Allergene in Lebensmitteln - Bilanz 2019
Hans-Ulrich Waiblinger (CVUA Freiburg), Anke Rullmann (CVUA Karlsruhe), Dr. Gabriele Engler-Blum (CVUA Sigmaringen), Ursula Blum-Rieck (CVUA Stuttgart)
Lebensmittel, die speziell für Allergiker und damit für eine besonders empfindliche Verbrauchergruppe angeboten werden, stehen im besonderen Fokus der Lebensmittelüberwachung. Treffen Angaben wie „milchfrei“ oder „glutenfrei“ nicht zu, kann akut eine Gesundheitsgefahr von diesen Produkten für den betroffenen Personenkreis ausgehen. Aber auch ohne eine solche „frei von-Bewerbung“ können Lebensmittel Allergiker ansprechen, sofern keinerlei Hinweis auf das betreffende Allergen erfolgt (fehlende Spurendeklaration).
Daher haben die 4 Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter Baden-Württemberg die umfangreichen Untersuchungen von Lebensmitteln auf Allergene auch 2019 fortgeführt. Insgesamt erfolgten 5.220 Untersuchungen auf nicht deklarierte Allergene.
16 Proben mussten wegen nachweisbarer Allergene als potentiell gesundheitsschädlich beurteilt werden. In acht Fällen handelte es sich um deutlich erhöhte, nicht deklarierte Anteile an Senf (drei Proben einer Würzpaste auf Sojabasis, zwei Proben Bratwürste sowie je einmal Grillware, Salami und Frischkäsezubereitung). Milch war in fünf Proben in erhöhten Mengen enthalten, ohne dass dies aus der Kennzeichnung erkennbar war (Müsli, Eiweißdrink auf Sojabasis, Eiswaffeln, veganes Eis sowie Grundmasse für die Herstellung von Speiseeis). Gleiches galt für eine Probe Haselnusseis mit dem Allergen Soja. In zwei mit dem Hinweis „ohne Weizen“ beworbenen Backwaren (Himbeer-Mandel-Schnitte/Cashew-Quinoa-Gebäck) waren jeweils deutliche Anteile an Weizen nachweisbar.
Die Kennzeichnung der Lebensmittel hatte trotz Vorhandenseins des jeweiligen Allergens in allergologisch relevanten Mengen dessen Abwesenheit suggeriert und damit gerade auch Allergiker angesprochen.
Derartige Befunde werden in der Regel auf Lebensmittelwarnung.de, einem Portal der Bundesländer, veröffentlicht.
Weitere Abnahme bei nicht deklarierten Allergenen
Gegenüber dem Vorjahr hat der Anteil der nachgewiesenen, aber nicht gekennzeichneten Allergene erfreulicherweise abgenommen: In insgesamt 531 Fällen (10,2 % der Untersuchungen, Vorjahr 12 %) waren Allergene nachweisbar, ohne dass dies aus dem Zutatenverzeichnis, der Allergendeklaration unverpackter Lebensmittel oder einem freiwilligen Allergen-Hinweis hervorging.
Lediglich positive Befunde bei nicht deklarierten Allergenen mit Anteilen über dem jeweiligen Beurteilungswert werden derzeit weiter verfolgt (Näheres hierzu s. Infokasten). Dies war bei 6,0 % (2018: 6,5 %) der Untersuchungen der Fall (314 von 5.220).
Unterschiede zwischen verpackten und offen, d.h. unverpackt abgegebenen Lebensmitteln waren auch im 5. Jahr nach Einführung der Kennzeichnungspflicht bei offen abgegebenen Lebensmitteln weiterhin feststellbar. Die „Bagatellgrenze“ war bei offener Ware mehr als doppelt so häufig überschritten wie bei vorverpackten Lebensmitteln (8,3 % gegenüber 4,0 % der Untersuchungen).
Bundesweite Beurteilungswerte der Untersuchungslabors – wichtige Unterstützung in der Praxis
Bei 217 von insgesamt 5.220 Untersuchungen auf nicht deklarierte Allergene (= 4,2 %) waren geringe Spuren allergener Bestandteile unter dem sogenannten Beurteilungswert nachweisbar. Sind diese internen Bagatellgrenzen der Labors der Lebensmittelüberwachung unterschritten, erfolgen in der Regel keine weiteren Maßnahmen. Allerdings sind Allergene in Lebensmitteln nach den derzeitigen Regelungen – auch bei Überschreitung der Beurteilungswerte – erst dann kennzeichnungspflichtig, wenn das nachgewiesene Allergen über eine (rezepturmäßig verwendete) Zutat in das Lebensmittel gelangt ist. Herstellungsbedingte Kontaminationen in Lebensmitteln oder deren Zutaten führen nicht zu einer Kennzeichnungspflicht, werden aber häufig freiwillig mit Hilfe der sogenannten „Spurendeklaration“ gekennzeichnet.
Vergleich der Allergenbefunde bei verpackter und unverpackter Ware, angegeben als prozentuale Anteile aller Untersuchungen. Es wurden nur Proben untersucht, die keine Hinweise auf die jeweiligen Allergene in der Kennzeichnung enthielten. „Positiv“ = festgestellte Allergen-Konzentration in der Probe liegt über einem intern festgelegten Beurteilungswert; „Spur“ = Allergen nachweisbar, aber festgestellte Allergenkonzentration liegt unter diesem Beurteilungswert (s. Infokasten).
Verpackte Lebensmittel ̶ Situation kaum verändert
Der Anteil an nachweisbaren, nicht deklarierten Allergenen hat bei verpackten Lebensmitteln mit 7,7 % gegenüber den Vorjahren weiter abgenommen. Damit hat sich seit 2015 dieser Anteil in etwa halbiert.
Tabelle: Allergenuntersuchungen 2015 bis 2019 ̶ verpackte Ware ohne Hinweise auf Allergene
Allergenbefunde bei vorverpackt angebotenen Lebensmitteln von 2015 bis 2019, jeweils angeben als prozentuale Anteile aller Proben, weitere Erläuterungen s. vorherige Grafik
Wie in den Vorjahren war Milch am häufigsten mit Anteilen über dem jeweiligen Beurteilungswert nachweisbar (15% der Proben); weiterhin war bei dem Nachweis glutenhaltiger Getreidearten dieser Anteil zweistellig (siehe auch Grafik unten). Auch bei Senf und Haselnuss war wie zuletzt überdurchschnittlich häufig eine Ermittlung am Ort der Herstellung vonnöten, weil die Untersuchungsergebnisse jeweils über den Beurteilungswerten lagen.
Vergleich positiver Allergenbefunde bei verpackter und unverpackter Ware, angegeben als prozentuale Anteile an den auf das jeweilige Allergen geprüften Proben. Es wurden nur Proben untersucht, die keine Hinweise auf die jeweiligen Allergene in der Kennzeichnung enthielten. Nur Befunde mit Allergen-Anteilen über einem intern festgelegten Beurteilungswert wurden als „positiv“ bewertet (s. Infokasten).
Wieder leichte Verbesserung beim offenen Angebot
Ebenfalls etwas abgenommen hat der Anteil an Proben von unverpackt abgegebenen Lebensmitteln, bei denen das nachgewiesene Allergen nicht angegeben war (s. auch Grafik unten). Auch hier hat sich der Anteil an nachweisbaren, nicht deklarierten Allergenen mit nunmehr 13 % gegenüber 2015 nahezu halbiert.
Mit 42% sehr hoch war der Anteil an Proben unverpackter Lebensmittel, die Milch ohne entsprechende Deklaration enthielten. Auch glutenhaltiges Getreide sowie Ei waren in jeweils etwa jeder vierten Probe nachweisbar, ohne dass eine Kennzeichnung bei der Abgabe im Betrieb auf die Verwendung dieser Allergene bei der Herstellung des Lebensmittels hinwies.
Allergenbefunde bei offen (unverpackt) angebotenen Lebensmitteln von 2015 bis 2019, jeweils anggeeben als prozentuale Anteile aller Proben, weitere Erläuterungen s. Grafik „Vergleich der Allergenbefunde bei verpackter und unverpackter Ware“
Produktgruppen näher betrachtet
In den Grafiken sind beispielhaft die Ergebnisse für Proben von Fertiggerichten aus der Gastronomie, Fleischerzeugnissen, Backwaren und Speiseeis dargestellt:
Grafik: JB Allergene 2019, Nachweis von Allergenen in Fertiggerichten. Jeweils Anzahl von Proben mit positivem, negativem oder Spurenbefund (< Beurteilungswert)
Viele Fertiggerichte wurden wieder auf Allergene geprüft. Wie zuletzt wurden Milch, glutenhaltige Getreidearten sowie Ei sehr häufig nachgewiesen, obwohl sie nicht deklariert waren. Bei Milch und glutenhaltigem Getreide hat der Anteil positiver Proben jeweils um 10% gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Allerdings wurden auch viele Proben untersucht, bei denen die jeweiligen Allergene aufgrund der üblichen Rezeptur zu erwarten warten (z.B. glutenhaltiges Getreide in Kaiserschmarrn, Pizza oder sog. Ebly (=vorgegarter Weizen)). Die Anteile positiver Proben bei Senf und Sellerie haben sich gegenüber 2018 praktisch nicht verändert (7 % gegenüber 6 % bei Senf und 6 % gegenüber 5 % bei Sellerie).
Ebenfalls vergleichbar mit dem Vorjahr waren die Ergebnisse bei offen, d.h. unverpackt abgegebenen Fleischerzeugnissen. Mit 21 % unverändert häufig wurde Senf in Anteilen über dem Beurteilungswert nachgewiesen (Vorjahr 21 %).
Grafik: JB Allergene 2019, Fleisch und Wurstwaren (offene Ware). Jeweils Anzahl von Proben mit positivem, negativem oder Spurenbefund (< Beurteilungswert)
Auf dieselben Allergene wurden schwerpunktmäßig auch offen abgegebener Käse (mit Kräutern bzw. Gewürzen) geprüft. Auch hier war Senf am häufigsten nachweisbar, insgesamt waren jedoch deutlich weniger Auffälligkeiten als bei Fleischerzeugnissen festzustellen.
Grafik: JB Allergene 2019, Käse (mit Kräutern bzw. Gewürzen). Jeweils Anzahl
von Proben mit positivem, negativem oder Spurenbefund (< Beurteilungswert)
Erfreulicherweise wurden bei offen vermarkteten Backwaren (einschließlich feinen Backwaren) nur relativ wenige auffällige Befunde erhalten. Wieder war Soja häufig in Spurenanteilen nachweisbar (28 % der Proben).
Grafik: JB Allergene 2019, Backwaren (offene Ware). Jeweils Anzahl von Proben mit positivem, negativem oder Spurenbefund (< Beurteilungswert)
Grafik: JB Allergene 2019, Speiseeis (offene Ware). Jeweils Anzahl von Proben mit positivem, negativem oder Spurenbefund (< Beurteilungswert)
Bei offen abgegebenem Speiseeis war Haselnuss prozentual am häufigsten ohne entsprechende Deklaration nachweisbar. Für immerhin 24 % der Proben lagen die Gehalte über dem Beurteilungswert und erforderten daher weitere Ermittlungen im Betrieb.
Auch Erdnuss war überraschenderweise in mehreren Eisproben enthalten, ohne dass dies deklariert war. Erdnuss wird hierzulande bisher eher selten bei der Eisherstellung verwendet, daher gab es zuletzt kaum positive Befunde. Bei den positiven Befunden für Erdnuss handelte es sich durchweg um Werte im Bereich der Beurteilungsgrenze. Verfolgsproben zu den einzelnen Eisproben ergaben, dass die Erdnussspuren vermutlich durch die verwendeten Eisgrundmassen verursacht wurden, bei welchen Erdnussanteile jedoch in der jeweiligen Spurenkennzeichnung der Grundmasse genannt waren. In einzelnen Grundmassen wurden Erdnussanteile bis zu ca. 500 mg/kg nachgewiesen. Je nach Anteil der verwendeten Grundmasse im Endprodukt können bei Eissorten mit nuss- und schokoladehaltigen Grundmassen immer wieder unerwartete Erdnussanteile auftauchen.
Schokolade, die nach Zutatenverzeichnis ohne Milch hergestellt war, wurde wieder auf dieses Allergen geprüft. Das Milchprotein Casein war wie in den vergangenen Jahren in allen Proben nachweisbar, und dies teilweise in erheblichen Größenordnungen über 1000 mg/kg (s. nachfolgende Grafik).
Relativ hohe Caseingehalte in Bitterschokoladen legten wieder den Schluss nahe, dass hier bei der Produktion eine Verschleppung mit Milchschokolade stattgefunden hat. Dadurch wurde der deklarierte Kakaogehalt der Produkte zum Teil deutlich unterschritten.
Grafik: JB Allergene 2019, Milchcasein in Schokolade
Glutenfreie Lebensmittel
Infokasten
Nicht zu verwechseln mit der Weizenallergie ist die Zöliakie, eine lebenslange Unverträglichkeit gegenüber Gluten, auch Klebereiweiß genannt. Glutenhaltige Getreidearten wie Weizen, aber auch Dinkel und alte Weizensorten wie Emmer und Einkorn, sowie Roggen und Gerste müssen von Zöliakiepatienten lebenslang gemieden werden. Ähnlich wie bei Allergenen kann bereits eine geringe Zufuhr an Gluten im Milligramm-Bereich Symptome auslösen. Daher dürfen Lebensmittel, die als „glutenfrei“ angeboten werden, nur maximal 20 Milligramm Gluten pro Kilogramm Lebensmittel enthalten. Für Betroffene ist erfreulich, dass es ein großes Angebot „glutenfreier“ Lebensmittel gibt. Nimmt man Weizenallergiker sowie die Personen hinzu, die an einer sogenannten „Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität“ leiden, sind es hierzulande etwa 5 Prozent der Bevölkerung, für die ein entsprechendes Produktangebot wichtig ist. Das zunehmende Angebot soll allerdings auch (gesunde) Verbraucher ansprechen, die meinen, Ihrer Gesundheit mit „glutenfreien“ Produkten etwas Gutes tun zu können. Dies ist jedoch nach wie vor wissenschaftlich umstritten.
Umfassende und aktuelle Informationen zum Thema Zöliakie, Gluten und glutenfreie Lebensmittel sind auf den Seiten der Deutschen Zöliakie Gesellschaft e.V. zu finden.
Erfreulicherweise war erstmals seit vielen Jahren in keiner Probe eine Überschreitung des Höchstwertes von 20 mg/kg für glutenfreie Lebensmittel festzustellen.
Insgesamt wurden 165 Proben untersucht. In 8 Proben (= 4,8 %), u.a. „glutenfreien“ Backwaren, Nudeln oder Eiweißriegel, war Gluten in Anteilen unter dem Höchstwert enthalten. Der Anteil auffälliger Proben hat damit im Vergleich der letzten 5 Jahre leicht abgenommen (siehe Abbildung).
Grafik: JB Allergene 2019, Gluten in „glutenfreien“ Lebensmitteln. Anteile von Gluten-positiven Proben bzw. Proben, bei denen der Grenzwert von 20 mg/kg überschritten war. Untersuchungen der Jahre 2015 bis 2019
Weitere Informationen
Merkblatt: Allergenkennzeichnung bei nicht vorverpackten Lebensmitteln
Bildnachweis
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