Moringablattpulver – weiterhin mit Rückständen und unlauterer Bewerbung

Noch immer nicht super: das „Superfood“ Moringa

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Ellen Scherbaum, Dr. Christiane Lerch

 

Die Untersuchungsergebnisse von Moringablattpulver im Jahr 2016 zeigen weder hinsichtlich der Rückstandssituation noch bezüglich der irreführenden Bewerbung eine Verbesserung gegenüber den Vorjahren. Im Jahr 2016 wurden insgesamt 15 Proben Moringablattpulver untersucht, davon waren 2 Proben als „Nahrungsergänzungsmittel“ bezeichnet. Eine Probe enthielt Salmonellen und wurde als gesundheitsschädlich beurteilt. 11 der 15 Proben wurden auf Pestizidrückstände untersucht. Acht Proben wiesen eine oder mehrere Überschreitung(en) der gültigen Höchstmengen für Pestizide auf. Eine Probe enthielt Nikotin mit einem Gehalt von 16 mg/kg. Diese Probe wurde als nicht sicher beurteilt und von einem externen Toxikologen als gesundheitsschädlich eingestuft. Alle 14 Proben, bei denen die Kennzeichnung und Bewerbung geprüft wurde, waren zu beanstanden. Hauptsächliche Mängel waren irreführende nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben.

Foto: wasanajai/shutterstock.com

 

Allgemeine Informationen zum Moringabaum und den Untersuchungsergebnissen der Vorjahre finden Sie in unserem Beitrag Nicht besonders super - das Superfood Moringa.

 

Moringa oleifera ist für die Ernährung der Bevölkerung in afrikanischen und asiatischen Ländern eine wertvolle Pflanze und in verschiedenster Hinsicht auch von ökologischer Bedeutung [1], [2], [3].

Bei dem hierzulande verfügbaren Lebensmittelangebot und der Versorgungslage erscheint es jedoch nicht sinnvoll, Moringa in Form von Nahrungsergänzungsmitteln oder anderen Produkten zu konsumieren. Ein besonderer ernährungsphysiologischer Nutzen ist nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht zu erwarten [4].

 

Ergebnisse der Untersuchungen

Rückstände an Pestiziden und Kontaminanten

Auffällig war erneut der hohe Anteil an Proben mit einer oder mehreren Überschreitung(en) der Höchstmenge an Pestiziden (9 von 11 Proben). Ferner wurde in sechs von sieben als Öko-Ware gekennzeichneten Proben diese Bezeichnung als irreführend beurteilt, da chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel nachgewiesen wurden, die im ökologischen Landbau nicht zugelassen sind.

 

Tabelle 1: Übersicht der auf Pestizide untersuchten Proben
Bezeichnung Öko-Label Anzahl Wirkstoffe Überschreitung einer Höchstmenge „Öko“ als irreführend beanstandet Gehalt an Perchlorat > 0,1 mg/kg
Moringa Blattpulver 1 Nein 16 Ja - Ja
Moringa Blattpulver 2 Ja 7 Ja Ja Ja
Moringa Blattpulver 3 Ja 5 Nein Nein Ja
Moringa Blattpulver 4 Nein 3 Hinweisgutachten Überschreitung nicht gesichert - Ja
Moringa Blattpulver 5 Ja 2 Hinweisgutachten Überschreitung nicht gesichert Ja Ja
Moringa Blattpulver 6 Ja 6 Ja Ja Ja
Moringa Blattpulver 7 Nein 7 Ja - Ja
Moringa Blattpulver 8 Nein 6 Nein - Ja
Moringa Blattpulver 9 Ja 7 Hinweisgutachten Überschreitung nicht gesichert Ja Ja
Moringa Blattpulver 10 Ja 8 Ja Ja Nein
Moringa Blattpulver 11 Ja 3 Ja Ja Ja

 

Für Moringablätter sind keine speziellen Höchstmengen festgesetzt. Sie wurden wie getrocknete Kräutertees (z. B. Ginkgoblätter) beurteilt, da es sich ebenfalls um getrocknete Blätter handelt. Zudem wird das Moringablattpulver in vergleichbarer Menge wie Tee verwendet, im Gegensatz zu Teeblättern wird das Pulver jedoch direkt verzehrt.

 

Tabelle 2: Moringa-Proben mit Überschreitungen von Höchstmengen an Pestiziden (es werden nur Befunde oberhalb der Höchstmenge (HM) aufgeführt)
Probennummer Öko Pestizidname Gehalt mg/kg Bewertung
Moringa Blattpulver 1 Nein Acetamiprid 0,12 > HM
BAC (n=8, 10, 12, 14, 16, 18) 0,15 > HM, nicht gesichert
Chlorat 0,012 > HM, nicht gesichert
Cypermethrin 4,1 > HM
Deltamethrin 0,16 > HM
Emamectin B1a/B1b 0,021 > HM, nicht gesichert
Fipronil, Summe 0,089 > HM
Lufenuron 0,15 > HM
Methomyl, Summe 1,1 > HM
Permethrin 1,7 > HM
Profenofos 0,15 > HM
Moringa Blattpulver 2 Ja DEET 0,072 > HM
Iprobenfos 0,19 > HM
Moringa Blattpulver 4 Nein Trimethylsulfonium-Kation 0,078 > HM, nicht gesichert
Moringa Blattpulver 5 Ja Trimethylsulfonium-Kation 0,067 > HM, nicht gesichert
Moringa Blattpulver 6 Ja Nikotin 16,0 > HM
Propamocarb 0,057 > HM, nicht gesichert
Trimethylsulfonium-Kation 0,091 > HM, nicht gesichert
Moringa Blattpulver 7 Nein Nikotin 0,71 > HM, nicht gesichert
Trimethylsulfonium-Kation 0,12 > HM
Moringa Blattpulver 9 Ja Ametryn 0,020 > HM, nicht gesichert
Moringa Blattpulver 10 Ja Chlorat 0,034 > HM
Moringa Blattpulver 11 Ja Bromid 109 > HM, nicht gesichert
Trimethylsulfonium-Kation 0,29 > HM

 

In einer Probe wurde Nikotin mit einem Gehalt von 16 mg/kg Probe nachgewiesen. Unter Berücksichtigung der auf dem Probenetikett angegebenen Tagesverzehrsmenge von 15,5 g berechnet sich bei einem Erwachsenen mit einem durchschnittlichen Körpergewicht von 70 kg eine einmalige Aufnahmemenge von 0,25 mg Nikotin pro Tag. Das entspricht einer Ausschöpfung der Akuten Referenzdosis von 438 %. Die Probe wurde deshalb als nicht sicher im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der VO (EG) 178/2002 beurteilt. Im Zuge der weiteren Ermittlungen wurde ein externer Toxikologe hinzugezogen, der die Probe als gesundheitsschädlich einstufte.

 

Tabelle 3: Anwendungsgebiet der beanstandeten Pestizidwirkstoffe
Wirkstoff Wirkungsweise Bemerkung
Ametryn Herbizid  
BAC (n = 8, 10, 12, 14, 16, 18) Bakterizid Eintrag vermutlich über Desinfektionsmittel
Bromid Entwesung Aus Methylbromid
Chlorat Herbizid Eintrag vermutlich über Chlorung von Wasser
Cypermethrin Insektizid, Pyrethroid Auch im Vorratsschutz verwendet
DEET Repellent Vermutlich über Kontamination
Deltamethrin Insektizid, Pyrethroid Auch im Vorratsschutz verwendet
Emamectin B1a/B1b Insektizid  
Fipronil, Summe Insektizid, Akarizid  
Iprobenfos Fungizid, Phosphorsäureester  
Lufenuron Insektizid  
Methomyl, Summe Insektizid  
Nikotin Insektizid Auch aus Tabak
Permethrin Insektizid, Pyrethroid Auch im Vorratsschutz verwendet
Profenofos Insektizid, Phosphorsäureester  
Propamocarb Fungizid  
Trimethylsulfonium-Kation Herbizid (-bestandteil) Bestandteil von Glyphosatpräparaten (Gegenion)

 

Wie in Tabelle 1 dargestellt, enthielten 10 der 11 Proben Gehalte an Perchlorat über 0,1 mg/kg. Perchlorate sind Salze der Perchlorsäure. Sie sind in Wasser leicht löslich und in der Umwelt persistent. Die industrielle Verwendung der Perchlorate ist umfangreich und sehr vielfältig: Sie werden in der metallverarbeitenden Industrie, in der Papierveredelung, als Entwässerungsmittel, Oxidationsmittel sowie als Spreng- und Treibstoffe eingesetzt. Dieser weitverbreitete industrielle Einsatz von Perchloraten könnte ein Grund für die Kontamination von Lebensmitteln sein. Des Weiteren sind Einträge durch Düngereinsatz und künstliche Bewässerung möglich (Bericht des Umweltbundesamtes). Der Ständige Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCoPAFF) hat auf Vorschlag der EU-Kommission Referenzwerte für Perchlorat in Lebensmitteln festgesetzt, die nicht überschritten werden sollen. In vier der untersuchten Proben lag der Perchlorat-Gehalt über dem derzeit gültigen Referenzwert für Tee von 0,75 mg/kg. Der verantwortliche Lebensmittelunternehmer sollte im Rahmen von Eigenkontrollmaßnahmen mögliche Ursachen des festgestellten Rückstandsgehaltes ermitteln und wirkungsvolle Maßnahmen zur Minimierung der Rückstände ergreifen.

 

PAK und Schwermetalle

Bisher gab der Gehalt an polycyclischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und den Schwermetallen Blei, Cadmium und Quecksilber bei keiner der am CVUA Stuttgart untersuchten Moringa-Proben Grund zur Beanstandung.

 

Allgemeine Informationen zur Belastung von „Superfoods“ mit Schadstoffen erhalten Sie hier .

 

Kennzeichnung und Bewerbung von Moringablattpulver

Übertriebene Behauptungen zum Nährstoffgehalt waren an der Tagesordnung. Vielfach fehlten die gesetzlich vorgeschriebenen Mengenangaben zu den beworbenen Inhaltsstoffen. Dadurch wird dem Verbraucher verschwiegen, dass in der täglich verzehrten Menge z.T. nur sehr geringe Mengen enthalten sind.

Im Allgemeinen erfolgen Gehaltsangaben von Nährstoffen bezogen auf 100 g. Bei Lebensmitteln wie Moringablattpulver und bei Nahrungsergänzungsmitteln mit Moringa ist zu beachten, dass lt. Etikettierung i.d.R. deutlich geringere Mengen verzehrt werden sollen. Eine Bewerbung ist nur berechtigt, wenn in 100 g bzw. in der empfohlenen Tagesportion eine ernährungsphysiologisch relevante Menge eines Stoffes enthalten ist.

Bei Vitaminen und Mineralstoffen muss zusätzlich deklariert werden, wieviel Prozent des jeweiligen Tagesbedarfes in 100 g oder der empfohlenen Portion enthalten ist. Dies erfolgt i.d.R. in Form der Angabe „% NRV Nutrient Reference Value“. Die Angabe eines Vitamins oder Mineralstoffes ist nur erlaubt, wenn mindestens 15 % des NRV gedeckt werden – bei Hinweis auf einen „hohen Nährstoffgehalt“ müssen es mindestens 30 % des NRV sein.

 

Verbrauchertipp

Skepsis ist geboten bei Produkten, die eine besonders hohe Nährstoffzufuhr versprechen, ohne dass konkrete Angaben dazu erfolgen.

Neben der prinzipiell vorgeschriebenen allgemeinen Nährwertdeklaration ist jeder beworbene Stoff konkret zu bezeichnen und die Menge in 100 g bzw. der empfohlenen Tagesdosis anzugeben.
Ein lapidarer Hinweis auf das Vorhandensein von „antioxidativen Stoffen“ und einen „hohen ORAC-Wert“ ist z.B. ungenügend.

Werden Erzeugnisse über das Internet an Verbraucher verkauft, müssen die Pflichtangaben nicht nur auf der Produktpackung vorhanden sein, sondern dem Käufer bereits vor dem Kauf im Internet zur Verfügung gestellt werden.

 

Was bedeutet der ORAC-Wert?

Häufig wurde in der Werbung für Moringa die Höhe des „ORAC-Wertes“ besonders herausgestellt und behauptet, dass „der besonders hohe Antioxidantiengehalt von Moringa vor Zellschäden schützt“. Bei der Bestimmung des sogenannten ORAC-Wertes (Oxygen Radical Absorbance Capacity) handelt es sich um eine „In-vitro-Methode“ zur Bestimmung des antioxidativen Gesamtpotentials – also lediglich um ein „im Reagenzglas“ durchgeführtes Verfahren.

Für die Ernährung ist dieser Wert ohne Belang.

Mit der Werbung wird der Eindruck vermittelt, in der Höhe des ORAC-Wertes würde sich das Ausmaß der (positiven) antioxidativen Wirkung im menschlichen Körper widerspiegeln. Für diesen Zusammenhang gibt es allerdings keine wissenschaftlich fundierten Nachweise.

 

Weitere allgemeine Informationen zu Antioxidantien und dem ORAC-Wert erhalten Sie auch hier.

 

Quellen

[1] Foidl, N., Makkar, HPS, Becker K. (2001): The potential of Moringa oleifera for agricultural and industrial use. Dar Es Salam October 20th.November 2nd 2001

[2] Food and Agricultural Organization (FAO): Traditional crop of the month: Moringa (26.01.2017)

[3] Saini, R.K., Sivanesan I., Keum, Y.-S.: Phytochemicals of Moringa oleifera: a review of their nutritional, therapeutic and industrial significance. 3 Biotech. (2016) 6:203

[4] Bechtold, A.: Moringa: Sinn und Unsinn des „Superfoods“, Ernährungslehre & Praxis, Ernährungs-Umschau Nov. 2016

 

Weiterführende Links

 

 

Artikel erstmals erschienen am 16.02.2017