Tätowieren - aber sicher!

Das Kosmetik-Team des CVUA Karlsruhe

 

Mehr als ein Drittel der deutschen Bevölkerung hat sich mindestens einmal tätowieren lassen. Um die damit verbundenen Risiken zu minimieren und eine ausreichende Qualität der Tätowierfarben zu gewährleisten, gelten seit Januar 2022 einheitliche gesetzliche Regelungen innerhalb der Europäischen Union. Ein Marktüberwachungsprojekt zeigt, dass auch im Jahr 2023 noch über 60 Prozent der untersuchten Farben nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.

Das Bild zeigt eine Frau mit Tätowierungen an beiden Armen.

Abb. 1: Tätowierte Frau (Bildquelle: Pixabay.com)

 

Körperschmuck Tattoo

Seit Jahrtausenden schmücken Menschen ihren Körper mit Tätowierungen. Früher hatten Tätowierungen oft die Funktion eines „Zugehörigkeitszeichens“ oder eines rituellen bzw. sakralen Symbols. Heute hingegen dienen sie vor allem als Körperschmuck, drücken eine tiefere Bedeutung aus oder unterstreichen die Persönlichkeit. Nach einer aktuellen Umfrage einer Zeitschrift vom Februar 2023 ist mehr als ein Drittel der deutschen Bevölkerung mindestens einmal tätowiert; in der Altersgruppe der 18- bis 45-Jährigen sind es sogar 44 %. Die beliebtesten Körperstellen sind Oberarme (39 %), Rücken (38 %) und Unterarme (30 %).[1] Umso wichtiger ist es, dass Tätowierungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher so sicher wie möglich sind. Die Internetseiten der zuständigen Bundesbehörden informieren umfassend über bestehende chemische oder hygienische Risiken, geben Hinweise zur Risikominimierung und stellen Checklisten für Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich tätowieren lassen wollen, zur Verfügung.[2]

 

Was sind Tätowiermittel?

Unter „Mittel zum Zwecke der Tätowierung“ sind Gemische zu verstehen, die in die Haut, die Schleimhäute oder den Augapfel eines Menschen durch ein beliebiges Verfahren injiziert oder eingebracht werden, um eine Markierung oder ein Motiv auf dem Körper des Menschen zu erzeugen. Diese Gemische bestehen zu einem überwiegenden Teil aus wasserunlöslichen Farbpigmenten und anderen Hilfsstoffen, die unter anderem dazu dienen, die Pigmente in Lösung zu halten, die Konsistenz zu verbessern oder die Produkte haltbar zu machen. Permanent-Make-up ist eine Sonderform der Tätowierung, bei der vor allem Augenbrauen und Lippen betont oder Narben verdeckt werden.

 

Was passiert beim Tätowieren?

Bei der Tätowierung werden die Farben mit Hilfe einer Tätowiermaschine in die mittlere, durchblutete Hautschicht (Dermis) eingebracht und verbleiben dort ein Leben lang. Unser Immunsystem reagiert auf die Zerstörung der äußeren Hautschicht und die „Fremdpartikel“ mit einer Immunabwehrreaktion unter anderem durch körpereigene Abwehrzellen, so genannte Makrophagen. Diese versuchen unter anderem eingedrungene Bakterien abzutöten und die Farbpigmente abzutransportieren. Dass dies zum Teil gelingt, ist an der bunten Färbung der entsprechenden Lymphknoten zu erkennen. Schwellungen, Hautrötungen, Ekzeme als allergische Reaktion sowie Infektionen oder Fremdkörperreaktionen sind mögliche Komplikationen. Die Langzeitwirkungen werden intensiv erforscht. Allerdings ist darüber noch wenig bekannt.

 

Wie sind Tätowiermittel rechtlich geregelt?

In Deutschland regelt das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB), dass Tätowiermittel die menschliche Gesundheit nicht schädigen dürfen. Bereits 2003 machte der Europarat erste Regelungsvorschläge, die in Deutschland im Mai 2009 in der Tätowiermittelverordnung umgesetzt wurden. Seitdem sind in Deutschland verschiedene Farbpigmente und aromatische Amine verboten, deren gesundheitliche Unbedenklichkeit in Frage steht. Die geänderten Regelungsvorschläge des Europarats von 2008 wurden bislang in Deutschland nicht umgesetzt. [3]

 

 Europaweit einheitliche Regelungen fehlten lange Zeit und erschwerten die Durchsetzung von Verbraucherschutzmaßnahmen.

 

Im Dezember 2020 gelang es nach jahrelangen Bemühungen, zumindest einheitliche chemikalienrechtliche Regelungen für Tätowierfarben in der EU einzuführen. Diese werden in der Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) [4] umgesetzt und sind Januar 2022 in Kraft getreten. REACH verbietet oder beschränkt die Verwendung und Herstellung gefährlicher Stoffe. Danach sind für Tätowiermittel alle Stoffe, die krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsschädigend sind, nur in Spuren (0,00005 %, das sind 0,5 mg/kg) erlaubt. Für alle als sensibilisierend, hautreizend oder augensensibilisierend eingestuften Stoffe [5] sind ebenfalls Grenzwerte festgelegt. Stoffe, die nach Anhang II (verbotene Stoffe) und - in bestimmten Fällen - Anhang IV (Farbmittel in Kosmetik) der EU-Kosmetikverordnung [6] verboten oder beschränkt sind, dürfen in Mitteln zur Tätowierung nur in Spuren bis zu 0,00005 % bzw. 0,5 mg/kg enthalten sein. Darüber hinaus sind bestimmte bedenkliche Farbstoffe und gesundheitlich relevante Verunreinigungen wie aromatische Amine, Elemente, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe sowie einzelne Lösemittel nach REACH (Anhang 13) explizit mit Grenzwerten geregelt. Insgesamt umfasst diese gefahrenbezogene Beschränkung ca. 4200 Substanzen, deren Verwendung nicht oder nur in geringen Mengen erlaubt ist.

 

Neben diesen stofflichen Regelungen werden verschiedene Kennzeichnungselemente, wie z. B. die einheitliche Verkehrsbezeichnung „Gemisch zur Verwendung in Tätowierungen oder Permanent-Make-up“ sowie eine Liste der Inhaltsstoffe und Warnhinweise auf die allergenen Elemente Nickel und Chrom VI - sofern enthalten - in REACH gefordert. Anhand der Verkehrsbezeichnung können Verbraucherinnen und Verbraucher Tätowierfarben von z. B. Künstlerfarben (Farben, die als Künstlerbedarf zum Malen verkauft werden) eindeutig unterscheiden. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten sich daher die Farben vor der Tätowierung zeigen lassen.

 

Wichtig ist, dass Tätowierfarben, die diese Anforderungen nicht erfüllen, weder in Verkehr gebracht, d. h. verkauft, noch zum Tätowieren verwendet werden dürfen.

 

Auswirkungen der rechtlichen Regelungen auf den Markt

Die seit Januar 2022 europaweit in Kraft getretenen gesetzlichen Regelungen für Tätowierfarben haben den Markt stark verändert. Die Marktanteile der Hersteller haben sich verschoben, neue Hersteller sind in den Markt eingetreten und die Zusammensetzung der Farben hat sich verändert, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Während 2022 dadurch zunächst fast ausschließlich schwarze, graue und weiße Farben auf dem deutschen Markt verfügbar waren, kamen Ende 2022 die ersten bunten Farben mit neuen Rezepturen auf den Markt.

 

Unsere Untersuchungen

Ziel unserer Untersuchungen war es, die Zusammensetzung und Qualität insbesondere der neuen bunten Farben auf ihre Rechtskonformität zu überprüfen. Dazu wurden im Rahmen eines Sonderprobenprojektes sowie anlassbezogen insgesamt 27 Tätowierfarben (zwei grüne, sechs blaue, zwei gelbe, vier orange, neun rote, zwei rosa/violette, zwei schwarze) von neun verschiedenen Herstellern beprobt.

Die umfassenden, gefahrenbasierten gesetzlichen Regelungen in REACH machten es erforderlich, unsere Untersuchungsstrategie anzupassen und die Produkte möglichst breit zu untersuchen. Um einen Überblick zu erhalten und die relevanten Inhaltsstoffe und Verunreinigungen zu identifizieren, haben wir die Tätowiermittel mit verschiedenen Methoden untersucht. Wir analysierten die Proben mit einer Hochleistungsflüssigkeitschromatographie-Diodenarray-Detektion-Multimethode (UPLC-DAD), mit der wir über 100 Farbstoffe und weitere UV-aktive Inhaltsstoffe erfassen. Zum ersten Mal führten wir eine Übersichtsanalyse der Tätowierfarben mit UPLC-hochauflösender Massenspektrometrie durch. Diese ermöglichte es uns, die Proben gezielt auf ca. 600 weitere Substanzen zu untersuchen, die wir in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen anderer Untersuchungsämter in eine Datenbank eingepflegt haben. Damit und mit Hilfe externer Datenbanken (NIST, mzCloud) können wir nach weiteren, toxikologisch relevanten Substanzen in den Produkten suchen. Die so identifizierten auffälligen Stoffe wurden in weiteren Untersuchungen quantifiziert und in ihrer Identität bestätigt. Ergänzend wurden dreizehn Farben auf Elementverunreinigungen wie Nickel, Blei oder Arsen untersucht.

Das Bild zeigt verschiedene Farben, danenben befindet sich eine Infobox, die die Untersuchungsstrategie beschreibt.

Abb. 2: Beschreibung der Strategie zur Untersuchung von Tätowierfarben

 

63 % der untersuchten Tätowierfarben (17 von 27 Farben) wiesen stoffliche Mängel auf, wobei die meisten Farben mehrere Grenzwerte gleichzeitig überschritten. Abbildung 3 fasst die Ergebnisse grafisch zusammen. Es sind nur die Farbstoffe aufgeführt, die die geltenden Grenzwerte überschreiten; zugelassene deklarierte Farbstoffe sind nicht dargestellt.

 

Das Bild fasst die Untersuchungsergebnisse für Elemente, Konservierungsmittel, Farbstoffe und Verunreinigungen, die mit Grenzwerten geregelt sind, grafisch zusammen. Es sind nur die Farbstoffe aufgeführt, die die geltenden Grenzwerte überschreiten.

Abb. 3: Grafische Darstellung der Untersuchungsergebnisse

 

Am häufigsten lagen die Gehalte des sensibilisierenden Konservierungsmittels Benzisothiazolinon (BIT) um bis zum Achtfachen über dem Grenzwert von 0,001 %. Der ebenfalls sensibilisierende Konservierungsstoff Iodopropynylbutylcarbamat (IPBC) überschritt den Grenzwert nur dreimal, jedoch jeweils um das 45- bis 50-fache. Die Konservierungsmittel 2-Methyl-4-isothiazolin-3-on (MI) und 5-Chlor-2-methyl-4-isothiazolin-3-on (MCI) wurden in neun bzw. acht Proben innerhalb der Grenzwerte nachgewiesen, waren aber nicht deklariert. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass teilweise unklar ist, wie die Produkte rechtskonform ausreichend konserviert werden können.

 

Die Deklaration der verwendeten Farbpigmente war in der Vergangenheit häufig nicht korrekt. Diese waren nur teilweise gekennzeichnet. In neun Produkten des aktuellen Projekts fanden wir Farbstoffe, die als farbgebende Pigmente nicht zugelassen sind. Die enthaltenen Pigmente waren zum Teil nicht korrekt gekennzeichnet. D. h. in einigen Farben waren andere Pigmente enthalten als auf dem Behältnis angegeben. Am häufigsten war der erst ab Januar 2023 regulierte Farbstoff CI 74160 (Pigment Blue 15) unerlaubt als Hauptpigment enthalten; ggf. handelte es sich bei den Produkten noch um Restbestände. Erfreulich ist, dass bei den geregelten krebserzeugenden aromatischen Aminen in allen Proben der Grenzwert von 5 mg/kg eingehalten wurde.

 

30 % der auf Elementverunreinigungen untersuchten Farben überschritten deutlich den Grenzwert für Blei (drei Proben) bzw. Arsen (eine Probe). Formaldehyd, eine mögliche krebserregende und hautsensibilisierende Verunreinigung, war in drei Tätowiermitteln mit Gehalten über dem Grenzwert von 0,5 mg/kg enthalten. Formaldehyd kann bei der Sterilisation der Farben entstehen. Ein weiterer gesundheitlich relevanter Inhaltsstoff ist 2-Amino-2-methylpropanol (AMP), ein hautreizender pH-Regulator, der in einem Tätowiermittel über dem zulässigen Grenzwert nachgewiesen wurde.

 

Die Überprüfung der Kennzeichnung der Produkte führte bei 13 der 27 untersuchten Proben zu Beanstandungen. Die Kennzeichnungsmängel sind in Abbildung 4 zusammengefasst. Besonders unerfreulich ist aus unserer Sicht die nach wie vor sehr unzuverlässige Kennzeichnung der Inhaltsstoffe.

 

In 11 Fällen (40 %) war die Inhaltsstoffliste nicht vollständig; wobei wir nur ausgewählte gesundheitlich relevante Inhaltsstoffe überprüft haben.

 

Das Bild fasst die Ergebnisse der Kennzeichnungsprüfung der 27 Proben zusammen: 11 Produkte haben die Inhaltsstoffe unvollständig deklariert, bei 6 Proben ist die Haltbarkeit nicht korrekt gekennzeichnet, bei je zwei Proben fehlt die korrekte Verkehrsbezeichnung, der Warnhinweis zu Nickel oder die Kennzeichnung ist nicht leicht lesbar oder verwischbar.

Abb. 4: Grafische Darstellung der festgestellten Kennzeichnungsmängel in 13 der 27 untersuchten Proben

 

Fazit

Nur neun der 27 untersuchten Proben (ca. 30 %) entsprachen den gesetzlichen Anforderungen. 17 Produkte wiesen stoffliche Mängel auf. Sensibilisierende Konservierungsmittel, verschiedene Pigmente und Hilfsstoffe wurden in unzulässigen Gehalten eingesetzt. Als Verunreinigungen waren die Elemente Blei und Arsen sowie Formaldehyd in Gehalten oberhalb der Grenzwerte enthalten. Auch die Kennzeichnung der Produkte war bei 13 Proben unzureichend – insbesondere die Inhaltsstoffliste war bei vielen Produkten unvollständig.

Da sehr viele Produkte nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprachen, werden wir auch im Jahr 2024 wieder Tätowierfarben überprüfen.

 

Literatur

[1] https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/playboy-umfrage-35-prozent-der-erwachsenen-deutschen-sind-taetowiert-a-37ca712a-4213-46ad-a012-86b1510a9309, abgerufen am 24.01.2024

 

[2] BMUV: https://www.bmuv.de/safer-tattoo BVL:https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/03_Verbraucherprodukte/02_Verbraucher/04_Taetowiermittel/bgs_

Taetowiermittel_node.html

BfR: https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_taetowiermitteln-187854.html, abgerufen am 24.01.2024

 

[3] CoE Resolution ResAP (2003)2 on tattoos and permanent make-up; abrufbar im Internet unter: https://rm.coe.int/16805df8e5; abgelöst durch CoE RESOLUTION ResAP (2008)1 on requirements and criteria for the safety of tattoos and permanent; adopted by the Committee of Ministers on 20 February 2008 at the 1018th meeting of the Ministers´ Deputies; abrufbar im Internet unter: https://www.edqm.eu/en/european-regulations-cosmetic-products Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch – LFGB vom 1. September 2005; abrufbar im Internet unter: https://www.gesetze-im-internet.de/lfgb

Tätowiermittel-Verordnung vom 13. November 2008; abrufbar im Internet unter: https://www.gesetze-im-internet.de/t_tov

 

[4] VERORDNUNG (EG) NR. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. L 396/1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2023/2482 vom 13. November 2023 (ABl. L, 2023/2482, 14.11.2023)

 

[5] VERORDNUNG (EG) NR. 1272/2008 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006

 

[6] VERORDNUNG (EG) NR. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. L 342/59), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2023/1545 vom 26. Juli 2023 (ABl. L 188/1) (EU-Kosmetikverordnung)

 

 

Artikel erstmals erschienen am 14.03.2024