„Clean Labeling“ bei Fleischwaren

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Rolf Buschmann

 

Zur Umrötung von Fleischerzeugnissen darf Nitrit in Form von Nitritpökelsalz und/oder Nitrat verwendet werden. Dieser Zusatz muss kenntlich gemacht werden. Im Rahmen von "Clean Labeling" wird versucht die Kenntlichmachung zu umgehen. Hierzu werden technologisch aufgearbeitete pflanzliche Rohstoffe mit hohen Nitratgehalte unzulässiger Weise eingesetzt, um die gewünschte pökelrote Farbe von Fleischerzeugnissen zu erhalten.

Zur Umrötung von Fleischerzeugnissen darf Nitrit in Form von Nitritpökelsalz und/oder Nitrat verwendet werden. Dieser Zusatz muss kenntlich gemacht werden. Im Rahmen von "Clean Labeling" wird versucht die Kenntlichmachung zu umgehen. Hierzu werden technologisch aufgearbeitete pflanzliche Rohstoffe mit hohen Nitratgehalte unzulässiger Weise eingesetzt, um die gewünschte pökelrote Farbe von Fleischerzeugnissen zu erhalten.Aus marktstrategischen Gründen wird versucht, die Kennzeichnungspflicht von Zusatzstoffen, auf deren Wirkung man nicht verzichten möchte, zu umgehen. Hierzu werden Extrakte oder Konzentrate von Lebensmitteln hergestellt, die natürlicherweise die gewünschten Zusatzstoffe enthalten. Diese Extrakte tragen die jeweiligen Zusatzstoffe in die Produktionskette ein. In der folgenden Liste sind für Fleischerzeugnisse einige Bespiele ausgeführt:

Infokasten

Zusatzstoffklasse Zusatzstoff Beispiele von Lebensmitteln mit hohem Gehalt des Wirkstoffs
Konservierungsmittel Nitrate Rote Beete und Weiße Beete
Kohlarten
Stängel von Petersilie
Geschmacksverstärker Glutaminsäure, bzw. deren Salze Hefe
Tomaten
Antioxidationsmittel Ascorbinsäure, bzw. deren Salze Azerolakirsche

Am Beispiel von nitratreichen pflanzlichen Rohstoffen  wird "Clean Labeling" bei der technologisch gesteuerten Umrötung von Fleischerzeugnissen dargestellt.

 

Wie läuft die klassische Umrötung bei Fleischerzeugnissen?

 

Die Nitritpökelung

Bei der Herstellung von gepökelten Fleischerzeugnissen wird rohes Fleisch i.d.R. mit dem Zusatzstoff Natriumnitrit, in Form von Nitritpökelsalz, versetzt. Das Nitrit wird durch die Zugabe eines Reduktionsmittels, wie  Ascorbinsäure oder deren Salze zu dem reaktiven Stickoxid reduziert. Stickoxid bildet begierig mit dem fleischeigenen Myoglobin den stabilen Farbkomplex Nitrosomyoglobin. Im Fachjargon wird er auch Pökelrot genannt. Diese Reaktion läuft selbst bei niedrigen Temperaturen relativ rasch ab.

 

Die Nitratpökelung

Auch für die Pökelung mit Nitraten (Salpeter) besteht eine lange Tradition. Die Nitratpökelung läuft über eine der Nitritpökelung vorgeschaltete zusätzliche Prozessstufe. Klassischer Weise wird das rohe zu pökelnde Fleisch mit einer Salpeter-Salzmischung behandelt. Das so einbrachte Nitrat wird durch nitratreduzierende Enzyme von Mikrorganismen zu Nitrit reduziert. Daran schließt sich dann die oben beschriebene Nitritpökelung an.

 

Schematische Darstellung der Umrötungsreaktion.

Schematische Darstellung der Umrötungsreaktion.

 

Infokasten

Warum dürfen Nitrit und/oder Nitrat zur Herstellung von Fleischerzeugnissen eingesetzt werden?

Nitrite haben bei der Herstellung von Fleischerzeugnissen vier technologische Wirkungen. Sie wirken

  • aromatisierend (Ausbildung eines Pökelaromas)
  • antioxidativ
  • färbend (Bildung von Nitrosomyglogbin) und
  • konservierend (spezifische Wirkung gegen Clostridium botulinum)

Nach den Vorgaben der EU ist Nitrit nur als deklarationspflichtiger Konservierungsstoff zugelassen.

 

Das Vorgehen beim "Clean Labeling"

Ein Hersteller in unserem Dienstgebiet hat  Konzentrate von Gemüsesäften mit hohen Nitratgehalten aus Rote und Weiße  Beete hergestellt. Im Rahmen des Herstellungsprozesses der Gemüsesaftkonzentrate werden die Aromastoffe zusammen mit einem Großteil des enthalten Wassers abdestilliert und verworfen. Das entaromatisierte Gemüsesaftkonzentrat enthält bis zu 21 Gramm Nitrat berechnet als Natriumnitrat je Kilogramm. Vermischt wird es als "Bio-Pökelmischung" (mit ca. 8 Gramm Nitrat berechnet als Natriumnitrat je Kilogramm) in den Verkehr gebracht. Nach Herstellerangaben ist es mit einer Nitrat reduzierenden Starterkultur anzuwenden. Technologisch hat das entaromatisierte Gemüsesaftkonzentrat in der vom Hersteller empfohlenen Konzentration weder eine würzende noch eine unmittelbar färbende Wirkung.

 

Zur Herstellung eines als  "Gewürzzubereitung" bezeichneten  Präparates setzt ein anderer Hersteller ein "Petersilienextrakt Pulver" als Nitratquelle zu. Dieses "Petersilienextrakt Pulver" wird aus Petersilienstängeln bei 90 °C extrahiert und anschließend im Vakuum zur Trockene eingedampft. Bei dieser Behandlung werden die enthaltenen Aromakomponenten entfernt. Das trockene Pulver enthält  über 41 Gramm Nitrat berechnet als Natriumnitrat je Kilogramm und weist einen aromatischen, leicht brenzligen, an Tabak erinnernden Geruch und einen süßlich-karamelligen, im Nachgang bitter-fruchtigen Geschmack auf. Eine an Petersilie erinnernde Geruchs- und/oder Geschmacksausprägung ist sensorisch weder in konzentrierter noch in verdünnter Form zu erkennen.

 

In beiden Fällen handelt es sich ursprünglich um Lebensmittel, deren Nitratgehalte durch technologische Behandlungen sehr stark erhöht wurden. Diese Auszüge bzw. Extrakte werden bei der Herstellung von Fleischerzeugnissen wie Zusatzstoffe eingesetzt.

 

Werden durch derartige technologische Schritte absichtlich erzeugte hohe Nitratgehalte in Fleischerzeugnisse eingebracht, so erfolgt dies nach unserer Einschätzung einzig zum Zweck der Umrötung (Bildung von Nitrosomyglobin). Hierzu wird technologisch folgende Reaktionskette gestartet:

 

  1. Das eingebrachte Nitrat wird in dem noch nicht gegarten Fleischerzeugnis durch geeignete Mikroorganismenkulturen oder Enzyme (Nitratreduktasen) zu Nitrit zu reduzieren.
  2. Das gebildete Nitrit wird dann bei geeignetem Redoxpotential (z.B. durch Zusatz von Ascorbinsäure bzw. deren Salze oder auch durch Einsatz von stark ascorbinsäurehaltigen getrockneten Lebensmitteln wie Azerolakirschenpulver)  zu Stickoxyd reduziert.
  3. Das Stickoxyd reagiert mit dem fleischeigenen Myoglobin zu dem gewünschten pökelroten Farbstoffkomplex Nitrosomyglobin.

 

Die technologischen Verfahren, zu deren Zweck die beiden angesprochenen Präparate eingesetzt werden sollen, entsprechen nicht den unionsrechtlichen Vorschriften über Lebensmittelzusatzstoffe. Dies geht auch aus dem Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Az. 313-22700/0011 vom 9. Juni 2010 hervor. Hierin wird auf die diesbezügliche Einschätzung der Kommissionsgruppe "Lebensmittelzusatzstoffe" – in der alle Mitgliedstaaten vertreten sind – hingewiesen.

 

Die von den Herstellern vorgesehene Verwendung der beiden angesprochenen Präparate ist unzulässig. Fleischerzeugnisse, die unter Anwendung dieser Präparate  hergestellt werden, dürfen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) nicht in den Verkehr gebracht werden. Dies wird auch durch die aktuelle Rechtsprechung bestätigt [Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 9.4.2013 (Az. 9 A 54/12)].

 

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Artikel erstmals erschienen am 21.01.2014