereits in den 90er Jahren wurde beobachtet, dass die Wildpilze allgemein höhere Gehalte an Vitamin D2 aufweisen als Zuchtchampignons, zahlreiche Experimente und Messungen mit Tageslicht folgten [1–5]. Ähnlich wie Vitamin D3 wird Vitamin D2 im menschlichen Körper zum Vitamin D aktiviert. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass die Bioverfügbarkeit des in Pilzen vorkommenden Vitamins D2 gleichwertig wie die des Vitamins D3 aus Nahrungsergänzungsmitteln ist [6–9].

 

Also im Winter besser „Vitamin D-Pilze“ essen als teure Nahrungsergänzungsmittel kaufen oder das Solarium besuchen? Mit einer kleinen Versuchsreihe im Labor sind wir der Sache nachgegangen.

 

Modellversuch Bildung von Vitamin D2 in Pilzen

Foto: zwei im Freien auf dem Boden liegende Glasscheiben, auf denen in Scheiben geschnittene Champignons ausgelegt sind.Zur Untersuchung der Vitamin D-Bildung in Champignons durch UV-Strahlung oder Sonnenlicht wurden Zuchtchampignons aus dem Handel eingesetzt. Diese wurden in ca. 0,7 cm dicke Scheiben geschnitten und in sieben Proben zu je ca. 300 g aufgeteilt. Eine Probe wurde zur Kontrolle direkt bei -20 °C eingefroren. Die weiteren Proben wurden zur späteren Bestimmung des Wasserverlustes während der Bestrahlung gewogen und bis zur jeweiligen Bestrahlung lichtgeschützt gelagert. Die Bestrahlung mittels Sonnenlicht erfolgte bei moderat sonnigem Wetter im Sommer 2019 auf einer Dachterrasse. Drei Champignon-Proben wurden auf Glasscheiben ausgelegt und für 30 min, 60 min, bzw. 120 min auf die Dachterrasse gestellt (siehe Abbildung). Nach Ende der Bestrahlung wurden die Proben erneut gewogen und bei -20 °C gelagert. In vergleichbarer Weise wurden die übrigen drei Proben mittels einer UVB-Terrariumlampe in einem außen mit Alufolien beklebten Abzug für 30 min, 60 min, bzw. 120 min bestrahlt und anschließend gewogen und eingefroren. Die Entfernung der Proben zur Lampe betrug dabei ca. 40 cm.

Die tiefgefrorenen Proben wurden unter Zusatz von Trockeneis vermahlen und untersucht. Abbildung 1 zeigt das Ergebnis des Versuches.

 

Abb 1: Vitamin D2 Gehalt in UV-bestrahlten Champignons in Abhängigkeit von Bestrahlungsart und -dauer

Abb 1: Vitamin D2 Gehalt in UV-bestrahlten Champignons in Abhängigkeit von Bestrahlungsart und -dauer

 

Beide Bestrahlungsarten führen zum gewünschten Ergebnis: Vitamin D2 wird gebildet und mit der Bestrahlungsdauer steigt auch der Gehalt an. Die kontrollierte Bestrahlung mit einer Terrariumlampe zeigt in unserem Experiment noch etwas höhere Gehalte, als die Bestrahlung mit Sonnenlicht.

 

Fazit

Wie unser Modellversuch zeigt, kann der Gehalt an Vitamin D2 in handelsüblichen Champignons ganz einfach durch die Bestrahlung mit einer Terrariumlampe oder sommerlichem Sonnenschein ansteigen. Die Verwendung von mit Vitamin D angereicherten Lebensmitteln ist bei gesunden Menschen und ausgewogener Ernährung nicht notwendig [10], in den Wintermonaten ist der Verzehr von über die UV bestrahlten Pilze durchaus eine leckere und vielleicht auch eine günstigere Alternative zu Nahrungsergänzungsmitteln, um den Vitamin D Haushalt zu verbessern. Generell ist hier Vorsicht geboten: nicht „viel hilft viel, je mehr desto besser“. Eine Überdosierung von Vitamin D kann zu schwerwiegenden Folgen führen [10]. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) empfiehlt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene bei fehlender körpereigener Bildung eine Vitamin D-Zufuhr von 20 µg pro Tag [11]. Dies entspricht, je nach Bestrahlungsart und -dauer, 120 bis 400 g bestrahlte Champignons in unserem Modellversuch.

 

Apropos, sich in einem Solarium zu sonnen, ist keine gute Option für die Vitamin D-Zufuhr. Zum einen wird die kurzwellige, für die Biosynthese des Vitamin D notwendige UVB-Strahlung größtenteils ausgefiltert, da sie als Auslöser des Hautkrebses gilt. Zum anderen begünstigt die UVA-Strahlung, deren Anteil im Solarium zwecks der Hautbräunung stark erhöht wird, laut wissenschaftlichen Studien den Abbau von Vitamin D [12].

 

Bildernachweis

CVUA Stuttgart.

 

Literatur

  1. Mattila P, Piironen V, Uusi-Rauva E, Koivistoinen P (1994): Vitamin D contents in edible mushrooms. J. Agric. Food Chem., 42, 2449–2453
  2. Roberts JS, Teichert A, McHugh TH (2008): Vitamin D2 formation from post-harvest UV-B treatment of mushrooms (Agaricus bisporus) and retention during storage. J. Agric. Food Chem., 56, 4541–4544
  3. Phillips KM, Ruggio DM, Horst RL, Minor B, Simon RR, Feeney MJ, Byrdwell WC, Haytowitz DB (2011): Vitamin D and sterol composition of 10 types of mushrooms from retail suppliers in the United States. J. Agric. Food Chem., 59, 7841–7853
  4. Phillips KM, Rasor AS (2013): A Nutritionally Meaningful Increase in Vitamin D in Retail Mushrooms is Attainable by Exposure to Sunlight Prior to Consumption. J Nutr Food Sci 3: 236. DOI: 10.4172/2155–9600.100023
  5. Urbain P and Jakobsen J: Dose–Response Effect of Sunlight on Vitamin D2 Production in Agaricus bisporus Mushrooms. Journal of Agricultural and Food Chemistry 2015, 63 (37) , 8156–8161.
  6. Urbain P, F Singler F, Ihorst G, Biesalski H-K, Bertz H (2011): Bioavailability of Vitamin D2 from UV-B-irradiated button mushrooms in healthy adults deficient in serum 25-hydroxyVitamin D: a randomized controlled trial. European Journal of Clinical Nutrition, 65, 965–971.
  7. Simon RR, Borzelleca JF, DeLuca HF, Weaver CM (2013): Safety assessment of the post-harvest treatment of button mushrooms (Agaricus bisporus) using ultraviolet light. Food Chem Toxicol. 56, 278–289.
  8. Keegan RJ, Lu Z, Bogusz JM, Williams JE, Holick MF (2013): Photobiology of Vitamin D in mushrooms and its bioavailability in humans. Dermatoendocrinol. 5, 165–176.
  9. Cardwell G1, Bornman JF2,3, James AP4, Black LJ5 (2018): A Review of Mushrooms as a Potential Source of Dietary Vitamin D Nutrients 10, 1498;
  10. Webb AR, B.R. de Costa, M.F. Holick (1989): Sunlight regulates the cutaneous production of Vitamin D3 by causing its photodegradation. J Clin Endocr Metab 68:882–7

 

Artikel erstmals erschienen am 03.06.2020