Nicht besonders super – das „Super Food“ Moringa

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Christiane Lerch, Ellen Scherbaum

 

Moringa liegt zusammen mit anderen angeblichen „Superfoods“, wie beispielsweise Getreidegräsern, Spirulina, Chlorella oder Maca, voll im Trend. Die getrockneten, pulverisierten Blätter des Moringabaumes sollen über das morgendliche Müsli gestreut oder als sogenannter „Smoothie“ zubereitet werden. Bequemer ist der Verzehr von Kapseln mit Moringablattpulver.

 

In den Jahren 2013 bis 2015 wurden am CVUA Stuttgart 16 Proben Moringa-Blattpulver untersucht. Davon waren 11 Proben als „Nahrungsergänzungsmittel“ bezeichnet. Sofern ein Herkunftsland angegeben wurde, lautete es „Indien“.

 

Lediglich zwei Proben wurden nicht beanstandet.
Zwei Proben enthielten Salmonellen und wurden als gesundheitsschädlich beurteilt.
12 der 13 auf Pestizide untersuchten Erzeugnisse wiesen Rückstände auf – acht Proben (darunter zwei „Bio“-Produkte) wurden wegen der Überschreitung von Höchstgehalten beanstandet.
13 Proben wiesen Kennzeichnungsmängel auf, meist aufgrund irreführender nährwert- und/oder gesundheitsbezogener Bewerbung aber auch unzulässiger krankheitsbezogener Angaben.

 

Wissenswertes zur Moringapflanze

Bei Moringa oleifera handelt es sich um einen schnellwüchsigen, immergrünen Baum, der ursprünglich aus der Himalaya-Region in Nordwestindien stammt, inzwischen aber weltweit in den Tropen und Subtropen wächst.

 

Abbildung 1: Moringa oleifera-Plantage zur Samenproduktion in Nicaragua, Bildquelle [1].

Abbildung 1: Moringa oleifera-Plantage zur Samenproduktion in Nicaragua, Bildquelle [1]

 

Alle Pflanzenteile von M. oleifera sind verwertbar. Der Nährstoffgehalt macht die Blätter, Früchte, Samen und sogar die Wurzeln in den Heimatregionen des Baumes zu einem sinnvollen Nahrungs- und Futtermittel.


Abbildung 2: Diagramm „Moringa parts and their uses“, Bildquelle [1].

Abbildung 2: Diagramm „Moringa parts and their uses“, Bildquelle [1]

 

Besonders hervorzuheben ist die Nutzung des pulverisierten Pflanzensamens, der in den Herkunftsländern zur Aufbereitung von Trinkwasser verwendet wird. Der Samen enthält ein natürliches Flockungsmittel (Protein), das Schmutzteilchen im Wasser ausfällen kann. Limitierend auf den Verzehr wirkt sich der Gehalt an (giftigen) Senfölglycosiden (insbesondere der Wurzeln aber auch der Blätter) aus, die den typischen Bittergeschmack verursachen (M. oleifera wird deshalb auch „Meerrettichbaum“ genannt). Lit. [1] [2] [3] [4]

 

Was ist drin in Moringablättern?

Abbildung 3: Intensivproduktion Moringa, Bildquelle [2].

Abbildung 3: Intensivproduktion Moringa, Bildquelle [2]

 

Glaubt man der Werbung – insbesondere im Internet - ist die Wirkung und der Nährstoffgehalt von Moringablättern „legendär“:

  • Dieses Superfood macht Sie zum Gott ...
  • Moringa heilt viele Krankheiten ...
  • Moringa ist die vitaminreichste Pflanze auf Erden ...
  • Moringa Blattpulver enthält doppelt so viel hochwertiges Eiweiß wie Soja ...
  • 17-mal so viel Kalzium wie Milch ...
  • 25-mal so viel Eisen wie Spinat ...
  • 15-mal so viel Kalium wie Bananen ... usw.

 

Vor allem in Ostafrika wird Moringa oleifera traditionell als Heilmittel eingesetzt. Für die Behauptung, dass Moringablätter Krankheiten heilen können, gibt es aber bisher keine durch fundierte wissenschaftliche Studien erzielten Nachweise. Abgesehen davon sind krankheitsbezogene Angaben für Lebensmittel gar nicht erlaubt.

Die Gegenüberstellung der Nährwerte von getrockneten, pulverisierten Moringablättern mit denen von frischer Milch, Spinat oder Bananen entspricht dem berühmten Vergleich von „Äpfeln mit Birnen“.

 

Unsere Untersuchungen von einigen wichtigen Nährstoffen zeigen:

Moringablätter haben zwar ein breites Nährstoffspektrum - sind jedoch auch nur ein „normales“ Lebensmittel. Die Art und Weise der Bewerbung der Nährstoffgehalte ist deshalb zur Täuschung des Verbrauchers geeignet.

 

Empfohlen wurde bei den untersuchten Proben eine Verzehrsmenge von etwa 5 – 10 g täglich, bei Moringablattpulver in Kapseln auch weniger. Die auf 10 g bezogenen Nährstoffgehalte in den nachstehenden Tabellen reduzieren sich bei geringerer Zufuhr entsprechend.

 

Tabelle 1: Vergleich der Nährstoffgehalte von 1 Portion/Tagesverzehrsmenge (TB = Deckung des Tagesbedarfes in %)
 
Eiweiß / empf. Zufuhr in %
Calcium / TB
Kalium / TB
Eisen / TB
Moringablattpulver (10 g)
2,4 g/5 %
184 mg/23 %
136 mg/7 %
3,3 mg/24 %
reife Sojabohnen (100 g)
34 g/68 %
 
 
 
1 Glas Milch (200 ml)
 
240 mg/30 %
 
 
1 große Banane (200 g)
 
 
660 mg/33 %
 
frischer Spinat (200 g)
 
 
 
8 mg/57 %

 

Tabelle 2: Vergleich der Nährstoffgehalte von 10 g getrockneten Lebensmitteln (TB = Deckung des Tagesbedarfes in %)
 
Eiweiß / empf. Zufuhr in %
Calcium / TB
Kalium / TB
Eisen / TB
Moringablattpulver
2,4 g/5 %
184 mg/23 %
136 mg/7 %
3,3 mg/24 %
Sojabohnen
3,7 g/8 %
 
 
 
Vollmilchpulver
 
92 mg/12 %
 
 
Bananen
 
 
149 mg/7 %
 
Spinat
 
 
 
5 mg/36 %

 

Viele Vitamine sind empfindlich gegenüber Wärmeeinwirkung und/oder Lagerung. Es verwundert deshalb nicht, dass beworbenes Vitamin C in den untersuchten getrockneten, pulverisierten Proben i.d.R. gar nicht nachweisbar war.

 

10 g Moringapulver decken nach unseren Untersuchungen den Tagesbedarf an den Nährstoffen Vitamin E, Magnesium, Zink und Mangan zu durchschnittlich 36 %, 13 %, 2 % und 40 %. Lit. [5] [6] [7]

 

Infokasten – Verbrauchertipp

Meiden Sie allgemein Produkte, die eine besondere Nährstoffzufuhr versprechen, bei denen auf der Verpackung aber keine konkreten Angaben zum Nährstoffgehalt erfolgen.

 

Wird ein Nährstoff beworben, ist die Gehaltsangabe gesetzlich vorgeschrieben. Im Allgemeinen erfolgt die Angabe bezogen auf 100 g. Bei Lebensmitteln wie Moringablattpulver und bei Nahrungsergänzungsmitteln im Allgemeinen ist zu beachten, dass diese nur in wesentlich geringeren Mengen verzehrt werden.

Bei Vitaminen und Mineralstoffen muss zusätzlich angegeben werden, wieviel Prozent des jeweiligen Tagesbedarfes enthalten ist. Eine Bewerbung ist erst erlaubt, wenn (mit der Tagesportion) mindestens 15 % des täglichen Bedarfes gedeckt werden – bei Hinweis auf „hohe Nährstoffgehalte“ müssen es 30 % sein.

 

Kontamination mit Salmonellen

Die festgestellte Kontamination von Moringablättern mit Salmonellen weist auf Verunreinigungen durch Fäkalien hin.

M. oleifera wird in den Heimatländern traditionell auch „im Hinterhof“ angebaut.

 

Abbildung 4: „Hinterhofanbau“ von M. oleifera, Bildquelle [2].

Abbildung 4: „Hinterhofanbau“ von M. oleifera, Bildquelle [2]


Rückstände von Pflanzenschutzmitteln

Auffällig war die relativ hohe Beanstandungsquote wegen Überschreitung von Rückständen an Pestiziden. Dies weist auf einen Kulturanbau mit intensivem Pestizideinsatz hin. Bei Blattkulturen werden (im Vergleich zum Gewicht) große Oberflächen behandelt, deshalb ist hier die Gefahr von Rückständen besonders groß.

 

Tabelle 3: Übersicht der auf Pestizide untersuchten Proben
Bezeichnung
Öko
Anzahl Wirkstoffe
wegen Höchstmengenüberschreitungen beanstandet
Moringa Oleifera Kapseln
nein
19
Ja
Moringa Oleifera Pulver
nein
6
Ja
Moringa-Kapseln
nein
11
Ja
Moringa-Kapseln
nein
10
Ja
Moringa Oleifera Blattpulver
nein
6
nein
Moringa Oleifera
nein
7
Hinweisgutachten,
Überschreitung nicht gesichert
Moringa Blattpulver
ja
2
Ja
Moringa Blätter gemahlen
nein
7
nein
Moringa Kapseln
nein
9
Ja
Moringa Oleifera Blattpulver
ja
5
nein
Moringa Pulver
ja
18
Ja
Moringa-Pulver
nein
9
Ja
Moringa Oleifera
nein
0
nein

 

Tabelle 4: Moringa-Proben mit Überschreitungen von Höchstmengen an Pestiziden (es werden nur Befunde oberhalb der Höchstmenge dargestellt)
Bezeichnung
Öko
Pestizidname
Gehalt mg/kg
Bewertung
Moringa Oleifera Kapseln
nein
Chlorat
0,03
>HM
Cypermethrin, Summe
1,35
>HM
Fipronil, Summe
0,01
>HM, nicht gesichert
Methomyl, Summe
0,98
>HM
Permethrin
1,50
>HM
Moringa Oleifera Pulver
nein
Chlorat
0,05
>HM
Methomyl, Summe
0,37
>HM
Permethrin
1,10
>HM
Trimethylsulfonium-Kation
0,17
>HM
Moringa-Kapseln
nein
Azadirachtin A
0,16
>HM
Chlorat
0,03
>HM
Cypermethrin, Summe
0,13
>HM, nicht gesichert
Flubendiamid
0,30
>HM
Moringa-Kapseln
nein
Azadirachtin A
0,08
>HM
Chlorat
0,04
>HM
Flubendiamid
0,08
>HM
Moringa oleifera
nein
Trimethylsulfonium-Kation
0,07
>HM, nicht gesichert
Moringa Blattpulver
ja
Trimethylsulfonium-Kation
0,13
>HM
Moringa Kapseln
nein
Chlorat
0,04
>HM
Moringa Pulver
ja
Chlorat
0,02
>HM, nicht gesichert
Cypermethrin, Summe
1,20
>HM
Diphenylamin
0,08
>HM, nicht gesichert
Fipronil, Summe
0,01
>HM
Methomyl, Summe
0,79
>HM
Permethrin
0,44
>HM
Moringa-Pulver
nein
Azadirachtin A
0,05
>HM
Trimethylsulfonium-Kation
0,09
>HM, nicht gesichert

HM = Höchstmengenüberschreitung

 

Für Moringablätter sind keine speziellen Höchstmengen festgesetzt. Sie wurden wie getrocknete Kräutertees (z. B. Ginkgoblätter) beurteilt, da es sich ebenfalls um getrocknete Blätter handelt. Zudem wird das Moringablattpulver in vergleichbarer Menge wie Tee verwendet, im Gegensatz zu Teeblättern wird das Pulver jedoch direkt und als Ganzes verzehrt.

 

Tabelle 5: Wirkungsweise der beanstandeten Pestizidwirkstoffe
Wirkstoff Wirkungsweise Bemerkung
Cypermethrin, Summe Insektizid, Pyrethroid Auch im Vorratsschutz verwendet
Permethrin Insektizid, Pyrethroid Auch im Vorratsschutz verwendet
Fipronil, Summe Insektizid, Akarizid  
Methomyl, Summe Insektizid  
Trimethylsulfonium-Kation Herbizid
(-Bestandteil)
Bestandteil von Glyphosatpräparaten (Gegenion)
Azadirachtin A Insektizid im Bioanbau erlaubt, Wirkstoff des Neembaumes
Flubendiamid Insektizid  
Diphenylamin Fungizid Auch industrielle Verwendung
Chlorat Herbizid Eintrag vermutlich über Chlorierung von Wasser

 

Quellen

[1] The potential of Moringa oleifera for agricultural and industrial uses; Foidl N., Makkar H.P.S. and Becker K., Moringa Oleifera Webpage moringatrees.org , October 20th - November 2nd 2001. Dar Es Salaam.

[2] Moringa: Eine mögliche Hochpreiskultur für Industrie und Landwirtschaft in weniger entwickelten Ländern, Becker K., Institut für Tropische Agrarwissenschaften der Universität Hohenheim, Stuttgart; PP-Präsentation (persönlich überlassen).

[3] Jahn, GTZ, 1981; www.le.ac.uk/engineering/staff/Sutherland/moringa/water/water.htm

[4] Wikipedia.de

[5] Heseker, Nährstoffe in Lebensmitteln, 3. Auflage, Umschauzeitschriftenverlag, Sulzbach i.T., 2007

[6] EFSA Scientific Opinion on Dietary Reference Values for protein; EFSA Journal 2012;10 (2):2557

[7] VO (EU) 1169/2011; Anhang XIII Nährstoffbezugswerte

 

Artikel erstmals erschienen am 09.03.2016