Listeria monocytogenes - unerwünschte Beigabe zu Lebensmitteln

Dr. Volker Renz

 

„Weiteres Todesopfer durch Bakterien-Käse“, „Killer-Käse: Wieder 2 Deutsche in Klinik“, „Killer-Käse: Die Justiz ermittelt“, - mit solchen oder ähnlich lautenden Schlagzeilen wurden die Verbraucher Anfang des Jahres konfrontiert, nachdem zahlreiche humane Listeriose-Infektionen auf den Verzehr bestimmter Käsesorten eines österreichischen Herstellers zurückgeführt wurden. Die betroffenen Produkte wurden daraufhin vom Markt genommen. Weiterhin wurde vor deren Verzehr von dem Unternehmen, das den Käse in Deutschland in Verkehr gebracht hatte, öffentlich gewarnt.

Schmuckelement.

Abbildung 1: Wachstum von Listerien auf PALCAM-Agar.

Auslöser der humanen Listeriose ist Listeria monocytogenes, ein grampositives Stäbchenbakterium. Es gehört zur Gruppe der Listerien, die in der Umwelt weit verbreitet sind. Listerien finden sich vor allem in tierischen Ausscheidungen, Abwasser und dem Erdboden. Werden Listerien in Lebensmitteln nachgewiesen, ist dies in der Regel als Hinweis auf eine mangelnde Betriebshygiene zu werten.

 

Mit etwa 500 gemeldeten Fällen pro Jahr in Deutschland tritt die Infektionskrankheit zwar vergleichsweise selten auf, hat aber durch die Schwere des Verlaufs eine große Bedeutung (http://www.bfr.bund.de/cd/10961). Beim Menschen gibt es kein spezifisches Krankheitsbild. Bei immunkompetenten Patienten verläuft die Infektion meist stumm oder mit leichter, grippeähnlicher Symptomatik. Dagegen können die Erreger bei Patienten mit Abwehrschwäche (Immuninkompetenz) schwere Infektionen verursachen. Ein schwerer Krankheitsverlauf kann zu Blutvergiftung und Gehirn- oder Gehirnhautentzündung führen und tödlich enden. Bei einer Listeriose während der Schwangerschaft besteht die Möglichkeit eines Überganges der Infektion auf das ungeborene Kind mit der Gefahr, dass das Kind infiziert zur Welt kommt, zu früh oder tot geboren wird.

 

Doch ab welchem Keimgehalt wird ein Lebensmittel gefährlich? Gerade bei Listeria monocytogenes kann diese Frage nicht eindeutig beantwortet werden. Neben der Menge hängt dies u.a. davon ab, ob der Keim auch tatsächlich „krankmachende“ Eigenschaften (Virulenz) besitzt, denn nicht jeder Listeria monocytogenes-Stamm ist hier gleich. Bei den derzeitigen Routineverfahren kann aber leider noch nicht zwischen virulenten und avirulenten Listeria monocytogenes-Stämmen unterschieden werden. (http://www.efsa.europa.eu/de/scdocs/scdoc/599.htm).

 

Während man früher davon ausging, dass mindestens 10.000 Kolonie-bildende Einheiten (KbE) Listeria monocytogenes je Gramm Lebensmittel notwendig sind, um nach dem Verzehr eine Erkrankung auslösen zu können, lassen neuere Erkenntnisse darauf schließen, dass schon deutlich geringere Mengen  - insbesondere bei immuninkompetenten Personen - ausreichen, um eine Listeriose hervorzurufen (Winter et al., Journal of Hospital Infection (2009) 73, 121-128). Insofern sind die Lebensmittelunternehmer gehalten, jegliche Kontamination der Lebensmittel mit Listerien zu vermeiden. Im Rahmen von Eigenkontrollmaßnahmen müssen sie sicherstellen, dass verzehrsfertige Lebensmittel während der Haltbarkeitsdauer nicht mehr als 100 KbE/g Listeria monocytogenes enthalten. Bei Lebensmitteln für besonders empfindliche Personengruppen wie z. B. Säuglingsnahrung gilt hier sogar die Nulltoleranz (VO (EG) Nr. 2073/2005).

 

Die „Kontrolle der Kontrolle“ erfolgt u.a. über amtliche Proben, die von den unteren Lebensmittelüberwachungsbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte erhoben und in Baden-Württemberg von den Chemischen- und Veterinäruntersuchungsämtern untersucht werden. So wurden allein im CVUA Stuttgart im Jahr 2009 mehr als 5600 und im 1. Quartal 2010 fast 1300 Lebensmittelproben auf Listerien untersucht. Hiervon waren insgesamt 38 Proben (0,6 %) Listeria monocytogenes-positiv. 6 Lebensmittelproben (0,09%), die verzehrsfertig waren bzw. bei denen eine vollständige Durcherhitzung nicht gewährleistet war, wiesen überhöhte Werte an Listeria monocytogenes auf, so dass eine Gesundheitsgefährdung bei möglichem Verzehr nicht auszuschließen war (Tabelle 1).

 

Das Risiko, Lebensmittel mit erhöhten Listeria monocytogenes-Gehalten zu verzehren, erscheint demzufolge sehr gering. Allerdings sollten aufgrund der möglichen Schwere der Erkrankung zumindest Risikogruppen, sogenannte YOPIs (Young, Old,Pregnant and Immunocomprimised - d.h. junge, alte, schwangere und abwehrgeschwächte Personen), auf den Rohverzehr von Lebensmitteln tierischen Ursprungs verzichten und v.a. Räucherlachs oder graved Lachs aus Vakuum-Verpackungen meiden.

 

Tabelle 1: Nachweis von Listeria monocytogenes in Lebensmitteln, Jahr 2009 und 1. Quartal 2010, CVUA Stuttgart
Jahr,
lfd. Nr.
Warenbezeichnung Qualitativer Nachweis von L. m. in  25 g Lebensmittel Keimzahl
KbE/g
2009_001 Wildlachs positiv <100
2009_002 Räucherlachs positiv <100
2009_003 Hähnchenfleisch positiv 1800
2009_004 Puten-Brustfleischspieß positiv <100
2009_005 Puten-Brustfleischspieß positiv <100
2009_006 Puten-Brustfleischspieß positiv <100
2009_007 Puten-Brustfleischspieß positiv <100
2009_008 Puten-Brustfleischspieß positiv <100
2009_009 Käse gerieben positiv <100
2009_010 Bay.Bierkäse positiv <100
2009_011 Hinterschinken positiv <100
2009_012 Sushi mit Lachs positiv <100
2009_013 Bacon positiv <100
2009_014 Räucherlachs positiv <100
2009_015 Grobe Mettwurst positiv <100
2009_016 Forellen-Filets positiv 540
2009_017 Schnitzel natur gegart positiv <100
2009_018 Pfeffer-Räucherlachs positiv <100
2009_019 Räucherlachs (2x) positiv 200
2009_020 Thunfischstücke in Pflanzenöl positiv 360
2009_021 Aufschnitt positiv <100
2009_022 Aufschnitt positiv <100
2009_023 Sushi positiv <100
2009_024 Paprikalyoner positiv <100
2009_025 Hähnchenschenkel m.Haut o.Kn. positiv 100
2010_001 Wildlachs positiv <100
2010_002 Norweg.Graved Lachs positiv <100
2010_003 Bonifaz Rosa Beeren 70% positiv <100
2010_004 echter Räucher-Lachs positiv <100
2010_005 Hackfleisch gemischt positiv <100
2010_006 Räucherlachs positiv <100
2010_007 Wildlachs Premium positiv <100
2010_008 Hackfleisch positiv 2200
2010_009 Rinderhackfleisch z.braten positiv <100
2010_010 Salami positiv <100
2010_011 Hackfleisch gemischt positiv <100
2010_012 Spaghetti positiv 3600

KbE/g: Kolonie-bildende Einheiten je Gramm

Blau: Lebensmittel, die vor Verzehr durcherhitzt werden => Hygieneproblem, aber unschädlich bei bestimmungsgemäßem Verzehr

Rot: Verzehrsfertige Lebensmittel bzw. Produkte, bei denen die vollständige Durcherhitzung nicht gewährleistet ist => Gesundheitsgefahr kann bei Verzehr nicht ausgeschlossen werden

 

Artikel erstmals erschienen am 30.04.2010