PFAS – Den Jahrhundertchemikalien auf der Spur

Jannik Sprengel, Roland Perz

 

Seit einigen Monaten liest man in den Nachrichten immer häufiger von einer bestimmten Gruppe von Chemikalien: den sogenannten PFAS. Damit gemeint ist die umfangreiche Stoffgruppe der per- und polyfluorierten Alkylverbindungen. Insbesondere PFAS-Funde in kontaminierten Wässern und Böden fanden dabei zuletzt erhöhte Aufmerksamkeit. Dabei hat diese Substanzgruppe ein sehr breites Einsatzspektrum in verschiedensten Industriezweigen. Auch bei den Bedarfsgegenständen finden sich zahlreiche Anwendungsbeispiele.

 

Bei den PFAS handelt es sich keineswegs um eine neuartige Klasse von Chemikalien. Bereits im Jahre 1938 wurde die erste PFAS – Polytetraflourethylen (PTFE), besser bekannt unter den Markennamen TeflonTM oder Gore-TexTM – per Zufall vom Chemiker Roy Plunkett entdeckt. Im Laufe der 1940er Jahre wurden Teflon und weitere hinzukommende PFAS im industriellen Maßstab produziert und eingesetzt. Ihre Inertheit gegenüber Umwelteinflüssen sowie ihre vielfältigen Eigenschaften machen sie trotz hoher Produktionskosten zu einer beliebten Industriechemikalie mit breitem Einsatzspektrum.

 

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Was sind PFAS?

Abbildung: Strukturformeln von PFOA und PFOS.Der Begriff „PFAS“ ist die Abkürzung für „per- und polyfluorierte Alkylverbindungen“. Definitionsgemäß ist jede Verbindung mit mindestens einem Kohlenstoff-Atom, dessen Wasserstoffatome durch Fluoratome ersetzt wurden, eine PFAS [1]. In diese Definition fallen mehr als 6,3 Millionen verschiedene Verbindungen in der Chemikaliendatenbank PubChem [2]. Die Anzahl der tatsächlich eingesetzten PFAS-Verbindungen wird auf zwischen 5.000 und 7.000 geschätzt [3]. Zur besseren Unterscheidung werden viele PFAS mit ähnlichen chemischen Strukturen zu bestimmten Untergruppen zusammengefasst, z. B. „Perfluorcarbonsäuren“ (perfluorocarboxylic acids = PFCA), Perfluorsulfonsäuren“ (perfluorosulfonic acids = PFSA) oder „Fluortelomeralkohole“ (FTOH). Die bekanntesten Vertreter der PFAS sind die Perfluoroctansäure (PFOA) und die Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) sowie das Polymer Polytetrafluorethylen (PTFE).

 

Körperkontaktmaterialien

Insbesondere die Fähigkeit, gleichzeitig wasser- und fettabweisend zu sein, macht die PFAS zu vielseitigen Oberflächenbehandlungsmitteln im Textilbereich. So sind es beispielsweise PFAS, die für die wasser- und schmutzabweisenden Eigenschaften von Regenjacken und Sportkleidung, aber auch Arbeitskleidung für Feuerwehr, Militär und medizinische Angestellte sorgen [4]. Eine nordamerikanische Studie wies in allen dort untersuchten „schmutzabweisenden“ Schuluniformen PFAS-Gehalte nach, die mit denen von Outdoor-Bekleidung vergleichbar waren [5]. Auch Produkte aus Echt- oder synthetischem Leder (z. B. Schuhe und Handtaschen) werden mit PFAS imprägniert.

 

Andere Gegenstände mit Körperkontakt wie Schlaf- und Rucksäcke, Teddybären und Autositze werden teilweise ebenfalls zum Zweck der Wasser- und Schmutzresistenz mit PFAS behandelt [4]. Zudem werden PFAS auch als technologische Hilfsmittel, z. B. als Feuchthalte- und Schaumverhütungsmittel, bei der Textilproduktion eingesetzt. Die Untersuchung in einer Textilfabrik in China zeigt, dass die PFAS dabei auch über Luft, Staub und das Abwasser freigesetzt werden [6].

 

Lebensmittelbedarfsgegenstände

Auch in der Papierindustrie werden PFAS schon seit den 60er Jahren zum Imprägnieren verwendet. Lebensmittelbedarfsgegenstände aus Papier wie Muffinförmchen, Pizzaschachteln, Fast-Food-Verpackungen und Backpapier werden beispielsweise mit Fluorpolymeren oder sogenannten Fluortelomer-Phosphatestern (PAPs) behandelt. Da die PFAS während des Recyclingvorganges nicht abgetrennt werden, finden sie sich auch in Produkten aus Recyclingpapier wieder. So kam eine französische Studie zu dem Schluss, dass Toilettenpapier, welches häufig aus Recyclingfasern gewonnen wird, aufgrund ihres PFAS-Gehaltes als umweltrelevante PFAS-Quelle in Betracht kommen [7].

 

Der Antihafteffekt von Fluorpolymeren, allen voran PTFE, wird bei Koch- und Backutensilien in Form von Beschichtungen genutzt. Hier soll ein Anhaften des zubereiteten Lebensmittels verhindert und die Reinigung des Produktes erleichtert werden. Vorrangig sind hier beschichtete Pfannen sowie wiederverwendbare Backpapiere und Silikonbackformen zu nennen. In diesen Produkten wurden teilweise auch nicht-polymere PFAS wie PFOA als Abbauprodukte detektiert [4].

 

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Wie gefährlich sind PFAS?

Von der großen Anzahl unterschiedlicher PFAS wurden bisher nur wenige umfangreich untersucht. Elf Vertreter, hauptsächlich PFCAs, wurden gemäß VO (EG) Nr. 1272/2006 (einer Verordnung für die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen) bestimmten Gefahrenklassen zugeordnet. Einige Verbindungen (z. B. PFOA, PFOS) sind als leber- und reproduktionstoxisch sowie als vermutlich krebserregend klassifiziert. Die Substanzen PFOA und PFOS sind seit 2020 als langlebige organische Schadstoffe, sogenannte „POPs“ (persistent organic pollutants) klassifiziert.
Auch für viele andere PFAS, die häufig in der Umwelt gefunden werden, wurden mögliche negative Auswirkungen unter anderem auf das Verdauungs- und Immunsystem, das Wachstum im Kindesalter oder den Hormonhaushalt in diversen Studien beschrieben [8]. Ein weiteres Problem ist, dass viele der alternativen und potentiell weniger bedenklichen PFAS-Verbindungen in der Umwelt oder im Körper wieder in die klassischen Vertreter umgewandelt werden können, die sie eigentlich ersetzen sollen [9].
Derzeit diskutiert die EU über eine generelle Beschränkung der gesamten Stoffgruppe der PFAS über die sogenannte „REACH-Verordnung“ VO (EG) Nr. 1907/2006, in die zuvor bereits einige langkettige PFAS aufgenommen wurden. Die öffentliche Konsultation, bei der alle interessierten Parteien zusätzliche Informationen beitragen können, begann am 22. März 2023. Voraussichtlich im Jahr 2025 möchte die Kommission auf dieser Grundlage eine Entscheidung treffen.

 

Analytik von PFAS

Die Analyse von PFAS erfolgt in den meisten Fällen per Flüssigchromatographie (liquid chromatography = LC) gekoppelt an ein Massenspektrometer (MS). Klassische PFAS-Vertreter (z. B. PFCA und PFSA) können mit diesen Techniken inzwischen zuverlässig bestimmt werden. Gaschromatographie (GC) spielt momentan noch eine untergeordnete Rolle in der PFAS-Analytik. Sie findet jedoch zunehmend Anwendung bei der Analytik flüchtiger PFAS, welche sich nur schwer per LC analysieren lassen (z. B. FTOH).

 

Die besondere Herausforderung dabei: da PFAS so allgegenwärtig sind (unter anderem auch in Labormaterialien und Bauteilen der LC-Analysengeräte), sind spezielle Vorkehrungen notwendig, um robuste Analysenergebnisse zu erhalten. So gibt es PFAS-freies Labormaterial und spezifische Gerätebauteile für die PFAS-Analytik. Zudem muss bei der gesamten Probenbearbeitung darauf geachtet werden, dass keine Kontamination der Probe aus der Umgebung stattfindet – und umgekehrt.

 

Fazit

PFAS werden in vielen verschiedenen Bedarfsgegenständen eingesetzt. Hinzu kommen Anwendungen in vielen weiteren Industriesektoren, wie z. B. Medizin, Elektronik, Kosmetik oder dem Bauwesen. Daraus resultieren zahlreiche für den Menschen relevante Eintragsquellen. Die Substanzklasse ist jedoch toxikologisch nicht unbedenklich und zahlreiche Leitsubstanzen sind nicht abschließend bewertet.

 

Daher wird das CVUA Stuttgart künftig gezielt Bedarfsgegenstände auf PFAS untersuchen. Zu diesem Zweck soll eine robuste Analysenmethode entwickelt werden, mit der sich zum einen die direkt angewandten PFAS inklusive bestimmter Verunreinigungen oder Abbauprodukte bestimmen lassen; zum anderen sollen PFAS bestimmt werden, die von Verpackungen auf Lebensmittel oder Prüflebensmittel übergehen.

 

Literatur

[1] Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), 2021: „Reconciling Terminology of the Universe of Per- and Polyfluoroalkyl Substances: Recommendations and Practical Guidance, Dokument ENV/CBC/MONO(2021)25

 

[2] PubChem: Classification Browser, Suchergebnisse für „PFAS and Fluorinated Compounds“ (zuletzt abgerufen am 21.03.2023)

 

[3] Bernd Göckener, Till Weber, Heinz Rüdel, Mark Bücking, Marike Kolossa-Gehring: Human biomonitoring of per- and polyfluoroalkyl substances in German blood plasma samples from 1982 to 2019“, Environ. Int., 2020, 145, 106123, DOI: 10.1016/j.envint.2020.106123

 

[4] Juliane Glüge, Martin Scheringer, Ian T. Cousins, Jamie C. DeWitt, Gretta Goldenman, Dorte Herzke, Rainer Lohmann, Carla A. Ng, Xenia Trieri and Zhanyun Wang: An overview of the uses of per- and polyfluoroalkyl substances (PFAS)“ Environ. Sci.: Processes Impacts, 2020, 22, 2345; DOI: 10.1039/d0em00291g

 

[5] Chunjie Xia, Miriam L. Diamond, Graham F. Peaslee, Hui Peng, Arlene Blum, Zhanyun Wang, Anna Shalin, Heather D. Whitehead, Megan Green, Heather Schwartz-Narbonne, Diwen Yang, Marta Venier: „Per- and Polyfluoroalkyl Substances in North American School Uniforms“, Environ. Sci. Technol. 2022 56 (19), 13845–13857, DOI: 10.1021/acs.est.2c02111

 

[6] Franziska Heydebreck, Jianhui Tang, Zhiyong Xie, Ralf Ebinghaus: Emissions of Per- and Polyfluoroalkyl Substances in a Textile Manufacturing Plant in China and Their Relevance for Workers’ Exposure“, Environ. Sci. Technol. 2016, 50, 19, 10386–10396; DOI: 10.1021/acs.est.6b03213.

 

[7] Jake T. Thompson, Boting Chen, John A. Bowden, and Timothy G. Townsend: „Per- and Polyfluoroalkyl Substances in Toilet Paper and the Impact on Wastewater Systems“, Environ. Sci. Technol. Lett. 2023, 10, 3, 234–239; DOI: 10.1021/acs.estlett.3c00094

 

[8] PFAS-Tox Database

 

[9] Richard C. Kolanczyk, Megan R. Saley, Jose A. Serrano, Sara M. Daley, Mark A. Tapper: „PFAS Biotransformation Pathways: A Species Comparison Study“, Toxics 2023, 11, 74. DOI: 10.3390/toxics11010074

 

[10] Umweltbundesamt: “PFAS-Sanierung in Böden und Grundwasser” (zuletzt abgerufen am 13.04.2023)

 

[11] Mónica Bartolomé, Alejandrina Gallego-Picó, Francisco Cutanda, Olga Huetos, Marta Esteban, Beatriz Pérez-Gómez, Argelia Castaño: Perfluorinated alkyl substances in Spanish adults: Geographical distribution and determinants of exposure“, Sci.Tot. Environ. 2017, 603–604, 352–360, DOI: 10.1016/j.scitotenv.2017.06.031.

 

[12] Ryan C. Lewis, Lauren E. Johns, John D. Meeker: „Serum Biomarkers of Exposure to Perfluoroalkyl Substances in Relation to Serum Testosterone and Measures of Thyroid Function among Adults and Adolescents from NHANES 2011–2012“, Int. J. Environ. Res. Public Health, 2015, 12(6), 6098–6114, DOI: 10.3390/ijerph120606098

 

[13] Yuanyuan Pan, Yali Shi, Jieming Wang, Yaqi Cai, Yongning Wu: Concentrations of perfluorinated compounds in human blood from twelve cities in China“, Environ. Toxicol. Chem., 2010, 29, 12, 2695–2701, DOI: 10.1002/etc.342

 

 

Artikel erstmals erschienen am 30.05.2023