Weihnachtsgebäck und Acrylamid

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Rüdiger Weißhaar

 

Wie schon in den Vorjahren, wurde auch in der Vorweihnachtszeit 2012 am CVUA Stuttgart Lebkuchen und Spekulatius auf Acrylamid untersucht. Das Ergebnis der Untersuchung von 49 Stichproben: Es gibt große Schwankungen im Acrylamidgehalt. Während die meisten Proben erfreulich niedrige Gehalte aufwiesen wurde bei 4 Proben Lebkuchen der aktuelle Signalwert für Acrylamid überschritten.

Spekulatius und vor allem Lebkuchen stehen schon seit Jahren weit oben auf der Hitliste der Acrylamid verdächtigen Lebensmittel. Sie enthalten reichlich reduzierende Zucker (Glucose und Fructose) und werden oft bei recht hohen Temperaturen gebacken, um den gewünschten Bräunungsgrad und das typische Aroma zu erhalten.

 

Ein wichtiger Grund für die hohen Gehalte an Acrylamid lag in der Vergangenheit auch in der Verwendung von Ammoniumsalzen (Hirschhornsalz, ABC-Trieb) als Backtriebmittel. Seitdem Industrie und das Bäckerhandwerk auf diese Stoffe weitgehend verzichten, findet man nur noch selten extrem hohe Acrylamidgehalte im Weihnachtsgebäck.

 

Dies belegen auch die neuesten Untersuchungen des CVUA Stuttgart.
In der aktuellen Weihnachtssaison wurden insgesamt 49 Proben Lebkuchen und lebkuchenähnliche Erzeugnisse sowie Spekulatius auf Acrylamid untersucht.

 

In 4 Proben Lebkuchen wurde der aktuelle Signalwert von 1000 µg/kg für Acrylamid überschritten. Keine der Proben Spekulatius überschritt den EU-Richtwert von 500 µg/kg für Acrylamid.

 

Der Medianwert für alle Erzeugnisse lag bei 83 µg/kg, das bedeutet, dass die Hälfte der untersuchten Proben Acrylamidgehalte unter 83 µg/kg aufweisen. Vor 2 Jahren lag der Median noch bei 100 µg/kg (siehe unser Internetbericht vom 02.12.2010 "Alle Jahre wieder: Weihnachtsgebäck und Acrylamid").

 

Sechs der untersuchten Lebkuchen wiesen Gehalte über 500 µg/kg auf, d.h. über 50% des Signalwertes. Diese Produkte sind oft Spezialitäten aus traditioneller handwerklicher Fertigung. Wenn man bedenkt, dass in dieser Produktgruppe noch vor einigen Jahren Acrylamidgehalte über 5000 µg/kg auftraten, sieht man, dass auch hier deutliche Fortschritte erreicht worden sind.

 

Der höchste Gehalt an Acrylamid wurde, wie auch in den Vorjahren, in einer Probe Lebkuchen aus handwerklicher Fertigung festgestellt, er betrug 1550 µg/kg.

 

Besonders niedrig lagen die Gehalte dagegen bei gefüllten Erzeugnissen, da diese in der Regel besonders schonend gebacken werden.

 

Bei den Spekulatiuserzeugnissen wies die helle Sorte Butterspekulatius erwartungsgemäß deutlich niedrigere Werte auf, als die wesentlich dunklere Sorte Gewürzspekulatius. Der höchste Acrylamidgehalt in dieser Gruppe betrug 386 µg/kg.

 

Die Untersuchungen bleiben nicht ohne Konsequenzen. Zwar sind für Acrylamid bislang weder national noch EU-weit Höchstgehalte rechtsverbindlich festgelegt. Die betroffenen Herstellerbetriebe werden aber von der Lebensmittelüberwachung über die hohen Gehalte informiert und gleichzeitig kompetent beraten, wie in Zukunft die Belastung mit Acrylamid deutlich gesenkt werden kann.

 

Auch in der privaten Weihnachtsbäckerei kann man „Acrylamid bewusst“ backen, wenn man einige einfache Regeln einhält: Tipps zur Vermeidung von Acrylamid beim Backen von Lebkuchen.

 

Acrylamid

Acrylamid bildet sich beim Erhitzen aus der Aminosäure Asparagin und reduzierenden Zuckern, wie Glucose oder Fructose, insbesondere an der (wasserarmen) Oberfläche frittierter, gebackener oder gerösteter Lebensmitteln wie Pommes frites, Kaffee oder trockenen Backerzeugnissen.

 

Auch 10 Jahre nach dem ersten Nachweis von Acrylamid in Lebensmitteln ist man sich über die toxikologische Bewertung dieser Kontaminationen immer noch nicht einig: Einerseits gilt Acrylamid nach wie vor als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ andererseits haben epidemiologische Untersuchungen noch keinen Zusammenhang zwischen Acrylamid in unserer Nahrung und dem Auftreten verschiedener Krebsarten feststellen können.

 

Solange das Risiko durch Acrylamid in Lebensmitteln nicht abschließend geklärt ist, gilt das „ALARA“-Prinzip (as low as reasonably achievable): Lebensmittel sollten so hergestellt werden, dass der Gehalt an Acrylamid so niedrig wie möglich ist. Zu diesem Zweck gibt es in Deutschland seit 2002 das Acrylamid-Minimierungskonzept mit nationalen “Signalwerten“. Signalwerte sind keine rechtlich verbindlichen Höchstwerte, sondern Orientierungswerte, bei deren Überschreitung Lebensmittelüberwachung und Lebensmittelproduzenten gemeinsam nach den Ursachen und nach Strategien zur künftigen Verminderung der Acrylamidgehalte suchen.
Im Januar 2011 wurden mit der Empfehlung der Europäischen Kommission zur Untersuchung des Acrylamidgehalts von Lebensmitteln auf europäischer Ebene Richtwerte („Indicative values“) für die meisten Lebensmittelgruppen eingeführt, für die bisher in Deutschland nationale Signalwerte galten. Für die Warengruppen, für die in der Kommissions-Empfehlung keine Regelungen getroffen worden sind, gelten die nationalen Signalwerte aus der 8. Signalwertberechnung vom November 2010 weiterhin.

 

Informationen zu den aktuellen EU-Richtwerten und nationalen Signalwerten finden sie hier.

 

Artikel erstmals erschienen am 06.12.2012