Erregeridentifizierung: Molekularbiologische Methoden
Spätestens seit Erfindung der PCR (Polymerase-Chain-Reaction/ Polymerase-Ketten-Reaktion) in den 1980er Jahren haben molekularbiologische Analysen vermehrt Einzug in mikrobiologische Labore gehalten. Zunehmend einfach bieten diese genetischen Verfahren die Möglichkeit, Mikroorganismen nicht nur auf Grundlage ihres „äußeren Erscheinungsbildes“ (Phänotyp), wie beispielsweise auch ihrer biochemischen Eigenschaften, sondern tiefergehend mittels ihrer genetischen Ausstattung (Genotyp) zu charakterisieren.
Abb. 1: Thermocycler für die real-time-PCR
Im Fokus stehen hierbei im Rahmen der Erregerdifferenzierung am CVUA Stuttgart verschiedene Aspekte:
In manchen Fällen wird gezielt nach dem Vorhandensein bestimmter Erreger gesucht. In anderen kommt es darauf an, einen bereits isolierten Erreger einer bestimmten Art zuzuordnen. Insbesondere im Erkrankungszusammenhang rückt jedoch die Frage nach bestimmten Stoffwechseleigenschaften und Pathogenitätsmarkern in den Vordergrund.
Infokasten
PCR – Die Polymerase-Ketten-Reaktion
Bei der PCR können wenige Kopien von Genen oder Genabschnitten „im Reagenzglas“ (in vitro) so oft vervielfältigt werden, dass sie sichtbar gemacht werden können oder ihre Menge für eine eingehendere Sequenzanalyse ausreicht. Zunächst wird das Erbgut eines Organismus isoliert – bei Bakterien DNA (Desoxyribonukleinsäure), bei Viren DNA oder RNA (Ribonukleinsäure). Mittels sehr spezifischer Startmoleküle (Primer) werden dann gezielt die gewünschten Genomabschnitte „amplifiziert“, d. h. zunächst verdoppelt, dann vervierfacht, verachtfacht usw., bis nach ca. 30–40 Wiederholungen aufgrund der exponentiellen Vervielfältigung mehrere Milliarden Kopien des Ausgangsgens vorliegen.
War die PCR zunächst eher eine Technik für Forschungslabore, wurden am CVUA Stuttgart bereits 1998 die ersten Routine-PCR-Verfahren zur Identifizierung von Tierarten eingeführt. Seit 2001 gibt es im Bereich Lebensmittelmikrobiologie ein gesondertes Labor für molekularbiologische Verfahren zum Nachweis potenzieller Krankheitserreger. 2003 folgte dann die veterinärmedizinische Diagnostik und setzte für die Scrapie-Genotypisierung bei Schafen die DNA Sequenzierung ein, sowie verschiedene real-time-PCRs zum Nachweis von pathogenen Organismen. Gegen Ende 2018 wurde hier ein zentrales Labor für Molekularbiologie geschaffen, in dem nun ein großer Teil der anfallenden molekularbiologischen Analysen für die veterinärmedizinische Diagnostik im CVUA Stuttgart zusammengefasst bearbeitet werden. Um für den großen Durchsatz an Proben im Tierseuchenfall gerüstet zu sein, kommen dabei auch verschiedene Automaten und Pipettierroboter zum Einsatz (Abb. 2)
Abb. 2.: Pipettierroboter im Einsatz
Für die unterschiedlichen Anwendungen in den Laboren werden verschiedenste spezifische PCR-Techniken angewendet:
Abb. 3.: Agarose-Gel mit DNA-Banden im UV-Licht
▶ Die klassische Endpunkt-PCR, bei der die vervielfältigten Genabschnitte nach Abschluss der PCR-Reaktion mittels Gelanalyse sichtbar gemacht werden können (Abb. 3). Die hier amplifizierten DNA Fragmente können in zahlreichen anderen Analyseverfahren (z. B. Sequenzierung, Hybridisierung, Restriktionsfragmentanalyse) genutzt werden.
Abb. 4.: Fluoreszenzkurven einer real-time-PCR
▶ Die modernere Variante der klassischen PCR ist die real-time-PCR: hier kann mittels Fluoreszenzfarbstoffen schon während des PCR-Laufs – „in Echtzeit“ – der Erfolg der Amplifikation verfolgt werden (Abb. 4). Eine zeitaufwändige Gelanalyse kann hier entfallen. Je mehr Ziel-DNA in einer Probe ist, desto früher steigen die Kurven an.
Abb. 5.: Noroviren im Trans-missionselektronenmikroskop (TEM)
▶ Bei der Reversen-Transkriptase-(real-time)-PCR wird zunächst das vorliegende RNA-Erbgut in DNA umgeschrieben („transkribiert“), um dann einen Nachweis mittels Endpunkt- oder real-time-PCR anzuschließen. Diese Technik kommt beispielsweise häufig beim Nachweis von Viren zum Einsatz. Während die meisten Bakterien kulturell vermehrt werden können, ist dies bei vielen Viren (Abb. 5), auf die Lebensmittel oder Tierdiagnostikproben untersucht werden, keine Anzucht möglich. Ein Nachweis dieser Viren ist daher oftmals ausschließlich mittels Reverser-Transkriptase-PCR möglich.
Neben der eindeutigen Identifizierung von Mikroorganismen kommt den molekularbiologischen Methoden, insbesondere bei Untersuchungen im Erkrankungszusammenhang, besondere Bedeutung zu; die Erbgutuntersuchung kann häufig Aufschluss darüber geben, ob es sich bei den gefundenen Isolaten um pathogene Varianten handelt, die beispielsweise bestimmte Toxine bilden können oder die genetische Ausstattung besitzen um Tier- oder Menschenzellen zu infizieren.
Hinsichtlich epidemiologischer Betrachtungen bei Erkrankungsgeschehen hat sich in den letzten Jahren immer mehr das Next Generation Sequencing (NGS) als Mittel der Wahl erwiesen. Durch die Sequenzierung des kompletten Erbguts eines Organismus (Whole Genome Sequencing, WGS) gefolgt von beispielsweise der Analyse relevanter Kernbereiche (core genome Multilocus-Sequence-Typing, cgMLST) können Verwandtschaftsverhältnisse einzelner Bakterienisolate in Hochauflösung dargestellt werden. Eine derartige Vollgenomanalyse lässt sich auch bei Viren einsetzten, was im Rahmen eines Projektes seit 2018 etabliert wurde.
An der weiteren Etablierung dieser neuen molekularbiologischen Technik mit anspruchsvoller bioinformatischer Auswertung großer Datenmengen wird am CVUA Stuttgart derzeit intensiv gearbeitet.
Bildernachweis
CVUA Stuttgart (Hiller, Contzen, Akimkin)