Zinn in Lebensmitteln aus Konservendosen

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Gerhard Braun

 

Das CVUA Stuttgart hat in den Jahren 2008 bis Mitte 2010 einen Schwerpunkt auf die Bestimmung des Zinngehalts in Lebensmitteln aus Konservendosen gelegt und 185 Obst-, Gemüse- und Pilzerzeugnisse untersucht. Konservendosen werden aus verzinntem Stahlblech hergestellt; Lebensmittel, die Fruchtsäuren enthalten, können daher Zinn aus dem Dosenmaterial herauslösen. Eine übermäßige Kontamination ist aus gesundheitlichen Gründen unerwünscht und durch einen gesetzlich festgelegten Grenzwert von 200 mg Zinn pro kg Lebensmittel begrenzt. Sechs Proben wurden wegen Überschreitung des Grenzwerts als nicht verkehrsfähig beurteilt. Wie weiter festgestellt wurde, beeinflusst die Art des Dosenmaterials stark den Zinngehalt des Lebensmittels: während Dosen mit einer zusätzlichen Kunststoff-Innenbeschichtung praktisch kein Zinn in das Lebensmittel abgeben, führen Dosen, die lediglich teilbeschichtet sind, zu einer deutlichen Kontamination mit diesem Schwermetall.

 

Zinn - gesund oder giftig?

Schmuckelement.

Zinn ist ein weiches, silberweiß glänzendes Metall mit niedrigem Schmelzpunkt (232 °C), welches auf Grund seiner hohen Dichte zur Gruppe der Schwermetalle gerechnet wird.

 

Durch seine physikalischen Eigenschaften, insbesondere seine Verformbarkeit, wie auch durch seine Beständigkeit gegen Luftsauerstoff und Feuchtigkeit, findet Zinn seit Alters her verschiedenartigste Verwendung - so auch bei der Herstellung von Gebrauchsgegenständen und Haushaltswaren.

 

Wie zahlreiche andere Schwermetalle (z.B. Kupfer, Zink, Chrom oder Selen) ist auch Zinn mittlerweile als essentiell erkannt, d.h. es muss dem menschlichen Organismus zugeführt werden - wenn auch offenbar in sehr geringen Konzentrationen, da Mangelerscheinungen nicht bekannt sind.

 

Auf der anderen Seite ist auch die Frage nach einem „Zuviel“ von Interesse:
Während einige organische Zinnverbindungen wie beispielsweise Tributylzinn, welches früher für Schiffsanstriche verwendet wurde, eine hohe Toxizität aufweisen, ist metallisches Zinn, wie auch die meisten Zinnverbindungen demgegenüber kaum giftig. Bei empfindlichen Menschen kann Zinn jedoch laut Literaturangaben zu Beschwerden im Magen-Darm-Trakt führen.
Im Sinne eines vorbeugenden Gesundheitsschutzes empfiehlt die Expertenkommission der Weltgesundheitsorganisation, die tägliche Aufnahme von Zinn aus Lebensmitteln auf 2 mg pro kg Körpergewicht zu begrenzen. Für eine Person mit 60 kg Gewicht entspricht dies 120 mg Zinn; ein Kind mit 30 kg Körpergewicht sollte demnach täglich nicht mehr als 60 mg Zinn aufnehmen.

 

Wieviel Zinn enthalten unsere Lebensmittel?

Die Zinngehalte unserer Lebensmittel sind im Allgemeinen sehr niedrig, sie liegen in der Größenordnung von üblicherweise unter 1 mg pro kg Lebensmittel.
Ganz anders sehen die Gehalte für Lebensmittel aus, die in Konservendosen in den Verkehr kommen. Als Dosenmaterial wird sogenanntes Weißblech verwendet. Dabei handelt es sich um Stahlblech, welches zur Vermeidung einer Korrosion beidseitig mit einer wenige Tausendstel Millimeter dünnen Zinnauflage beschichtet ist. Insbesondere bei sauren Lebensmitteln, wie Obst oder Tomaten, aber auch bei Pilzen, bei denen der Aufgussflüssigkeit Zitronensäure zugesetzt wird, kann Zinn aus dem Dosenmaterial herausgelöst werden und in das Lebensmittel übergehen. Der Gesetzgeber hat daher einen Höchstgehalt für Zinn von 200 mg/kg in diesen Lebensmitteln festgelegt. Um den Übergang von Zinn in das Lebensmittel zu begrenzen bzw. ganz zu vermeiden, verwenden die Lebensmittelhersteller üblicherweise Dosen, welche mit einer zusätzlichen Kunststoffbeschichtung („Lackierung“) versehen sind - entweder als Teilbeschichtung (Boden, Deckel und Lot) oder als Vollbeschichtung der gesamten Doseninnenseite:

 

Abbildung 1.

Abbildung1: vollbeschichtete Dose (links), teilbeschichtete Dose (Deckel und Boden)

 

Untersuchungsergebnisse

Das CVUA Stuttgart hat in den Jahren 2008 bis Mitte 2010 185 Lebensmittel aus Konservendosen auf ihren Zinngehalt untersucht. Diese Untersuchungen wurden an 69 Obst-, 52 Gemüse- und 64 Pilzerzeugnissen vorgenommen; davon kamen 96 Proben in unbeschichteten bzw. teilbeschichteten Weißblechdosen in den Verkehr, 56 Proben in vollbeschichtetem Dosenmaterial. Zum Vergleich standen noch 33 Erzeugnisse in Gläsern zu Verfügung, bei denen ein Zinnübergang sicher auszuschließen ist. Bei den meisten der Proben wurde zusätzlich der Zinngehalt in der Aufgussflüssigkeit bestimmt. 

Die Ergebnisse lassen sich in drei Gruppen darstellen:

 

Tomatenkonserven

Geschälte, ganze oder gestückelte Tomaten in Tomatensaft.
diese 31 Erzeugnisse kamen in teilbeschichteten oder vollbeschichteten Weißblechdosen in den Verkehr. Da es sich bei Tomaten um ein säurereiches Lebensmittel handelt, kann bei direktem Kontakt mit der Dose Zinn in das Lebensmittel übergehen. Untersucht wurden sowohl die Tomaten, wie auch der als Aufguss verwendete Tomatensaft:

 

Balkendiagramm.

 

Wie die Grafik zeigt, bestehen große Unterschiede im Zinngehalt in Abhängigkeit vom Dosenmaterial. Bei den vollbeschichteten Dosen lagen alle Werte unter der Bestimmungsgrenze von 5 mg/kg, bei den teilbeschichteten Dosen wiesen die Tomaten und der Tomatensaft dagegen Gehalte bis 120 mg/kg auf. Die Gehalte in den Tomaten und im Tomatensaft unterscheiden sich dabei nicht wesentlich.
Zwar war kein Erzeugnis wegen Grenzwertüberschreitung zu beanstanden, dennoch sind die Unterschiede in Bezug auf das Dosenmaterial erheblich.

 

Obstkonserven

Z.B. Ananasscheiben oder -stücke, Aprikosen, Pfirsiche oder Fruchtcocktails.
Die überwiegende Anzahl dieser Erzeugnisse (63) kam in teilbeschichteten Dosen in den Verkehr, lediglich 6 Proben in vollbeschichteten Dosen oder in Gläsern. Die Untersuchung erfolgte an den Früchten und an der Aufgussflüssigkeit:

 

 
Zinngehalte (mg/kg)
Minimalwert
Maximalwert
Mittelwert
 
Aufguss
Frucht
Aufguss
Frucht
Aufguss
Frucht

Vollbeschichtete Dose oder Glas

< 5

< 5

5

31

3

12

Teilbeschichtete Dose

9

20

110

283

41

84

 

In zwei Fällen ergaben sich Beanstandungen infolge Grenzwertüberschreitungen (280 mg/kg und 283 mg/kg). Im Übrigen ist wiederum die Abhängigkeit des Zinngehalts vom Dosenmaterial deutlich erkennbar: So ergibt sich für die mittleren Zinngehalte folgendes Bild:

 

Balkendiagramm.

 

Pilzkonserven

Zur Untersuchung kamen 64 Champignons, Pfifferlinge und Mischpilze mit wässriger Aufgussflüssigkeit. Dabei waren Champignons meist in teilbeschichteten Dosen abgefüllt, Pfifferlinge befanden sich demgegenüber in vollbeschichteten Dosen oder in Gläsern:

 

 
Zinngehalte (mg/kg)
Minimalwert
Maximalwert
Mittelwert
 
Aufguss
Pilze
Aufguss
Pilze
Aufguss
Pilze

Vollbeschichtete Dose oder Glas

< 1

< 5

10

20

2

7

Teilbeschichtete Dose

4

81

30

330

14

178

 

Es ergaben sich sehr große Unterschiede. Während Pilze in Gläsern oder in vollbeschichteten Dosen sehr geringe Zinngehalte aufwiesen, waren diese in teilbeschichtetem Dosenmaterial deutlich erhöht. Außerdem sind die Zinngehalte in teilbeschichteten Dosen in den Pilzen selbst - d.h. im primär zu verzehrenden Anteil - wesentlich höher als in der Aufgussflüssigkeit:

 

Balkendiagramm

 

Bei vier Proben in teilbeschichteten Dosen mit Zinngehalten von 210 mg/kg, 225 mg/kg, 230 mg/kg und 330 mg/kg wurden Grenzwertüberschreitungen festgestellt.

 

Zinn - von der Dose in das Lebensmittel

Wie die Ergebnisse unserer Untersuchungen zeigen, waren von insgesamt 185 Proben sechs Erzeugnisse auf Grund von überhöhten Zinngehalten zu beanstanden. Weiterhin ist erkennbar, dass bei Lebensmitteln, welche in teilbeschichteten Dosen in den Verkehr kommen, der Verzehr einer größeren Menge u.U. ausreicht, um in den Bereich der maximal empfohlenen Zinnaufnahme zu kommen - was insbesondere für Kinder auf Grund ihres geringeren Körpergewichts von Bedeutung erscheint. Vollbeschichtete Dosen bzw. Gläser bieten diesbezüglich mehr Sicherheit. Leider kann der Verbraucher Art und Umfang der Beschichtung nicht von außen erkennen.

 

Verbraucherschutz - auch zu Hause

Gleichwohl hat auch der Verbraucher entscheidenden Einfluss auf den Zinngehalt des zu verzehrenden Lebensmittels. So ist zu berücksichtigen, dass der Prozess des Zinnübergangs von der Dose in das Lebensmittel unter Zutritt von Luftsauerstoff wesentlich schneller verläuft als in der original verschlossenen Dose. Das CVUA Stuttgart hat diesen Prozess beispielhaft an einer Probe Tomatenkonserve untersucht. Nach Öffnen der teilbeschichteten Dose wurde das Lebensmittel darin belassen und in verschiedenen Zeitabständen auf seinen Zinngehalt untersucht. Als Vergleich diente eine Tomatenkonserve in vollbeschichteter Dose:

 

Diagramm.

 

Wie die Grafik zeigt, stieg der Zinngehalt des Lebensmittels in der geöffneten teilbeschichteten Dose innerhalb weniger Tage steil an, während die Tomaten in der vollbeschichteten Dose bereits beim Öffnen einen deutlich geringeren Zinngehalt aufwiesen und diesen unverändert behielten.

Nach dieser Zeit war die Korrosion im ersteren Fall auch optisch durch eine Graufärbung (im unteren Bereich, bis zur aktuellen Füllhöhe) auf der Innenseite der Dosenwand erkennbar:

 

Abbildung Doesninnenseite.

 

Verbraucher, die Lebensmittel in unbeschichteten oder teilbeschichteten Konservendosen nach dem Öffnen nicht sofort verbrauchen, sollten diese keinesfalls in der angebrochenen Dose aufbewahren, sondern in ein geeignetes Gefäß (Glas, Porzellan, Kunststoff) umfüllen.

 

Bilder:

CVUA Stuttgart

 

Artikel erstmals erschienen am 10.09.2010