Streptococcus castoreus beim Biber – ein opportunistischer Krankheitserreger

Kristin Mühldorfer (Leibniz-IZW), Tobias Eisenberg (LHL), Tobias Knauf-Witzens (Wilhelma), Peter Kutzer (LLBB), Carsten Heydel (IHIT Gießen), Jörg Rau (CVUA Stuttgart)

 

Mit dem Biber ist unser größtes heimisches Nagetier in viele Ufer-Landschaften zurückgekehrt. Der Biber gehört in Deutschland zu den streng geschützten Arten. Zu Tode gekommene Tiere werden daher regelmäßig von veterinärmedizinischen Pathologen und Mikrobiologen untersucht, um mehr über den Gesundheitsstatus und die Krankheiten des Bibers zu erfahren. In einer interdisziplinären Studie wurde nun ein wirtsspezifisches Bakterium, Streptococcus (S.) castoreus, in den Fokus genommen, das bisher nur bei Bibern vorkommt und erst vor 15 Jahren wissenschaftlich beschrieben worden ist. Die Ergebnisse der Untersuchungen legen nahe, dass S. castoreus ein potentieller Krankheitserreger ist, da er sich vor allem aus eitrigen Wunden der Tiere, aber auch von den Schleimhäuten gesunder Tiere isolieren ließ.

 

Abb. 1: Eurasischer Biber (Foto: Klaudiusz Muchowski, Creative Commons Lizenz BY-SA 3.0).

Abb. 1: Eurasischer Biber (Foto: Klaudiusz Muchowski, Creative Commons Lizenz BY-SA 3.0)

 

Als Pelz- und Fleischlieferant begehrt, wurde der Eurasische Biber (Castor fiber, Abb. 1) im 19. Jahrhundert in Deutschland nahezu ausgerottet. Durch Auswilderungen und Schutzmaßnahmen haben sich die Bestände in den letzten Jahrzehnten wieder erholt. Der Biber lebt an stehenden und langsam fließenden Gewässern mit ufernahen Gehölzen. Die großen Nagetiere verändern durch ihre Tätigkeit die Landschaft, in der sie leben. Es werden Bäume gefällt sowie Dämme errichtet und Biberburgen im angestauten Gewässer aufgetürmt.

Biber sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt [1]. Zu Tode gekommene Tiere werden daher regelmäßig von veterinärmedizinischen Pathologen und Mikrobiologen untersucht, um die Todesursache zu ermitteln und Informationen zum Gesundheitsstatus der Population zu sammeln. Ein Vergleich der bei solchen Untersuchungen nachgewiesenen Mikroorganismen mit modernen Methoden der Mikrobiologie ist dabei unverzichtbar.

Streptococcus (S.) castoreus (s. Abb. 2) ist ein bisher eher seltener Vertreter der beta-hämolysierenden Streptokokken der Lancefield-Gruppe A und zeigt eine hohe Anpassung an den Biber als Wirt [2, 3] (s. Infokasten). In einer aktuellen Studie wurden nun 27 Feldisolate von S. castoreus aus Deutschland vergleichend mit einer breiten Palette an Methoden beleuchtet [4]. Neben Isolaten aus 18 frei lebenden Eurasischen Bibern (C. fiber) beinhaltete diese Arbeit erstmals auch S. castoreus aus Tupferproben von vier gesunden Nordamerikanischen Bibern (Castor canadensis), die in Gefangenschaft lebten. Obwohl zur normalen Schleimhaut-Mikrobiota der Biber gehörig, ist S. castoreus offensichtlich häufig mit eitrigen Infektionen bei kranken Tieren verbunden [4]. Das Bakterium zeigte sich somit für den Biber als opportunistischer Erreger.

 

Abb. 2: Streptococcus castoreus auf Schafblut-Agar, im Durchlicht zeigt sich die ß-Hämolyse (Foto: M. Dyk, CVUAS).

Abb. 2: Streptococcus castoreus auf Schafblut-Agar, im Durchlicht zeigt sich die β-Hämolyse (Foto: M. Dyk, CVUAS)

 

Im Methoden-Vergleich erwiesen sich die 27 Isolate, bis auf wenige Ausnahmen, in den phänotypischen (einschließlich Biochemie, Resistenzmuster, MALDI-TOF-Massenspektrometrie und Fourier-Transformations-Infrarot-Spektroskopie) und klassischen molekularen (16S rRNA und sodA-Gen) Analysen als sehr ähnlich. Spezifische Muster nach Wirt oder dem räumlich-zeitlichem Ursprung zeigten sich nicht. Demgegenüber standen die Ergebnisse der Pulsfeld-Gelelektrophorese, in der sich die Pulsotypen der S. castoreus-Isolate teils deutlich voneinander unterschieden. Die Methode ist insbesondere geeignet auch nahverwandte Isolate im Rahmen eines Ausbruchs zu identifizieren. Eine Gruppierung der nur entfernt verwandten Isolate dieser Studie im Hinblick auf räumliche und zeitliche Verbreitung ließ sich mit ihrer Hilfe allerdings nicht darstellen..

 

Erst die Auswertung von Einzelreaktionen des genomischen Fingerabdrucks mit BOX-, (GTG)5- und RAPD-PCRs zeigte mindestens Untercluster, die einen Bezug auf die Art des Wirtes (C. fiber oder C. canadensis), das Bundesland als geographische Herkunft oder das Jahr der Isolierung erkennen ließen. In einigen Fällen konnte sogar, wie auch schon mit der Pulsfeld-Gelelektrophorese, die Kolonisierung von Einzeltieren mit mehr als einem Isolat nachgewiesen werden.

 

Hintergrundinformationen

Streptococcus castoreus

Bakterien der Gattung Streptococcus (S.) gehören zu der Familie der Streptococcaceae, die sich im Mikroskop als Gram-positive kugelförmige Bakterien (Kokken) darstellen. Unter dieser weit verbreiteten Familie gibt es harmlose (apathogene) Arten, aber auch krankheitsauslösende (pathogene) Spezies, die beim Menschen beispielsweise für Scharlach, eine eitrige Entzündung des Rachens (S. pyogenes), Neugeboreneninfektionen (S. agalactiae) oder Lungenentzündungen (S. pneumoniae) verantwortlich sind.

Streptococcus castoreus ist ein Vertreter, der bisher selten bei Europäischen Bibern (Castor fiber) und noch nie bei Kanadischen Bibern (C. canadensis) nachgewiesen wurde [4] (Abb. 3). Die offensichtlich sehr wirtsspezifische Art wurde erst 2005 von Lawson et al. beschrieben [2]. Wie S. pyogenes lässt sich auch S. castoreus serologisch in die Lancefield-Gruppe A einsortieren. Das Bakterium gehört zur Schleimhaut-Mikrobiota der Biber. Da S. castoreus auch häufig mit eitrigen Läsion en bei kranken Tieren verbunden ist, wird es als potentieller (opportunistischer) Krankheitserreger beim Biber angesehen [3,4].

Nachweise von S. castoreus beim Menschen sind bisher nicht bekannt.

 

Wie schon in der Vergangenheit trug die bewährte Zusammenarbeit der beteiligten Laboratorien und Institute zum Erfolg der Studie bei. Das Leibniz-Institut für Zoo und Wildtierforschung in Berlin (Leibniz-IZW) initiierte und koordinierte die Studie zusammen mit dem Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL). Isolate von Bibern aus fünf Bundesländern wurden von den zuständigen Diagnostiklaboren (Landeslabor Berlin-Brandenburg (LLBB), LHL, Leibniz-IZW) für vergleichende Analysen bereitgestellt.

 

Das Nationale Referenzzentrum für Streptokokken an der Universität Aachen brachte seine Expertise bei der Bewertung der Ergebnisse und den molekularen Analysen ein. Die aufwändigen, hoch auflösenden Verfahren der Pulsfeld-Gelelektrophorese und der Einzelreaktionen des genomischen Fingerabdruckes übernahmen Kolleginnen und Kollegen des Instituts für Hygiene und Infektionskrankheiten der Tiere (IHIT) der Justus-Liebig-Universität Gießen bzw. des LHL.

 

Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart ergänzte die Untersuchungen durch seine Erfahrungen in der Identifizierenden Spektroskopie. Für Gattungs- und Speziesdiagnosen kommen hier routinemäßig die MALDI-TOF Massenspektrometrie (MS) und für feinere Differenzierungen unterhalb der Speziesebene die Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie zum Einsatz [5].

 

Um Vergleiche zukünftig zu erleichtern, wurden Gen-Sequenzdaten aus der Studie in einer öffentlichen, weltweit zugänglichen Datenbank hinterlegt. Für die MALDI-TOF MS wurden zur Verbesserung der Routinediagnostik neue Referenzeinträge aus Isolaten der Biberstudie ergänzt. Diese Einträge stehen dem Fachpublikum zum Austausch über die MALDI-User Plattform zur Verfügung [6].

 

Die Ergebnisse der Studie wurden in der mikrobiologischen Fachzeitschrift Antonie van Leeuwenhoek publiziert [4].

 

Wir bedanken uns für die erneute, offene, unkomplizierte und vertrauensvolle interdisziplinäre Zusammenarbeit bei allen beteiligten Autorinnen und Autoren und deren Mitarbeitenden.

 

Quellen

[1] Bundesnaturschutzgesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 13. Mai 2019 (BGBl. I S. 706) geändert worden ist.

[2] Lawson PA, Foster G, Falsen E, Markopoulos SJ, Collins MD, 2005: Streptococcus castoreus sp. nov., isolated from a beaver (Castor fiber). Int J Syst Evol Microbiol. 55: 843-846. https://doi.org/10.1099/ijs.0.63433-0

[3] Schulze C, Kutzer P, Winterhoff N, Engelhardt A, Bilk S, Teubner J, 2015: Anzucht und antimikrobielle Empfindlichkeit von Streptococcus castoreus-Isolaten aus Tierkörpern verendeter Europäischer Biber (Castor fiber) in Deutschland. Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift 128: 394–396. doi: 10.2376/0005-9366-128-394

[4] Mühldorfer K, Rau J, Fawzy A, Heydel C, Glaeser SP, van der Linden M, Kutzer P, Knauf-Witzens T, Hanczaruk M, Eckert AS, Eisenberg T, 2019: Streptococcus castoreus, an uncommon group A Streptococcus in beavers. Antonie van Leeuwenhoek 112: 1663–1673; https://doi.org/10.1007/s10482-019-01293-5

[5] Streptococcus agalactiae bei Asiatischen und Afrikanischen Elefanten. Internetbeitrag CVUA Stuttgart, erschienen am 02.08.2017.

[6] Rau J, Eisenberg T, Männig A, Wind C, Lasch P, Sting R, 2016: MALDI-UP – An Internet Platform for the Exchange of MALDI-TOF Mass Spectra – User guide for http://maldi-up.ua-bw.de. Aspects of Food Control and Animal Health. 2016-1, 1–17.

 

 

Artikel erstmals erschienen am 05.12.2019