Die Infektion mit „Megabakterien“ - Keine seltene Todesursache bei Ziervögeln

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Andreas Hänel

 

Zusammenfassung: „Megabakterien“ (Macrorhabdus ornithogaster) sind 40-90 µm lange grampositive Erreger, die den Magen-Darm-Trakt vieler Vogelarten besiedeln können und zu den Hefepilzen gezählt werden. Die Macrorhabdiose, eine durch fortschreitende Abmagerung trotz guter Futteraufnahme charakterisierte Erkrankung, wird bei Wellensittichen und Kanarienvögeln auch als „Going-Light-Syndrome“ bezeichnet. Am CVUA Stuttgart wurde bei der Sektion von Ziervögeln im Zeitraum von Januar 2004 bis Juni 2011 in 85 Fällen eine Macrorhabdiose festgestellt. Betroffen waren 18 Vogelarten aus den Ordnungen der Papageien und Sperlingsvögel. Mehr als die Hälfte der Nachweise entfiel auf Wellensittiche, gefolgt von Zebrafinken, Kanarienvögeln, Stieglitzen und Dompfaffen. Da eine Anzüchtung des Erregers nicht möglich ist, erfolgte der Nachweis direkt in Abstrichen der Drüsenmagenschleimhaut, die nach Gram gefärbt wurden. Die Erreger waren lichtmikroskopisch bei etwa 1000-facher Vergrößerung leicht zu identifizieren. Die Diagnose am lebenden Tier kann durch Kot- oder Kropfabstriche erfolgen. Therapeutisch wird Amphotericin B verabreicht, verbunden mit einer Ansäuerung des Trinkwassers.

Bei den „Megabakterien“ handelt es sich um ca. 40 - 90 µm lange und 3 - 4 µm breite grampositive Erreger, die früher als Bakterien angesehen wurden, heute aber den Saccharomyceten, sogenannten anamorphen Hefepilzen, zugerechnet werden und den wissenschaftlichen Namen Macrorhabdus ornithogaster (engl. Avian Gastric Yeast) erhalten haben. Die durch sie verursachte Erkrankung wird Macrorhabdiose genannt.

 

“Megabakterien“ werden am häufigsten bei Vögeln der Gattungen Psittaciformes (Papageien) und Passeriformes (Sperlingsvögel) nachgewiesen, in geringerem Umfang aber auch bei Galliformes (Hühnervögel), Anseriformes (Enten und Gänse), Struthioniformes (Laufvögel) und - nach neueren Literaturangaben - bei Columbiformes (Tauben). Macrorhabdus ornithogaster kommt im gesamten Magen-Darm-Trakt inklusive Kropf vor, hauptsächlich ist der Erreger jedoch auf der Schleimhaut und im Lumen der oberflächlichen Drüsen des Drüsenmagens, am Übergang zum Muskelmagen, lokalisiert.

 

Die Macrorhabdiose führt bei den betroffenen Vögeln zu einer Reduktion des Körpergewichts bis hin zur Kachexie bei offensichtlich unverminderter Futteraufnahme. Dieses Krankheitsbild wird bei Kanarienvögeln und Wellensittichen auch als „Going-Light-Syndrome“ beschrieben. Man geht davon aus, dass bei hochgradigem Befall mit Megabakterien die Salzsäure-Freisetzung im Drüsenmagen vermindert wird, wodurch das aufgenommene Futter nur noch deutlich schlechter verdaut werden kann. Der mit dem Säuremangel einhergehende Anstieg des pH-Wertes begünstigt Sekundärinfektionen durch Bakterien und Pilze.

 

Weitere Symptome können schlechter Allgemeinzustand, Durchfall mit unverdauten Körnern im Kot, fast schwarz gefärbter Kot sowie Würgen und Erbrechen sein. Im Krankheitsverlauf wechseln häufig Phasen relativer Besserung mit erneuten Krankheitsschüben ab. Auch plötzliche Todesfälle ohne zuvor bemerkte Symptome sind möglich.

 

Die Macrorhabdiose ist als multifaktorielles Geschehen anzusehen. Der Ausbruch der Erkrankung wird durch auf die Vögel einwirkende Stressoren wie Mauser, Überbelegung der Volieren, mangelnde Hygiene, Neuzugänge oder Verkauf begünstigt.

 

Am CVUA Stuttgart wird routinemäßig bei allen zur Sektion einkommenden Vögeln aus den Ordnungen Psittaciformes (Papageien) und Passeriformes (Sperlingsvögel) auf Macrorhabdus ornithogaster untersucht. Dabei wurde der Erreger im Zeitraum Januar 2004 bis Juni 2011 bei insgesamt 85 Ziervögeln aus privaten Haltungen oder zoologischen Gärten festgestellt. Es handelte sich um 18 Arten aus 5 Familien (Tabelle 1).

 

Die Ergebnisse der Untersuchung sind in der folgenden Tabelle dargestellt:
Ordnung Familie Art Anzahl
Psittaciformes
(Papageien)
Psittacidae
(Eigentliche Papageien)
Wellensittich 49
Rosenköpfchen 4
Pfirsichköpfchen 1
Sperlingspapagei 1
Bourkesittich 1
Prachtrosella 1
Cacatuidae
(Kakadus)
Nymphensittich 2
Palmkakadu 1
Passeriformes
(Sperlingsvögel)
Fringillidae
(Finken)
Kanarienvogel 5
Stieglitz 4
Dompfaff 3
Kreuzschnabel 1
Estrildidae
(Prachtfinken)
Zebrafink 7
Reisfink 1
Gemalter Astrild 1
Ceresamadine 1
Schmetterlingsfink 1

Ploceidae

(Webervögel)
Webervogel (Art nicht bestimmt) 1

 

Da sich Macrorhabdus ornithogaster bisher weder auf mikrobiologischen Nährböden noch in Zellkulturen anzüchten lässt, kann die Diagnose nur durch den direkten Nachweis im Untersuchungsmaterial gestellt werden. Bei der Sektion wurde daher von allen Papageien und Sperlingsvögeln ein Abstrich der Drüsenmagenschleimhaut auf einem Objektträger durchgeführt. Dieses Präparat wurde hitzefixiert und nach Gram gefärbt. Lichtmikroskopisch waren im positiven Fall bei ca. 1000-facher Vergrößerung die charakteristisch aussehenden Erreger leicht nachweisbar.

 

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Abb. 1:            Nach Gram gefärbter Drüsenmagenabstrich eines Kanarienvogels mit zahlreichen „Megabakterien“ (Macrorhabdus ornithogaster), ca. 1000-fache Vergrößerung.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Tierkörper waren bei der Sektion in der Regel stark abgemagert. Am Drüsenmagen wurden von Fall zu Fall unterschiedliche Veränderungen festgestellt, wie vermehrte Schleimabsonderung, Verdickung und Ödematisierung der Schleimhaut oder auch Geschwüre. Der Dünndarm war häufig katarrhalisch entzündet. In einigen Fällen ließen sich sekundär noch andere pathogene Erreger, wie z.B. Escherichia coli oder Staphylokokken nachweisen. Diese waren meist auf den Darm beschränkt, manchmal  aber auch septikämisch verteilt und somit in Herz, Leber und Lunge nachweisbar.

 

Am lebenden Tier lässt sich Macrorhabdus ornithogaster in gram-gefärbten Kotausstrichen oder Kropfabstrichen nachweisen. Eine Behandlung erkrankter Tiere ist mit Amphotercin B, einem gegen Pilzinfektionen wirksamen Medikament, möglich. Das Mittel wird in einer Konzentration von 1g pro Liter im Trinkwasser verabreicht. Auch eine direkte Eingabe in den Kropf ist möglich. Experimentell war in der Regel nach 10 Behandlungstagen keine Ausscheidung der Erreger über den Kot mehr nachweisbar. Dennoch wird empfohlen, eine Behandlungsdauer von 4 Wochen nicht zu unterschreiten. Parallel zur Medikation sollte das Trinkwasser angesäuert werden (pH 2), z.B. mit Zitronensäure. Auch der Zusatz von Grapefruitkern-Extrakt zum Trinkwasser hat sich nach Literaturangaben in einigen Fällen bewährt. Ein Erfolg der Therapie ist jedoch nicht sicher, die Prognose daher vorsichtig zu stellen. In jedem Fall ist eine Optimierung der Haltungsbedingungen anzustreben.

 

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Abb. 2: Wellensittiche: Die Infektion mit Macrorhabdus ornithogaster
führt zum „Going-Light-Syndrome“.

 

Quellen:

  • Hanka, K., Köhler, K., Kaleta, E.F., Sommer, D., Berkhardt, E.: Macrorhabdus ornithogaster: Nachweise bei Ziervögeln, Hausgeflügel und Stadttauben sowie morphologische Charakterisierung und Versuche zur in-vitro-Kultivierung. Praktischer Tierarzt 91: 5, 390-400 (2010)
  • Pees, M.: Leitsymptome bei Papageien und Sittichen. Enke Verlag Stuttgart (2004).
  • Gestier, A.W.: Megabakterien beim Wellensittich. AZ Nachrichten 8/2000, 394-395 (2000)
  • Baker, J.R.: Megabacteria in diseased and healthy budgerigars. The Veterinary Record 140, 627 (1997)

 

Bildernachweis:

Dr. Reinhard Sting, CVUA Stuttgart.

 

Artikel erstmals erschienen am 05.08.2011