Oregano – ein aromatisches, aber gehaltvolles Küchenkraut. Teil I: Pyrrolizidinalkaloide

Thomas Kapp, Dr. Florian Hägele, Eva-Maria Plate

 

Bereits frühere Untersuchungen des CVUA Stuttgart haben gezeigt, dass Küchenkräuter gelegentlich mit Pyrrolizidinalkaloiden (PA) belastet sein können. Deshalb hat das CVUA Stuttgart von November 2018 bis Juni 2019 nun handelsüblichen gerebelten Oregano auf insbesondere wegen ihrer leberschädigenden Eigenschaften gesundheitlich bedenkliche PA untersucht.

Die Untersuchungsergebnisse signalisieren Handlungsbedarf – aufgrund auffällig hoher Gehalte an PA musste fast jede zweite Oreganoprobe als nicht zum Verzehr geeignet beurteilt werden, weitere 22 % der Proben wurden sogar als gesundheitsschädlich eingestuft. Insgesamt wurden 71 % der gerebelten Oreganoproben aufgrund ihrer Gehalte an Pyrrolizidinalkaloiden als nicht sichere Lebensmittel beanstandet. Die Belastung ist dabei höchstwahrscheinlich auf eine Mitverarbeitung PA-bildender Fremdpflanzen bei der Ernte zurückzuführen.

 

Infokasten

Pyrrolizidinalkaloide

Pyrrolizidinalkaloide (PA) sind eine Gruppe aus mehreren hundert strukturell eng verwandten Einzelverbindungen. Sie dienen den Pflanzen als Schutz gegen Fressfeinde und kommen natürlicherweise in über 6.000 Pflanzenarten vor, die hauptsächlich drei Familien zuzuordnen sind:

  • den Korbblütlern (Asteraceae),
  • den Raublatt- oder Borretschgewächsen (Boraginaceae) und
  • den Hülsenfrüchtlern (Fabaceae oder Leguminosae).

Problematisch und damit unerwünscht in Lebensmitteln sind PA aufgrund ihrer chronisch leberschädigenden Wirkung. Als besonders problematisch gilt die Untergruppe der ungesättigten PA und deren N-Oxiden, die im Verdacht stehen, das Erbgut zu schädigen, und sich im Tierversuch als krebserregend (kanzerogen) erwiesen haben.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt in diesem Zusammenhang eine Tagesdosis von 0,024 µg ungesättigten PA/kg Körpergewicht (KG) nicht zu überschreiten. Für einen Erwachsenen mit einem Körpergewicht von 60 kg entspricht dies der außerordentlich geringen Menge von 1,44 µg PA pro Tag. Noch kleiner fällt die entsprechende PA-Menge bei Kindern oder Kleinkindern aus.

Als nichtkanzerogene Schäden nach PA-Exposition treten insbesondere Leberschädigungen auf, die zu Lebernekrosen führen können. Für die Bewertung dieser Wirkungen hat das BfR einen gesundheitsbasierten Richtwert (Health Based Guidance Value, HBGV) in Höhe von 0,1 μg/kg KG abgeleitet. Unterhalb dieser Dosis sind noch keine nichtkanzerogenen Schädigungen zu erwarten. [2]

Das Untersuchungsspektrum am CVUA Stuttgart umfasst derzeit 42 toxische Einzelverbindungen (inklusive N-Oxiden). Um PA-Belastungen der untersuchten Proben besser darstellen und vergleichen zu können, wurden die gemessenen Einzelwerte zu Summengehalten zusammengefasst.

PA-bildende Pflanzen werden – mit Ausnahme von Borretsch – üblicherweise nicht als Lebensmittel verzehrt. Erhöhte PA-Gehalte deuten daher in der Regel auf eine Miternte und Weiterverarbeitung von Fremdpflanzen hin. Aufgrund der ausgeprägten Toxizität müssen Lebensmittelunternehmen Maßnahmen ergreifen, um die Belastungen mit PA so weit wie möglich zu vermeiden. Für Kontaminanten – also auch für PA – gilt in der EU grundsätzlich ein Minimierungsgebot. Dabei sind die Gehalte soweit zu begrenzen, wie dies durch die gute Praxis von der Herstellung bis zum Inverkehrbringen vernünftigerweise erreichbar ist (ALARA-Prinzip: As Low As Reasonably Achievable). Dies gilt in besonderem Maße für genotoxisch-kanzerogene Stoffe, da hier selbst geringe Aufnahmemengen, insbesondere bei regelmäßigem Verzehr, prinzipiell mit einem erhöhten Risiko für das Eintreten unerwünschter gesundheitlicher Wirkungen verbunden sein können.

Zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher arbeitet die EU-Kommission bereits daran, für PA in verschiedenen Lebensmitteln Höchstgehalte festzulegen. Diskutiert wird derzeit für Gewürzkräuter wie Oregano ein Höchstgehalt von 1.000 µg/kg.

 

Untersuchtes Probenmaterial

Als Gewürzkraut zeichnet sich Oregano (Origanum vulgare L.), auch Dost oder Wilder Majoran genannt, durch einen kräftigen, aromatisch-herben Geschmack aus, der zahlreichen Gerichten insbesondere der mediterranen Küche ein charakteristisches Aroma verleiht. Als würzende Zutat auf Pizza oder in Pasta-Saucen ist Oregano daher nahezu unverzichtbar. In der Küche findet das beliebte Würzkraut zumeist Verwendung in getrockneter und gerebelter Form, wobei Oregano auch häufig Bestandteil von Gewürzmischungen ist. Problematisch hierbei ist, dass bei zerkleinerten Kräutern wie gerebeltem Oregano für den Verbraucher keine realistische Möglichkeit mehr besteht, Fremdpflanzenteile zu erkennen oder gar auszusortieren (Abb. 1). Dies gilt umso stärker für verarbeitete, oreganohaltige Erzeugnisse wie Fertiggerichte oder Gewürzmischungen [1].

Im Fokus der Untersuchungen stand sortenreiner, gerebelter Oregano. Insgesamt 41 Proben gerebelter Oregano aus dem Einzel- und Großhandel sowie von verarbeitenden Lebensmittelbetrieben wurden auf Pyrrolizidinalkaloide (PA) untersucht.

 

Abb.1: Frische Kräuter mit intakten Strukturen können noch leicht anhand ihrer Blattform identifiziert werden (hier: Oregano). Bei zerkleinerten Kräutern ist häufig nicht mehr optisch erkennbar, ob Fremdbestandteile enthalten sind.

Abb. 1: Frische Kräuter mit intakten Strukturen können noch leicht anhand ihrer Blattform identifiziert werden (hier: Oregano). Bei zerkleinerten Kräutern ist häufig nicht mehr optisch erkennbar, ob Fremdbestandteile enthalten sind.

 

Untersuchungsergebnisse

Die Untersuchungen gerebelter Oreganoproben auf PA zeigten äußerst ungewöhnliche Ergebnisse. Verglichen mit anderen in Bezug auf PA als problematisch geltenden Lebensmitteln wie z.B. Kräutertee oder Blütenhonig wiesen die untersuchten Oreganoproben überdurchschnittlich hohe Gehalte an PA von bis zu 32.400 µg/kg auf. Im Mittel wurde bei den 41 Proben ein PA-Gehalt von 6.160 µg/kg bestimmt. Der Median betrug 5.430 µg/kg.

 

Abb. 2: Gehalte an Pyrrolizidinalkaloiden in gerebeltem Oregano; Probenzahl: 43

Abb. 2: Gehalte an Pyrrolizidinalkaloiden in gerebeltem Oregano; Probenzahl: 41

 

Gut jede zweite Probe (21 Proben; 51 %) wies einen PA Gehalt zwischen 1.000 und 10.000 µg/kg auf (Abb. 2). PA-Gehalte von mehr als 10.000 µg/kg wurden in 10 Proben bestimmt, was einem Anteil von 24 % entspricht. Nur etwa jede vierte Probe wies PA-Gehalte von unter 1.000 µg/kg auf. In allen belasteten Proben trugen die Alkaloide Europin und Lasiocarpin sowie deren N-Oxide (Abb. 3) am stärksten zur Gesamtbelastung mit PA bei. Lediglich in einer Probe (Herkunft: Deutschland) waren keinerlei PA nachweisbar.

 

Abb.3: Strukturformeln der am häufigsten in Oregano festgestellten Pyrrolizidinalkaloide und deren N-Oxide. Entscheidend für die Toxizität der Verbindungen ist die ungesättigte 1,2-Position des Grundgerüsts (blau nummeriert).

Abb. 3: Strukturformeln der am häufigsten in Oregano festgestellten Pyrrolizidinalkaloide und deren N-Oxide. Entscheidend für die Toxizität der Verbindungen ist die ungesättigte 1,2-Position des Grundgerüsts (blau nummeriert).

 

Höchstgehalte für die Summe an Pyrrolizidinalkaloiden oder einzelne Pyrrolizidinalkaloide wurden in Deutschland oder der EU bislang noch nicht festgelegt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) weist aber darauf hin, dass bei längerfristigem Verzehr von Produkten mit hohen PA-Gehalten insbesondere bei Kindern, Schwangeren und Stillenden das Risiko einer gesundheitlichen Gefährdung durch die lebertoxische Wirkung der 1,2-ungesättigten PA besteht (siehe Infokasten). Die lebensmittelrechtliche Beurteilung der Oreganobefunde erfolgte daher auf Basis der vom BfR abgeleiteten toxikologischen Richtwerte hinsichtlich kanzerogener Wirkungen der PA (0,024 µg PA/kg Körpergewicht (KG) und Tag) und nichtkanzerogenen, lebernekrotischen Wirkungen der PA (HBGV von 0,1 μg/kg KG; siehe Infokasten).

Für die höchstbelastete Probe mit einem PA-Gehalt von 32.400 µg/kg bedeutet dies, dass durch den Verzehr von gerade einmal 0,044 g Oregano die hinsichtlich kanzerogener Wirkungen noch als unbedenklich betrachtete Tagesdosis (0,024 µg PA/kg KG) für einen Erwachsenen mit einem Gewicht von 60 kg vollständig ausgeschöpft wird. Bei Verzehr von 1 g dieser Probe (entspricht etwa der Menge eines Teelöffels), würde diese Dosis bereits um etwa das 19-fache überschritten.

Der in Bezug auf nichtkanzerogene, lebernekrotische Wirkungen abgeleitete Richtwert (HBGV) wäre zudem bereits durch den Verzehr von nur 0,19 g der betreffenden Probe zu 100 % ausgeschöpft. Diese Menge an gerebeltem Oregano entspricht dabei etwa der Menge nur eines Fünftel Teelöffels.

 

Infolge der erheblichen Kontamination mit PA mussten insgesamt 20 der 41 Oreganoproben (49 %) als für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel eingestuft und somit als nicht sichere Lebensmittel beurteilt werden. Jede fünfte Probe (9 Proben, 22 %) wurde aufgrund von extrem hohen PA-Gehalten sogar als gesundheitsschädlich beurteilt. Aus diesen Zahlen resultiert für gerebelten Oregano aufgrund der Kontamination mit PA eine Beanstandungsquote von 71 %.

 

Bei Oregano (Origanum vulgare L.) handelt es sich um eine Pflanzenart aus der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae), für die in der Fachliteratur bisher keine Bildung von PA beschrieben wurde. Deshalb ist davon auszugehen, dass die PA-Befunde in den Oreganoproben auf eine Mitverarbeitung PA-bildender Fremdpflanzen bei der Ernte zurückzuführen sind. Wie die Untersuchungen zeigten, waren hauptsächlich die Alkaloide Europin, Europin-N-oxid, Lasiocarpin und Lasiocarpin-N-oxid für die PA-Kontaminationen in gerebeltem Oregano verantwortlich. Interessanterweise zeigten dabei alle belasteten Proben ein übereinstimmendes Alkaloidmuster. Dies deutet darauf hin, dass der Ursprung der festgestellten Kontaminationen auf eine im Oreganoanbau verbreitete Fremdpflanze zurückzuführen ist. Angesichts der nachgewiesenen Alkaloide handelt es sich hierbei mit großer Wahrscheinlichkeit um ein Gewächs aus der Familie der Raublattgewächse (Boraginaceae).

 

Weiterführende Informationen zu früheren Untersuchungen von Pyrrolizidinalkaloiden in Kräutern, Tee und Honig finden Sie hier:

 

Fazit

Die festgestellten, fast durchgängig auffallend hohen Gehalte an Pyrrolizidinalkaloiden in gerebeltem Oregano (Mittelwert 6.160 µg/kg; Median 5.430 µg/kg) zeigen, dass es sich bei der zugrundeliegenden Kontamination mit PA-bildenden Fremdpflanzen nicht um ein Einzelfallproblem, sondern vielmehr um ein Problem größeren Maßstabs handelt, das zahlreiche Produkte betrifft. PA-Belastungen in dieser Größenordnung können zudem nicht mehr als Kontaminationen im Spurenbereich, beispielsweise durch vereinzelte Fremdpflanzen, bezeichnet werden. Angesichts einer PA-bedingten Beanstandungsquote von 71 % bei gerebeltem Oregano erscheint es aus Sicht des CVUA Stuttgart dringend geboten, eine umfassende Ursachenforschung auf Erzeugerebene und Anbaukontrollen mit besonderem Augenmerk auf Fremdpflanzenbewuchs zu betreiben. Ziel hierbei sollte sein, den Anteil an PA-bildenden Fremdpflanzen im Oreganoanbau vor der Ernte auf ein gesundheitlich vertretbares Minimum zu reduzieren. Ergänzend hierzu sollten von Herstellern und Händlern im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht Eigenkontrolluntersuchungen von Oregano-Chargen vor der Vermarktung durchgeführt werden und auffällige Ware ggf. aus dem Verkehr genommen werden.

Diese Maßnahmen sind auch erforderlich, weil sich die PA-Gesamtexposition von Verbrauchern durch andere Lebensmittel wie Kräutertees oder Honig zusätzlich erhöhen kann. Angesichts der sehr hohen PA-Gehalte ist davon auszugehen, dass gerebelter Oregano selbst bei vergleichsweise geringen Verzehrsmengen eine relevante zusätzliche Expositionsquelle für Erwachsene, Kinder und Jugendliche darstellt. Da selbst geringe Aufnahmemengen an genotoxisch und kanzerogen wirkenden Substanzen mit einer Erhöhung gesundheitlicher Risiken verbunden sein können, sollte die Gesamtexposition gegenüber PA grundsätzlich so niedrig wie möglich gehalten werden [3, 4].

Für den besorgten Verbraucher ergeben sich derweil nur wenige Handlungsmöglichkeiten. Bei gerebeltem Oregano kann der Endverbraucher eine Verunreinigung mit anderen Pflanzen nicht erkennen und deshalb auch das Risiko einer PA-Belastung nicht einschätzen. Wer hier auf Nummer sicher gehen möchte, kann auf frischen Oregano aus dem Kräutertopf oder dem eigenen Garten ausweichen und diesen ggf. selbst trocknen.

 

Teil II der Oregano-Untersuchungsreihe thematisiert die Pestizidbelastung sowie Verbrauchertäuschung.

 

Quellen

[1] Stern, 21. Dezember 2018: „Das große Oregano-Mysterium: Wie das Gewürz mit Laub gepanscht wird

[2] Stellungnahme Nr. 020/2018 des BfR vom 14. Juni 2018: „Aktualisierte Risikobewertung zu Gehalten an 1,2-ungesättigten Pyrrolizidinalkaloiden (PA) in Lebensmitteln

[3] Stellungnahme Nr. 030/2016 des BfR vom 28. September 2016: „Pyrrolizidinalkaloide: Gehalte in Lebensmitteln sollen nach wie vor so weit wie möglich gesenkt werden

[4] Stellungnahme Nr. 017/2019 des BfR vom 13. Mai 2019: „Pyrrolizidinalkaloidgehalt in getrockneten und tiefgefrorenen Gewürzen und Kräutern zu hoch

 

Artikel erstmals erschienen am 23.07.2019