Paprikapulver – Das Gewürz mit dem gewissen Etwas

Hanna Marks

 

Edelsüß, rosenscharf oder scharf – mit den unterschiedlichen Schärfegraden ist für Jeden etwas dabei. Kein Wunder also, dass Paprikapulver eines der beliebtesten Gewürze in Deutschland ist und vielfältig wie z. B. in Fleischgerichten, Rohwürsten, Saucen, Käse und Marinaden verwendet wird. Pikant sind jedoch nicht nur die Speisen, die mit Paprikapulver zubereitet werden, sondern auch das Ergebnis unserer Pestiziduntersuchung: 19 (95 %) der 20 untersuchten Proben in den Jahren 2018 und 2019, wiesen Gehalte an einem oder mehreren Stoffen oberhalb der gesetzlich erlaubten Höchstgehalte auf. Besonders auffällig waren der Wachstumsregulator Chlormequatchlorid und Chlorat (siehe Infokasten).

 

Abbildung 1: verschiedene Paprikapulver nebeneinander.

Abbildung 1: Paprikapulver für jeden Geschmack

 

Das Gewürz

Durch die Entdeckung Amerikas gelangte die Paprikapflanze nach Europa und verbreitete sich dort schnell. In Ungarn, das Land mit dem viele Leute Paprika assoziieren, setzten sich der Anbau und die Verwendung jedoch erst Mitte des 18. Jahrhunderts durch. Heutzutage wird Paprika weltweit angebaut. Je nachdem, wie hoch der Anteil der Scheidewände und der Samen im Paprikapulver ist, erhält man die unterschiedlichen Paprikapulver-Sorten mit unterschiedlichen Schärfegraden:

  • Delikatess-Paprika: feines Aroma, mild
  • Edelsüßer Paprika: mild, süß, würzig
  • Halbsüßer Paprika: schwach scharf, würzig
  • Rosen-Paprika: würzig, scharf
  • Scharfer Paprika: würzig, brennend scharf [1]

 

Neben den Capsaicinoiden, den Scharfstoffen, enthält Paprikapulver u.a. die farbgebenden Carotinoide und die Vitamine A, C, B 1, B 12, D, E und K. Das Paprikagewürz wird beispielsweise in Rohwürsten, Fleisch-, Fisch-, Gemüse-, Reisgerichten, braune Suppen und Saucen, Konserven, Käse, Salate, Marinaden, Dips und Eierspeisen verwendet. Beim Kochen sollte das Paprikagewürz nach dem Erhitzen oder kurz vor Ende der Erhitzungsperiode zugegeben werden, da es sonst bitter werden kann [2].

 

Für die Herstellung des Paprikapulvers wird die reife, getrocknete, 5–15 cm lange, länglich-kegelförmige Gewürzpaprika verwendet. Somit unterscheidet sich diese von der bei uns im Supermarkt erhältlichen typischen Gemüsepaprika. Untersuchungsergebnisse zur Gemüsepaprika finden Sie in unserem jährlichen Bericht „Rückstände und Kontaminanten in Frischgemüse aus konventionellem Anbau 2018“.

 

Die Untersuchungsergebnisse

Von Juni 2018 bis Oktober 2019 hat das CVUA Stuttgart im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung 20 Paprikapulver auf Rückstände und Kontaminanten untersucht. 19 (95 %) Proben enthielten insgesamt 40 Stoffe über dem gesetzlich festgelegten Höchstgehalt. Lediglich eine ökologisch erzeugte Probe aus Spanien wies keinerlei Gehalte oberhalb der gesetzlich festgelegten Höchstgehalten auf.

 

Herkunft
Probenzahl
Mit Rückständen (%)
> Höchstgehalt (%)
Stoffe > Höchstgehalt*
Unbekannt
17
17 (100 %)
17 (100 %)
Chlorat (17x); Chlormequat-chlorid (17x); Ethephon; Mepiquatchlorid
Spanien
2**
2***
1
Chlorat, Biphenyl
Ungarn
1
1
1
Chlorat, Nikotin
Alle
20
20 (100 %)
19 (95 %)
 

*einige Proben enthalten mehr als einen Wirkstoff über dem Höchstgehalt
**beide Proben stammten aus ökologischer Erzeugung
***bei Probenzahlen kleiner 5 keine prozentualen Angaben

 

Infokasten

Rückstandshöchstgehalte

VO (EG) Nr. 396/2005 (kurz: VO 396/2005):

Rückstandshöchstgehalte sind keine toxikologischen Endpunkte oder toxikologische Grenzwerte. Sie werden aus Rückstandsversuchen abgeleitet, die unter realistischen Bedingungen durchgeführt werden. Danach erfolgt eine Gegenüberstellung der zu erwartenden Rückstände mit den toxikologischen Grenzwerten, um die gesundheitliche Unbedenklichkeit bei lebenslanger und ggf. einmaliger Aufnahme zu bewerten. Rückstandshöchstgehalte regeln den Handel und dürfen nicht überschritten werden. Ein Lebensmittel mit Rückständen über dem Rückstandshöchstgehalt ist nicht verkehrsfähig, darf also nicht verkauft werden. Nicht jede Überschreitung von Rückstandshöchstgehalten geht jedoch mit einem gesundheitlichen Risiko einher. Hier ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich.

 

Quelle: BVL-Broschüre, Pflanzenschutzmittel – sorgfältig geprüft, verantwortungsbewusst zugelassen, November 2009

 

Höchstgehalte von verarbeiteten Lebensmitteln

Für verarbeitete Lebensmittel sind in der Regel keine spezifischen Rückstandshöchstgehalte festgelegt – so auch im Fall von Paprikapulver. So müssen bei der Beurteilung der Analysenergebnisse von Paprikapulver die Rückstandshöchstgehalte von frischen Paprikas herangezogen werden und ein Verarbeitungsfaktor angewendet werden. Rechtlich verbindliche Verarbeitungsfaktoren gibt es jedoch nicht. Für die Beurteilung der Paprikapulver wurde ein Trocknungsfaktor von 10 angenommen.

 

Alle Proben wiesen Mehrfachrückstände, d. h. mehr als ein Pestizid in einer Probe, auf. Dies kann mehrere Ursachen haben – die Anwendung unterschiedlicher Wirkstoffe während der Wachstumsphase z. B. durch Kombinationspräparate, Kontaminationen während der Lagerung/dem Transport oder Abdrift. Möglich ist auch, dass bei der Herstellung des Paprikapulvers frische Paprikas aus Partien von verschiedenen Erzeugern verwendet werden. Darüber hinaus kann eine nicht ausreichende Umsetzung der guten landwirtschaftlichen Praxis bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln nicht immer ausgeschlossen werden [3].

 

Abbildung 2: Mehrfachrückstände in Paprikapulver (CVUAS Juni 2018 bis Oktober 2019).

Abbildung 2: Mehrfachrückstände in Paprikapulver (CVUAS Juni 2018 bis Oktober 2019)

 

Auffällige und häufig gefundene Stoffe

Die fünf am häufigsten vorkommenden Pestizide in Paprikapulver sind Herbizide oder Wachstumsregulatoren (Abb. 3). Besonders auffällig bezüglich der Überschreitung an Höchstgehalten waren die Stoffe Chlorat und Chlormequatchlorid.

 

In allen 20 Proben wurde Chlorat nachgewiesen, in 19 Proben oberhalb des gesetzlich festgelegten Höchstgehaltes. Chlorat-Rückstände in pflanzlichen Lebensmitteln können neben der Anwendung als Herbizid verschiedene Ursachen haben (siehe Infokasten).

 

Infokasten

Chlorat

Chlorate sind sowohl herbizid als auch biozid wirksame Stoffe. Chlorat ist ein in der EU seit dem Jahr 2008 nicht mehr zugelassener Pflanzenschutzmittelwirkstoff *. Auch in Biozidprodukten darf Natriumchlorat nicht mehr angewendet werden.

Die Definition „Pestizidrückstände“ der VO (EG) Nr. 396/2005 bezeichnet auch Rückstände von (ggf. nicht mehr zugelassenen) Pflanzenschutzmittelwirkstoffen in Lebensmitteln bei möglichem anderem Eintragsweg als der Anwendung als Pflanzenschutzmittel (sog. Dual-Use-Stoffe), wie etwa im Fall von Chlorat in Lebensmitteln. Somit ist gemäß der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 ein allgemeiner Höchstgehalt von 0,01 mg/kg EU-weit gültig. Für die Trinkwasseraufbereitung wurde in Deutschland im Dezember 2017 ein Höchstwert von 70 µg/L Chlorat für die dauerhafte Anwendung und 200 µg/L Chlorat für die zeitweise Dosierung festgesetzt, wenn die Desinfektion nicht anders gewährleistet werden kann **.

Neben der Anwendung als Pflanzenschutzmittel kann Chlorat z.B. auch infolge einer Verunreinigung durch die Umwelt (kontaminiertes Beregnungs- oder Bewässerungswasser, belastete Böden) oder als Rückstand der Gewinnung, einschließlich der Behandlungsmethoden in Ackerbau, Fertigung, Verarbeitung, Zubereitung oder Behandlung in das Lebensmittel gelangen. Die Anwendung von Bioziden, aus denen Chlorate entstehen können, stellt eine mögliche Kontaminationsquelle dar. Grundsätzlich kann Chlorat als Nebenprodukt bei der Trinkwasser-/Brauchwasserdesinfektion mit Chlorgas, Hypochlorit oder Chlordioxid entstehen.

Chlorat hemmt reversibel die Aufnahme von Jodid in die Schilddrüse und kann insbesondere bei empfindlichen Personengruppen wie Kindern, Schwangeren oder Personen mit Schilddrüsenfunktionsstörungen unerwünschte gesundheitliche Effekte verursachen. Neben Auswirkungen auf die Schilddrüsenfunktion kann Chlorat auch Schädigungen der Erythrocyten (Methämoglobin-Bildung, Hämolyse) bewirken ***.

Die Mitgliedstaaten führen ein Monitoring zur Erfassung der Belastungssituation in Lebensmitteln und Trinkwasser durch, um Daten für eine toxikologische Bewertung durch die EFSA bereitzustellen. Darauf basierend sollen dann spezifische Rückstandshöchstgehalte festgelegt werden.

 

* Entscheidung der Kommission vom 10. November 2008 über die Nichtaufnahme von Chlorat in Anhang I der RL 91/414/EWG des Rates und die Aufhebung der Zulassungen für Pflanzenschutzmittel mit diesem Stoff (ABl. L307/7 vom 18.11.2008)

** Umweltbundesamt, Bekanntmachung der Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren gemäß § 11 der Trinkwasserverordnung – 21. Änderung – (Stand: Dezember 2019)

*** BfR, Vorschläge des BfR zur gesundheitlichen Bewertung von Chloratrückständen in Lebensmitteln vom 12.05.2014 (aufgerufen am 07.11.2019)

 

Auch der Wachstumsregulator Chlormequatchlorid wurde in 90 % der Proben nachgewiesen und in 17 von 20 Proben wurde der gesetzlich festgelegte Höchstgehalt überschritten. Chlormequatchlorid hat eine halmverkürzende Wirkung auf Getreide und sorgt so für mehr Stabilität. Außerdem fördert Chlormequatchlorid die Blütenbildung und den Fruchtansatz bei verschiedenen Obst- und Gemüsesorten [4].

 

In der EU ist der Wirkstoff lediglich für den Getreideanbau zugelassen, nicht für die Anwendung bei Obst und Gemüse. Die Überschreitungen der Höchstgehalte an Chlormequatchlorid betrafen lediglich Proben mit unbekannter Herkunft. Chlormequatchlorid kann in Ländern außerhalb der EU durchaus auch im Obst- und Gemüseanbau zugelassen sein – nichts desto trotz müssen die importierten Lebensmitteln den Vorgaben der EU bezüglich der Höchstgehalte entsprechen.

 

Mepiquatchlorid gehört ebenfalls zu den Wachstumsregulatoren. Der Wirkstoff wurde in 85 % der Proben nachgewiesen und überschritt in einem Fall den gesetzlich festgelegten Höchstgehalt. In Zwiebeln, Knoblauch und Lauch verhindert Mepiquatchlorid beispielsweise das Auskeimen. Zusammen mit einem weiteren Wachstumsregulator, Ethephon, wird die Standfestigkeit durch Verkürzung der Halme im Getreidebau erhöht. Des Weiteren fördert Ethephon beispielsweise durch die Abspaltung von Ethylen die Reife im Obst- und Gemüsebau, dient der Ertragsregulierung und wird ebenfalls für die Reifebeschleunigung nach der Ernte eingesetzt [4]. Bei einer Probe unbekannter Herkunft lag der nachgewiesene Gehalt an Ethephon oberhalb des Höchstgehaltes.

 

Zwei weitere Stoffe die häufig in den untersuchten Paprikapulvern vorkamen, die jedoch die gesetzlichen Höchstgehalte eingehalten haben, sind die Wirkstoffe MCPA (in 90 % der Proben) und 2,4-D (in 80 % der Proben). Bei beiden Wirkstoffen handelt es sich um Herbizide, 2,4-D wirkt zusätzlich auch als Wachstumsregulator.

 

Abbildung 3: Nachweishäufigkeit der am häufigsten gefunden Wirkstoffe für Paprikapulver in Prozent der untersuchten Proben (CVUAS Juni 2018 bis Oktober 2019).

Abbildung 3: Nachweishäufigkeit der am häufigsten gefunden Wirkstoffe für Paprikapulver in Prozent der untersuchten Proben (CVUAS Juni 2018 bis Oktober 2019)
A = Akarizid; F = Fungizid; H = Herbizid; I = Insektizid; M = Metabolit; S=Synergist; W = Wachstumsregulator

 

Fazit

Mit einer Beanstandungsquote von 95 % und insgesamt 40 Überschreitungen der Höchstgehalte in 20 Proben, ist die Rückstandssituation in Paprikapulver sehr unbefriedigend , auch wenn die nachgewiesenen Rückstandsgehalte unterhalb der jeweils toxikologisch festgelegten Referenzwerte lagen und damit alle Proben als gesundheitlich unbedenklich zu bewerten waren. Das CVUA Stuttgart wird die Situation weiter beobachten und die Untersuchungen im Jahr 2020 fortsetzen.

 

Bildernachweis

CVUA Stuttgart

 

Quellen

[1] Würzmittel-Lexikon ein alphabetisches Nachschlagewerk von Abelmoschussamen bis Zwiebeln, Johannes Seidemann, Behr’s Verlag, 1993, unveränderter Nachdruck 1997

[2] Handbuch Aromen und Gewürze, Hall/Siewek/Gerhardt, Behr’s Verlag, 1. Akt.-Lfg. 2/00

[3] Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Hintergrundinformationen zu Mehrfachrückständen von Pflanzenschutzmitteln in und auf Lebensmitteln

[4] A World Compendium, The Pesticide Manual, BCPC, 15. Auflage, 2009

 

 

Artikel erstmals erschienen am 16.01.2020