Schwermetalle in Zahnpasta-Alternativen: Natürliche Inhaltsstoffe mit unerwünschten Verunreinigungen
Celina Sanio, Jan Patrick Vollmer und das Kosmetik-Team des CVUA Karlsruhe
Abb. 1: Alternativen zu Zahnpasta gibt es in zahlreichen Formen
Hintergrund: Der Hype um umweltfreundlichere Zahnputzmittel
Eine nachhaltigere Lebensweise und die Nachfrage nach umweltfreundlicheren Produkten haben in den letzten Jahren stark zugenommen. So zogen neben der klassischen Zahnpasta weitere Zahnputzmittel wie Zahnputzpulver, -tabletten, -salze, -seifen oder auch Zahnpasta am Stiel in die Regale und in den Internethandel ein. Diese Zahnputzmittel werden umweltfreundlich verpackt und sind bei gleicher Menge deutlich ergiebiger als die klassische Zahnpasta [1]. Die beiden letzten Punkte führen zu einer Abfallvermeidung, die für viele Verbraucherinnen und Verbraucher immer wichtiger ist.
Woraus bestehen die Zahnpasta-Alternativen?
Nicht nur die Darreichungsform, Verpackung und Herstellung unterscheiden sich, sondern auch die Inhaltsstoffe. Die Basis der Zahnpasta-Alternativen bilden meist organische oder mineralische Substanzen. Beispiele für organische Bestandteile sind Zellulose und Aktivkohle. Als mineralische Rohstoffe werden beispielsweise Carbonate aus Kreiden oder Kaolin („Porzellanerde“) eingesetzt. Das Tonmineral Bentonit wird zum Binden von Wasser und Verschmutzungen eingesetzt. Durch ihre grobe Struktur sorgen die mineralischen Bestandteile für den abschleifenden und somit säubernden Effekt.
Mineralische Substanzen können natürlicherweise mit geringen Mengen an Schwermetallen verunreinigt sein. Daher untersuchte das CVUA Karlsruhe die Zahnpasta-Alternativen gezielt auf ihre Schwermetallgehalte.
Rechtliche Bestimmungen zu Schwermetallen in Kosmetika
Durch die EU-Kosmetikverordnung [2] sind Schwermetalle wie Antimon, Arsen, Blei, Cadmium, Nickel und Quecksilber in kosmetischen Mitteln verboten. Das bedeutet, dass diese Stoffe grundsätzlich nicht in Kosmetik enthalten sein dürfen. Es gibt jedoch eine Ausnahme: In sehr kleinen, technisch unvermeidbaren Mengen dürfen diese Schwermetalle in den Produkten enthalten sein. Das kann beispielsweise vorkommen, wenn die Stoffe durch natürliche Verunreinigungen der Inhaltsstoffe in das Produkt gelangen. Wichtig ist, dass diese kleinen Mengen die Sicherheit des Produkts nicht beeinträchtigen dürfen.
Für jedes kosmetische Mittel muss vor dem Inverkehrbringen ein Sicherheitsbericht erstellt werden, der die gesundheitliche Unbedenklichkeit des Produktes nachweist. Enthält ein kosmetisches Mittel Spuren verbotener Stoffe, so muss im Sicherheitsbericht nachgewiesen werden, dass diese unbedenklich und so gering wie praktisch möglich sind.
Als Anhaltspunkt für die Beurteilung der technisch unvermeidbaren Menge der Schwermetalle hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) Orientierungswerte veröffentlicht [3]. Diese leiten sich aus zahlreichen Schwermetall-Untersuchungen in unterschiedlichen kosmetischen Mitteln ab. Die Orientierungswerte wurden jeweils so festgelegt, dass bei 90 % der untersuchten Produkte der Schwermetallgehalt unter diesen Werten liegt. Bei kosmetischen Mitteln, die diese Gehalte überschreiten, besteht somit ein Anfangsverdacht, dass die Schwermetallgehalte technisch vermeidbar sein könnten. Allerdings wurden diese Orientierungswerte für herkömmliche Zahnpasten bzw. dekorative Kosmetika ermittelt, was aufgrund der abweichenden Zusammensetzung keinen direkten Vergleich mit den Zahnreinigungspulvern zulässt. Technisch unvermeidbare Gehalte von Stoffen können immer nur für eine bestimmte Art von Rohstoff festgestellt werden. Darüber hinaus kann es für jedes Kosmetikum individuelle Gründe geben, warum höhere Gehalte technisch nicht vermeidbar sind.
Monitoring und G@ZIELT-Recherchen
Ein Teil der Proben der amtlichen Lebensmittelüberwachung wird im Rahmen von bundesweiten Untersuchungsprogrammen erhoben. Beim Monitoring werden ausgewählte Produktgruppen repräsentativ auf gesundheitlich unerwünschte Stoffe untersucht. Dadurch können gesundheitliche Risiken erkannt und gegebenenfalls abgestellt werden. Wegen der hohen Anzahl bundesweiter Untersuchungsergebnisse können die Ergebnisse auch zur Festlegung von Orientierungswerten herangezogen werden [4].
G@ZIELT ist eine im Auftrag der Bundesländer eingerichtete Zentralstelle zur Überwachung des Internethandels. Diese Zentralstelle recherchiert online nach risikobehafteten Produkten, die Verbraucherinnen und Verbraucher gesundheitlich schädigen oder täuschen könnten [5].
Unsere Untersuchungsergebnisse
Im Rahmen eines bundesweiten Monitoring-Programms wurden am CVUA Karlsruhe 10 Zahnpasta-Alternativen, von denen 8 Produkte von G@ZIELT im Internet recherchiert wurden, auf Schwermetalle analysiert. Die Proben wurden mittels Atomabsorptionsspektroskopie unter anderem auf die Elemente Antimon, Arsen, Blei, Cadmium und Quecksilber untersucht.
Die Ergebnisse waren ernüchternd. In nur 3 der Zahnpasta-Alternativen konnten keine dieser Schwermetalle nachgewiesen werden. Arsen wurde in 4 Proben nachgewiesen. In den 4 Proben lag der analysierte Arsengehalt über dem Orientierungswert von 0,5 mg/kg für allgemeine kosmetische Mittel und Zahnpasta. Blei und Cadmium wurde jeweils in 6 Proben nachgewiesen. Der Orientierungswert für Blei in Höhe von 2 mg/kg wurde von 4 Proben überschritten. Bei Cadmium waren es ebenfalls 4 Proben, die den Orientierungswert in Höhe von 0,1 mg/kg gesichert überschritten (siehe Abb. 2). Das Schwermetall Quecksilber wurde in keiner und das Schwermetall Antimon nur in einer der Zahnpasta-Alternativen nachgewiesen. Der analysierte Antimongehalt lag unter dem Orientierungswert von 0,5 mg/kg.
Abb. 2: Ergebnisdarstellung der Schwermetallgehalte an Arsen, Blei und Cadmium in den untersuchten Zahnpasta-Alternativen. Die Fehlerbalken wurden aus mindestens 3 unabhängigen Bestimmungen ermittelt und stellen die Messunsicherheiten dar. Die waagerechten Linien bilden die Orientierungswerte für die technisch vermeidbaren Schwermetallgehalte in allgemeinen kosmetischen Mitteln ab.
Sobald Spuren verbotener Schwermetalle in einem Kosmetikum enthalten sind, ist die technische Unvermeidbarkeit und die Wahl des Rohstoffes in ihrem Sicherheitsbericht zu begründen. Bei den Proben mit gesicherter Überschreitung des Orientierungswertes wurde die Überprüfung des Sicherheitsberichts angeraten. Ist im Sicherheitsbericht nicht begründet, dass die Schwermetallspuren für das spezifische kosmetische Mittel gesundheitlich unbedenklich und technisch nicht zu vermeiden sind, dann handelt es sich um einen Verstoß gegen die Anforderungen der europäischen Kosmetikverordnung.
Auffällig ist, dass vor allem in Zahnputzmitteln, in denen Kaolin oder Bentonit enthalten sind, die Arsen- und Bleigehalte über dem Orientierungswert liegen. Zahnputzmittel mit Kreide (überwiegend Calciumcarbonat) bzw. Calciumcarbonat als Basis weisen hingegen nur einen über dem Orientierungswert liegenden Cadmiumgehalt auf. In den Zahnputzmitteln, in denen keine Schwermetalle nachgewiesen werden konnten, wurden Natriumbicarbonat und Zellulose als Basis verwendet.
Verstöße gegen weitere Anforderungen des Kosmetikrechts
Neben den erhöhten Gehalten an Schwermetallen wurde bei 5 von 10 Proben (50 %) auch die Kennzeichnung beanstandet. Bei 2 Proben war die Anschrift der verantwortlichen Person nicht oder nicht eindeutig angegeben. Das Mindesthaltbarkeitsdatum und die Chargennummer waren bei 2 Proben nicht angegeben oder verwischbar. Die Liste der Bestandteile hatte bei 2 Proben nicht die vorgegebene Form und bei einer dritten Probe waren zwei Listen vorhanden, die jedoch nicht identisch waren. Bei einer der Proben fehlte die deutschsprachige Angabe der Vorsichtsmaßnahmen.
Jedes Kosmetikum muss vor dem Inverkehrbringen bei der EU-Kommission gemeldet werden. Diese Meldung dient der effektiven Marktüberwachung und ermöglicht im Notfall schnelle Hilfe durch die Giftnotrufzentralen. Für 2 Proben wurde diese Notifizierung nicht durchgeführt. Bei einer Probe konnte der Sicherheitsbericht direkt bei der Probenuntersuchung eingesehen werden. Dieser wurde wegen Unvollständigkeit beanstandet.
Fazit
Bei 7 von 10 untersuchten Zahnpasta-Alternativen wurden Schwermetallgehalte über den aktuellen Orientierungswerten festgestellt. Diese können bei der Verwendung von mineralischen Rohstoffen als natürliche Verunreinigungen in die Produkte gelangen. Die Aufnahme von Schwermetallen über Kosmetika ist deutlich geringer als über Lebensmittel. Schwermetalle sind jedoch grundsätzlich aus gesundheitlicher Sicht unerwünscht. Da ein Verschlucken bei Zahnpasta-Alternativen nicht völlig ausgeschlossen werden kann, ist bei der Auswahl der Rohstoffe für alternative Zahnputzmittel besondere Sorgfalt erforderlich. Ziel ist es, eine zusätzliche Schwermetallaufnahme so gering wie möglich zu halten. Das Verschlucken von Zahnputzmitteln sollte möglichst vermieden werden. Besondere Vorsicht ist bei Kindern geboten, die das Ausspucken noch nicht beherrschen.
Literatur
[1] Pharmazeutische Zeitung: Vor- und Nachteile von Zahnpasta-Tabs vom 09.10.2023, aufgerufen am 04.04.2024
[2] Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel, konsolidierte Fassung vom 01.12.2023.
[3] Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) - Technisch vermeidbare Gehalte an Schwermetallen in kosmetischen Erzeugnissen veröffentlicht vom 07.11.2016, aufgerufen am 02.04.2024.
[4] Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL): Durchführung des Monitorings, aufgerufen am 03.04.2024
[5] Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL): Sicher im Internet einkaufen, aufgerufen am 03.04.2024