Ist es wirklich ein Schinken auf der Pizza ?
Sachverständige der CVUAs
Worin unterscheidet sich ein Schinken von einem Formfleischerzeugnis oder einem Imitat?
Bei den „Kochpökelwaren" sind je nach Herstellungstechnologie zu unterscheiden:
- Hinterschinken, gekocht (aus Hinterkeule, Fleisch wie gewachsen)
- Vorderschinken, gekocht (aus Schulter, Fleisch wie gewachsen)
- Formfleischschinken (aus Hinterkeule, aus Teilstücken zusammengefügt) oder Formfleischvorderschinken (aus Schulter, aus Teilstücken zusammengefügt)
- „Imitat" (brühwurstartig zerkleinertes Erzeugnis mit Magerfleisch- und Speckeinlage mit bis zu 40 % Fremdwasser, geringer Fleischanteil von 65 bis 50 %)
Kochhinterschinken (auch „Schinken", „Hinterschinken" oder „Kochschinken")
Das Fleisch stammt aus der Hinterkeule des Schweins und ist im natürlichen Zusammenhang (!) belassen. Muskeln, bzw. Muskelgruppen die für sich als Schinken verkehrsfähig sind, dürfen dabei zu größeren Schinken zusammengefügt werden. Bei der Herstellung werden traditionell nur wenige Zutaten/Zusatzstoffe (z.B. Nitritpökelsalz und Ascorbinsäure zur Umrötung sowie Gewürze und Räucherrauch) verwendet. Weder ein Fremdwasseranteil noch zusätzliche fremde Eiweißstoffe (z.B. Sojaeiweiß) kommen beim „Schinken" zum Einsatz. Stammt der „Schinken" nicht vom Schwein, so ist - wie z.B. beim „Rinderschinken" - die Tierart angegeben.
Wird die sehnenreichere Schultermuskulatur vom Schwein verarbeitet, so wird diese Kochpökelware als „Vorderschinken" angeboten.
Abb. 1: Kochhinterschinken
Formfleischerzeugnisse („Formfleischschinken", „Formfleischvorderschinken")
Bei der Herstellung von Formfleischschinken werden - von anhaftendem Fett- und Bindegewebe befreite - Teilstücke vom Schinken zusammengefügt. Wird Fleisch von der Schulter eingesetzt, so entsteht ein Formfleischvorderschinken. Der notwendige Zusammenhalt der einzelnen Fleischteile wird durch das „Poltern" oder „Tumbeln" erreicht. Bei dieser mechanischen Behandlung tritt oberflächlich an den Fleischstücken Muskeleiweißsaft aus. Dieses Eiweiß „verklebt" beim Kochprozess die einzelnen Muskelfleischstücke zu einem größeren Verband. Der Gewebeverband der verwendeten Fleischstücke bleibt im Wesentlichen erhalten. Im Formfleischerzeugnis können in geringem Umfang (bis max. 5%) an den „Klebestellen" brätartige Strukturen vorhanden sein. Ein Formfleischschinken hat die gleiche Qualität wie ein „Schinken", er wurde nur aus zugeschnittenen Muskelfleischstücken des Schinkens hergestellt. Bei der Herstellung von Formfleischschinken werden die gleichen Zusatzstoffe / Zutaten wie bei Schinken verwendet. Je nach Rohmaterial sind die Erzeugnisse als „Formfleischschinken" oder als „Formfleischvorderschinken" zu bezeichnen. Von den beiden Produkten besitzt der Formfleischvorderschinken den größeren Marktanteil.
Abb. 2: Formfleischvorderschinken mit sichtbaren Muskelfleischstücken
Imitate
Imitate bestehen meist aus 50% bis 60% zerkleinerter, feinbrätartiger Masse mit ca. bohnen- oder walnussgroßen Schweinefleischstücken, sowie zahlreichen Zutaten (z.B. Sojaeiweiß, Milcheiweiß, Weizenstärke, Zuckerstoffe) und Zusatzstoffen (Nitritpökelsalz, Phosphate, Geschmacksverstärker, Verdickungsmittel etc. ). Bei der chemischen Analyse ist oftmals ein Fremdwassergehalt bis 40 % festzustellen.
Produziert werden diese Imitate überwiegend im europäischen Ausland. Über den Großhandel gelangen sie vorrangig in gastronomische Betriebe. Die von den Herstellern gewählten Bezeichnungen auf den Originalpackungen entsprechen mittlerweile weitestgehend den Kennzeichnungsvorschriften, z.B.: „Pizza Belag aus Vorderschinkenfleisch nach dänischer Art, zerkleinert und geformt, grob entfettet, ohne Schwarte, mit Wasser, mit Stärke". Die Täuschung begeht der Gastwirt, der diese brühwurstartig zerkleinerten Erzeugnisse als „Schinken" (z.B. bei „Schinken-Pizza", „Schinken-Nudelauflauf") auf seiner Speisekarte bezeichnet.
Weitere Erzeugnisse, die häufig Grund für eine Beanstandung liefern, sind Imitate von Käse und Lebensmittel, die diese enthalten.
(http://www.cvuas.de/pub/beitrag.asp?subid=0&Thema_ID=2&ID=1167&Pdf=No ).
Nachfolgend einige Bilder von Imitaten, die sich im Aussehen unterscheiden:
Abb. 3: Imitat. Aufgeschnittener Block, feinbrätartige Grundmasse mit ca. bohnengroßen Magerfleisch- und Speckeinlagen
Abb. 4: Imitat (neben feinbrätartiger heller Grundmasse, walnussgroße Magerfleischeinlage)
Abb. 5: Imitat mit „angeklebtem" Speckmantel und Schwarte
Warum werden Imitate verarbeitet?
Imitate besitzen gegenüber einem herkömmlichen Schinken einen deutlich niedrigeren Einkaufspreis. Zusätzlich bieten sie bei der Verarbeitung technologische Vorteile. Aufgrund des hohen zugesetzten Trinkwasseranteils kommt es beim Erhitzen nicht zu unerwünschten Verformungen, so dass das Verbrennen des als Pizzabelag verwendeten Erzeugnisses vermieden wird.
Ist ein Imitat erkennbar?
Imitate unterscheiden sich durch ihre typischen großen brühwurstartigen bzw. brätartigen Bereiche deutlich von einem Schinken oder einem Formfleischerzeugnis. Da auf einer Pizza oder in einem Nudelgericht häufig dünne Plättchen (2 cm x 2 cm) des Imitats verwendet werden, die von weiteren Zutaten (Käse, Soße) verdeckt werden, sind sie hier nur schwer zu erkennen. Im Zweifelsfall hilft eine Nachfrage beim Gastwirt, der das Ausgangsmaterial zeigen kann. Bei der Verkostung von Imitaten fällt auf, dass sie sehr weich im Biss sind, wenig Fleischaroma besitzen und zum Teil einen mehligen Geschmackseindruck aufweisen. Im Labor kann ein Imitat von einem Schinken beispielsweise durch die Jod-Stärkereaktion (Imitat: spontane Blauviolettfärbung bei Anwesenheit von Stärke) oder durch das Auflegen auf einen Durchlichttisch (Imitat: brätartige Bereiche erscheinen hell)) unterschieden werden.
Abb. 6: Pizza „Schinken". „Schinken" mit Käse überbacken. Zum Vergleich wurde das eingesetzte Schinkenimitat auf die Pizza aufgelegt.
Abb. 7: Jod-Stärkereaktion (links Imitat mit blauvioletter Farbe bei Anwesenheit von Stärke, rechts Schinken ohne typische Farbreaktion)
Abb. 8: Imitat auf dem Durchlichttisch. Deutlich sichtbar ist der hohe Anteil an hellen, brätartigen Bereichen der dünn aufgeschnittenen Scheibe eines Imitats.
Untersuchungsergebnisse
Das Thema Imitate beschäftigt die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter in Baden-Württemberg bereits seit längerer Zeit, wie die Tabelle zeigt. Eine Ursache für die hohe Beanstandungsquote liegt sicherlich auch darin, dass manche Gastronomen schlecht ausgebildet sind, oft die deutsche Sprache nur bedingt beherrschen und zudem in diesem Gewerbe eine große Fluktuation herrscht (Beispiel: Pizza-Express).
Jahr | Proben, gesamt | Beanstandungsgrund „Irreführung" |
---|---|---|
2008 | 141 | 60 (43 %) |
2007 | 79 | 53 (67 %) |
2006 | 49 | 27 (55 % ) |
2005 | 43 | 35 (81 %) |
2004 | 20 | 17 (85 %) |
2003 | 55 | 36 (65 %) |
Ergänzend wird auf das im Jahr 2008 mit den Bundesländern abgestimmte und vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit koordinierte Bundesweite Überwachungsprogramm 2009 „Beschaffenheit von Kochschinken und Schinkenimitaten in der Gastronomie" hingewiesen.
Rechtliche Aspekte
Soweit keine hygienischen Gründe (z.B. Verderbnis) dagegen sprechen, sind Imitate, die mit einer korrekten Verkehrsbezeichnung versehen sind,, grundsätzlich verkehrsfähig.
Wird ein verarbeitetes Imitat auf der Speisekarte als „Schinken-...." bezeichnet, so handelt es sich um eine Verbrauchertäuschung (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch).
Merkblatt für die Gastronomie
Um die Gastronomen bei der Gestaltung der Speisekarte zu unterstützen, steht ein Merkblatt („Kennzeichnung von Schinken, Formfleischerzeugnissen und Imitaten auf der Speisekarte oder am Schild an der Ware") der Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter Baden Württemberg zur Verfügung, dass im Januar 2009 aktualisiert wurde.
weitere Informationen:
- Merkblatt „Kennzeichnung von Schinken, Formfleischerzeugnissen und Imitaten auf der Speisekarte oder am Schild an der Ware":
- Jahresbericht der Lebensmittelüberwachung in Baden-Württemberg 2002:
- Jahresbericht der Lebensmittelüberwachung in Baden-Württemberg 2008:
- Bundesweites Überwachungsprogramm 2009: