Allergene in Lebensmitteln - Bilanz 2015

Hans-Ulrich Waiblinger (CVUA Freiburg), Julia Kajzar (CVUA Karlsruhe), Dr. Gabriele Engler-Blum (CVUA Sigmaringen), Ursula Blum-Rieck (CVUA Stuttgart)

 

Im Dezember 2014 trat die Kennzeichnungspflicht für Allergene in sogenannter offener oder loser Ware, d.h. unverpackt abgegebenen Lebensmitteln in Kraft. Bisher erhielten Verbraucherinnen und Verbraucher nur bei verpackten und vollständig etikettierten Lebensmitteln Informationen über allergene Zutaten. Schwerpunktmäßig hat die baden-württembergische Lebensmittelüberwachung die Umsetzung dieser neuen Regelung kontrolliert.

 

PatisserieDie Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter (CVUAs) haben insgesamt 2.058 Untersuchungen bei Proben von offener Ware aus Gastronomie und Kantinen sowie von Eisdielen, Metzgereien und Bäckereien durchgeführt. Untersucht wurden Proben auf mögliche allergene Bestandteile, welche die Kennzeichnung oder die bereitgestellten Informationen nicht auswiesen.

 

Das Ergebnis: Verglichen mit verpackten Produkten war der Anteil nachgewiesener, nicht angegebener Allergene deutlich höher. Bei insgesamt 301 von 2.058 Untersuchungen (= 15 %) waren nicht gekennzeichnete Allergene mit Anteilen über dem jeweiligen Beurteilungswert (Näheres hierzu s. unten) nachweisbar. Bei verpackten Produkten war dies nur bei 6 % der Fall (102 von 1.703 Untersuchungen). Bei weiteren 210 Tests auf Allergene (= 10 %) in unverpackten Lebensmitteln waren nicht deklarierte Allergene nachweisbar, allerdings in sehr geringen Spurenanteilen unter dem Beurteilungswert. Dieser Anteil war mit 9 % bei verpackten Produkten in etwa gleich (siehe Grafik sowie Tabelle).

 

Grafik

Vergleich positiver Allergenbefunde bei verpackter und unverpackter Ware, angeben als prozentuale Anteile aller Proben. Es wurden nur Proben untersucht, die keine Hinweise auf die jeweiligen Allergene in der Kennzeichnung enthielten. „Positiv" = festgestellte Allergen-Konzentration in der Probe liegt über einem intern festgelegten Beurteilungswert; „Spur" = Allergen nachweisbar, aber festgestellte Allergenkonzentration liegt unter diesem Beurteilungswert (s. Infokasten).

Verpackte Lebensmittel - Situation nahezu unverändert

Nahezu unverändert blieb im Vergleich mit den Vorjahren die Situation bei verpackten Lebensmitteln.
Der Anteil von Untersuchungen mit Befunden über dem jeweiligen Beurteilungswert betrug in den Jahren 2013 bis 2015 zwischen sechs und acht Prozent; auch der Anteil an Befunden im Spurenbereich blieb in den letzten drei Jahren in einem sehr engen Rahmen (acht bis 10 Prozent); siehe Tabelle.

 

Tabelle: Allergenuntersuchungen 2015 - verpackte Ware ohne Hinweise auf Allergene

Tabelle

 

Milch, glutenhaltige Getreidearten, Senf, Ei und Sellerie waren die prozentual am häufigsten nachgewiesenen allergenen Bestandteile (siehe auch Grafik unten). Auch hier gab es im Vergleich zu den Vorjahren kaum Veränderungen.

 

GrafikVergleich positiver Allergenbefunde bei verpackter und unverpackter Ware, angeben als prozentuale Anteile an den auf das jeweilige Allergen geprüften Proben. Es wurden nur Proben untersucht, die keine Hinweise auf die jeweiligen Allergene in der Kennzeichnung enthielten. Nur Befunde mit Allergen-Anteilen über einem intern festgelegten Beurteilungswert wurden als „positiv" bewertet (s. Infokasten).

 

Fotoreihe Allergene

Unverpackte Ware - nicht deklarierte Allergene häufig anzutreffen

Bereits im Vorfeld der neuen Regelung wurden entsprechende Untersuchungen stichprobenartig durchgeführt und 2015 weiter vertieft. Die Ergebnisse zeigen, dass im ersten Jahr der neuen Regelung häufig noch Verbesserungsbedarf bestand:
15 % betrug der Anteil an Proben von unverpackt abgegebenen Lebensmitteln, bei denen das nachgewiesene Allergen nicht angegeben war (s. Grafik „Vergleich verpackte/unverpackte Waren").
Mit 63 % sehr hoch war dieser Anteil für das Allergen Milch. Dies gilt auch für Ei und glutenhaltige Getreidearten (s. Grafik "Anteil Proben über Beurteilungswert").
Untersucht wurden zu Beginn der neuen Kennzeichnungsregelung für offene Ware teilweise auch Speisen, deren Rezeptur üblicherweise die Verwendung von Milch, Ei oder glutenhaltigen Getreidearten vorsieht, wie etwa Pfannkuchen, Pizza oder Sauce Hollandaise. Dies erklärt die hohen Werte für diese potenziell allergenen bzw. Unverträglichkeiten auslösenden Stoffe (siehe insbesondere auch Grafik unten zur Untersuchung von Proben bei Fertiggerichten). Aber auch Kontaminationen, die zubereitungsbedingt gerade bei handwerklicher Herstellung - etwa in Küchen, Bäckereien oder Metzgereien - auftreten können, sind mögliche Ursache für die Ergebnisse.

 

In den Grafiken sind die beispielhaft Ergebnisse für Proben von Fertiggerichten aus der Gastronomie, Fleischerzeugnissen, Backwaren sowie Speiseeis dargestellt:


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Nachweis von Allergenen in offener Ware: Fertiggerichte, Fleischerzeugnisse, Backwaren sowie Speiseeis. Die Beprobung erfolgte jeweils vor dem Stichtag für die Einführung der Kennzeichnungspflicht. Jeweils Anzahl von Proben mit positivem, negativem oder Spurenbefund (< Beurteilungswert).

 

Die am häufigsten nicht deklarierten nachweisbaren allergenen Bestandteile waren Milch bei Fertiggerichten, Senf bei Fleischerzeugnissen sowie Soja bei Speiseeis und Backwaren (s. Grafiken).
Hingegen waren die häufigen positiven Befunde bei Soja und Senf wahrscheinlich auch durch in den Betrieben verwendete Zutaten bedingt, bei denen diese Stoffe seitens der Lieferanten teilweise nicht deklariert waren. So war Senf bei Gewürzen und Gewürzzubereitungen in 18 % der Proben nachweisbar, ohne dass dies in der Kennzeichnung angegeben war.

Bundesweite Beurteilungswerte der Untersuchungslabors

Bei knapp 10 Prozent (362 von insgesamt 3.761) der Untersuchungen waren geringe Spuren allergener Bestandteile unter dem sogenannten Beurteilungswert nachweisbar.

Bei dem bundesweit unter den Labors der amtlichen Lebensmittelüberwachung abgestimmten Konzept der Beurteilungswerte handelt es sich um interne Aktionswerte und nicht um Grenzwerte. Das Konzept orientiert sich sowohl an aktuellen Erkenntnissen aus der gesundheitlichen Bewertung als auch am analytisch Machbaren. In den meisten Fällen liegen die Werte im Bereich der analytischen Bestimmungsgrenzen der derzeit verwendeten Methoden auf Basis von ELISA und/oder real-time PCR.

 

Sobald bei den Untersuchungen Ergebnisse erhalten werden, welche die Beurteilungswerte überschreiten, erstellt das Labor ein entsprechendes Gutachten für die Lebensmittelüberwachungsbehörde. Ob ein Verstoß gegen die Bestimmungen zur Allergenkennzeichnung vorliegt, kann in der Regel nur durch die Lebensmittelüberwachungsbehörde am Ort der Herstellung ermittelt werden: Denn die Kennzeichnungspflicht gilt nur, wenn das nachgewiesene Allergen über eine (rezepturmäßig verwendete) Zutat in das Lebensmittel gelangt ist. Nach wie vor müssen Allergenspuren, die nachweislich durch eine unbeabsichtigte Verunreinigung in das Lebensmittel eingetragen worden sind, nicht gekennzeichnet werden.

 

Der Ansatz der Beurteilungswerte wurde im vergangenen Jahr intensiv auch mit Vertretern nicht-staatlicher Laboratorien, von Verbraucherverbänden sowie der Lebensmittelindustrie erörtert und von diesen ebenfalls als praktikable Vorgehensweise begrüßt. Auch in die aktuelle Diskussion auf EU-Ebene um mögliche Regelungen zur freiwilligen Kennzeichnung unbeabsichtigter Allergenspuren ist das Konzept eingebracht worden.

 

Weitere Informationen zu den Beurteilungswerten

 

Glutenfreie Lebensmittel

Infokasten

Logo Glutenfrei„Glutenfreie" Lebensmittel boomen. So haben sich weltweit die Umsätze durch Produkte, die eigens als glutenfrei konzipiert sind, von 2007 bis 2013 auf 2,1 Milliarden Dollar fast verdoppelt. Angewiesen auf eine glutenfreie Ernährung sind in erster Linie Zöliakiepatienten. Etwa 0,5 bis 1 % Prozent der deutschen Bevölkerung leidet an Zöliakie (Synonym: Sprue), einer chronischen Erkrankung des Dünndarms. Verursacht wird die Zöliakie durch Gluten, ein Getreideprotein. Glutenhaltige Getreidearten wie Weizen, Dinkel, Roggen und Gerste müssen von Zöliakiepatienten lebenslang gemieden werden. Nimmt man Weizenallergiker sowie die Personen hinzu, die an einer sogenannten „Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität" leiden, sind es hierzulande etwa 5 Prozent der Bevölkerung, für die ein entsprechendes Produktangebot wichtig ist.
Ob dagegen Gesunde einen wirklichen Nutzen aus glutenfreier Ernährung ziehen können, ist umstritten.
Lebensmittel, die als „glutenfrei" angeboten werden, dürfen maximal 20 Milligramm Gluten pro Kilogramm Lebensmittel enthalten. Nicht erlaubt sind Aussagen wie „glutenarm". Mittlerweile ist eine große Zahl glutenfrei deklarierter Produkte im Handel. Erkennbar sind sie am durchgestrichenen Ährensymbol.

 

Bei 4 von insgesamt 177 untersuchten Proben (= 2 %) von Lebensmitteln mit dem Hinweis „glutenfrei" war der Grenzwert von 20 mg/kg überschritten. Betroffen waren jeweils „glutenfreie" Brote; der maximale festgestellte Glutengehalt war 47 Milligramm pro Kilogramm.
Weitere 13 Proben (= 7 %) von „glutenfreien" Erzeugnissen enthielten Gluten, allerdings jeweils unter dem Grenzwert.
Der Anteil auffälliger Proben bewegte sich in etwa im Durchschnitt der vergangenen 5 Jahre (siehe Abbildung).


Grafik

Abbildung: Gluten in „glutenfreien" Lebensmitteln. Anteile von Gluten-positiven Proben bzw. Proben, bei denen der Grenzwert von 20 mg/kg überschritten war. Untersuchungen der Jahre 2011 bis 2015.

 

Lesen Sie weitere Informationen

Allergene in Lebensmitteln

Merkblatt: Allergenkennzeichnung bei nicht vorverpackten Lebensmitteln

Allergenkennzeichnung in der Gemeinschaftsverpflegung

 

Bildnachweis

Julien Christ, www.pixelio.de, Image-ID: 607548 (Cafe Patisserie)

CVUA Freiburg, alle anderen Bilder und Grafiken

 

 

Artikel erstmals erschienen am 29.04.2016