Zentrallabor für Erkrankungsproben am CVUA Stuttgart

Das CVUA Stuttgart untersucht zentral Lebensmittelproben im Zusammenhang mit Erkrankungsfällen aus ganz Baden-Württemberg

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Lebensmittelbedingte Erkrankungen kommen trotz Überwachung der strengen Hygiene-Vorschriften immer wieder vor. Die zur Untersuchung solcher Vorfälle entnommenen Lebensmittel – sogenannte Erkrankungsproben – werden für Baden-Württemberg zentral am CVUA Stuttgart mikrobiologisch, molekularbiologisch und toxinanalytisch untersucht.

 

Foto: Petrischalen mit verschiedenen Nährböden beschickt.Foto: Großaufnahme einer beimpften Nährbodenplatte.

 

Das interdisziplinäre Team aus Tierärzten, Biologen und Lebensmittelchemikern untersucht jährlich 6000–7000 Lebensmittelproben, davon sind ca. 20 % (ca. 1000–1500) Proben, die im Verdacht stehen, eine lebensmittelbedingte Erkrankung verursacht zu haben. Die aktuellen Zusammenfassungen dazu finden sich im Managementbericht des CVUA Stuttgart.

 

Zur Untersuchung kommen hierbei nicht nur verdächtige Lebensmittel, auch Umgebungsproben (z. B. Tupfer von Arbeitsflächen) können wichtige Hinweise auf Kontaminations- und Infektionswege geben.

 

Abbildung mit verschiedenen Chromatogrammen.Um der besonderen Aufgabe, der Untersuchung von Lebensmittelproben im Erkrankungszusammenhang gerecht zu werden, bedarf es nicht nur des höchst flexiblen Einsatzes der Mitarbeiter (inkl. Wochenenddiensten), sondern auch eines erweiterten Methodenportfolios:

Neben den klassischen mikrobiologischen Methoden kommen am CVUA Stuttgart modernste molekularbiologische Verfahren (PCR, real-time-PCR) sowie physikalisch-chemische Messtechniken (z. B. Infrarotspektroskopie (FT-IR), MALDI-TOF Massenspektrometrie, LC-MS/MS) zum Einsatz. Die ständige Weiterentwicklung dieser speziellen Techniken ist hier ein besonderes Anliegen. Die konsequente Anwendung dieser erweiterten analytischen Möglichkeiten hilft beim erfolgreichen Nachweis vieler pathogener Bakterien, Viren und Toxine, gerade im Zusammenhang mit lebensmittelbedingten Erkrankungen.

 

Doch die Aufklärung von Erkrankungsfällen endet nicht beim Nachweis des Erregers oder Giftstoffes. Seit Jahren besteht deshalb eine intensive Zusammenarbeit und Kommunikation mit dem Überwachungspersonal der Städte und Landkreise sowie mit den Kollegen des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg (LGA) und den zuständigen Einrichtungen des Bundes (Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Robert-Koch-Institut (RKI)).

 

Als erstes und bisher einziges Bundesland konnte Baden-Württemberg hierdurch schon 2015 einen gemeinsamen „Leitfaden zum Management lebensmittelassoziierter Infektionen“ erarbeiten und allen zuständigen Kooperationspartnern zur Verfügung stellen.

 

Darstellung des Fingerprint-Vergleichs.Denn nur durch die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit von Lebensmitteüberwachung und Öffentlichem Gesundheitsdienst lassen sich Daten eines Erkrankungsgeschehens zuverlässig zusammenführen und Krankheitsausbrüche anhand bestimmter Keime epidemiologisch aufklären. Im Vordergrund steht dabei die Frage, ob der Erreger im Lebensmittel identisch ist, mit dem Erreger des erkrankten Patienten. Für diesen "Fingerabdruck-Vergleich" kommen am CVUA Stuttgart bisher spezielle spektroskopische und molekularbiologische Verfahren zum Einsatz.

 

Im Zusammenhang mit der Aufklärung epidemiologischer Zusammenhänge hat sich jedoch in den letzten Jahren das Next Generation Sequencing (NGS) als neuer Goldstandard etabliert. Mit dieser molekularbiologischen Methode kann beispielsweise das gesamte Erbgut eines Lebensmittelkeims ausgelesen werden. Vergleicht man es im Anschluss mit dem Erbgut eines Erregers, der aus einer erkrankten Person isoliert wurde, kann im Fall einer Übereinstimmung der direkte Zusammenhang zwischen dem Lebensmittel und der Humanerkrankung aufgezeigt werden. Die Etablierung dieser neuen Methode, die sich auch in anderen Arbeitsbereichen des CVUA Stuttgart einsetzen lässt, wird derzeit im Rahmen eines Projekts intensiv vorangetrieben.

 

Herausragende Fälle werden am CVUA Stuttgart wissenschaftlich aufgearbeitet und veröffentlicht. Diese Erkenntnisse tragen somit langfristig zu einer verbesserten Hygiene und Überwachung bei der Verarbeitung von Lebensmitteln bei.

Die Bandbreite der erfolgreich aufgeklärten lebensmittelbedingten Ausbrüche ist an folgenden Beispielen sichtbar:

  • Deutschlandweiter Listeriose-Ausbruch durch Blutwurst-Produkte (2018/2019; [1]),
  • Länderübergeifender Botulismus-Ausbruch nach dem Verzehr von Trockenfisch (2016; [3]),
  • Länderübergreifendes Erkrankungsgeschehen durch Salmonella Bovismorbificans in Sprossen (2014; [2]),
  • Lebensmittelvergiftungen durch Kontamination von Lebensmitteln mit dem Enterotoxin von Staphylococcus aureus (2013 und 2014; [4] & [5]),
  • Lebensmittelbedingte Ausbrüche mit emetischen (Erbrechen auslösenden) Bacillus cereus (2009 und 2011; [6] & [9]),
  • Rotavirus -Ausbruch in einem Mutter-Kind Sanatorium (2009 [7]),
  • Epidemiologie mehrerer Norovirus-Ausbrüche in Baden-Württemberg (2006; [8]).

 

Die Bündelung von Fachkompetenz und die vielfältigen analytischen Möglichkeiten an zentraler Stelle bieten damit die besten Voraussetzungen, lebensmittelbedingten Erkrankungen in Baden-Württemberg auf die Spur zu kommen.

 

Quellen

[1] Large Nationwide Outbreak of Invasive Listeriosis Associated with Blood Sausage, Germany, 2018–2019

[2] Artificial neural network-assisted Fourier transform infrared spectroscopy for differentiation of Salmonella serogroups and its application on epidemiological tracing of Salmonella Bovismorbificans outbreak isolates from fresh sprouts

[3] Type E botulism associated with fish product consumption – Germany and Spain

[4] Staphylococcus aureus food-poisoning outbreak associated with the consumption of ice-cream

[5] Outbreak of Staphylococcal Food Poisoning Due to SEA-Producing Staphylococcus aureus

[6] The proof of the pudding is in the eating: an outbreak of emetic syndrome after a kindergarten excursion, Berlin, Germany, December 2007

[7] Detection of rotavirus in food associated with a gastroenteritis outbreak in a mother and child sanatorium

[8] Molecular Epidemiology of Norovirus in Outbreaks of Gastroenteritis in Southwest Germany form 2001 to 2004

[9] Cereulidbildende präsumtive Bacillus cereus aus Lebensmitteln. Differenzierende Untersuchungen mittels kultureller Methoden, LC-MS/MS, PCR und Infrarotspektroskopie unter Berücksichtigung thermotoleranter Vertreter

 

Weiterführende Links

 

Bildernachweis

CVUA Stuttgart (Hiller, Contzen, Rau)

 

Zuletzt aktualisiert am: 05.08.2020

 

Artikel erstmals erschienen am 30.07.2014