Untersuchungen des Übergangs von Melamin und Formaldehyd aus “Bambusgeschirr” – ein Update

Lydia Richter

 

2018 hat das CVUA Stuttgart erneut Melamingeschirr und Kunststoffgegenstände mit Bambusfasern („Bambusgeschirr“) auf den möglichen Übergang von Melamin und Formaldehyd ins Lebensmittel untersucht. Beim Vergleich des Migrationsverhaltens der beiden Materialien sind Unterschiede zwischen herkömmlichem Melamingeschirr und solchem mit Bambusfüllstoffen zu beobachten. Während Melamingeschirr in der 3. Migrationslösung zumeist keine Überschreitung des spezifischen Migrationslimits von Melamin von 2,5 mg/kg aufweist, sind die Übergänge bei Kunststoffgeschirr mit Bambusfaseranteil teilweise auffällig erhöht (vgl. unser Bericht aus 2017). Daher sind weiterführende Untersuchungen durchgeführt worden mit dem Ziel, umfassende Informationen über das Verhalten des Übergangs von Formaldehyd und Melamin bei einem längeren Gebrauch des Bambusgeschirrs zu erhalten. Es stellte sich heraus, dass der Übergang an Melamin vom Geschirr in das Lebensmittel mit fortschreitendem Gebrauch in der Regel zunimmt.

 

Weiterführende Untersuchungen 2018 an „Coffee-to-go“- Bechern aus „Bambus“

Untersuchungsziel

Aufbauend auf den Ergebnissen der letzten Jahre am CVUA Stuttgart wurden 2018 erneut Gegenstände aus dem Kunststoff Melamin-Formaldehydharz (MF) und Gegenstände aus MF mit Bambus als Füllstoff analysiert. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Coffee-to-go-Becher, die in den letzten Jahren stark als Alternativen zu Einwegbechern beworben werden. Im Zuge der Datensammlung im Rahmen des nationalen Monitorings sollten außerdem die Ergebnisse zum Übergang in der 3. und 5. Migrationsprüfung (Anzahl der Wiederholungen des Versuchs zur Simulation des Mehrfachgebrauchs) untersucht werden.

Bedarfsgegenstände aus MF sind thermisch instabil. Darauf hat bereits 2011 das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hingewiesen [1]. Da der Anteil an MF in Geschirr aus MF mit Bambusfüllstoff zwischen 5 % und 70 % beträgt, würde man auf Grund des geringeren Anteils an MF bei diesen Produkten eine niedrigere Migration von Formaldehyd und Melamin erwarten. Unsere Untersuchungen zeigen jedoch, dass dem nicht so ist. Es wurden bei den Proben mit Bambusfüllstoff in der 5. Migrationsprüfung (siehe Infobox) höhere Übergänge als in der 3. Migrationsprüfung beobachtet. Um die Systematik des Verhaltens des Materials in Kontakt mit sauren Lebensmitteln bei Mehrfachgebrauch besser zu verstehen, wurde an elf Bechern aus MF mit Bambusfüllstoff der Übergang von Melamin und Formaldehyd von der 1. bis zur 12. Migrationsprüfung untersucht.

Infobox

Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 10/2011

Mit einer Migrationsprüfung wird der Übergang von Stoffen aus einem Bedarfsgegenstand in das Lebensmittel oder Lebensmittelsimulanz geprüft. Lebensmittelsimulanzien sind nach Verordnung (EU) Nr. 10/2011 Testmedien, die durch ihr Verhalten die Migration aus Lebensmittelkontaktmerialien nachahmen (z. B. 3 % Essigsäure für saure Lebensmittel). Der Übergang des Stoffs ist abhängig von Zeit, Temperatur, pH-Wert, Polarität und weiteren chemischen-physikalischen Eigenschaften sowohl des Kunststoffes als auch des Lebensmittels bzw. Lebensmittelsimulanzes. Die Verordnung (EU) Nr. 10/2011 gibt vor, dass der Übergang von Stoffen bei Einweggegenständen nach einmaliger Migrationsprüfung rechtlich beurteilt wird. Bei Mehrweggegenständen ist als rechtlich bindend der Migrationsgehalt bei der 3. Migrationsprüfung festgelegt. Grund dafür ist die Annahme, dass Ausgangsstoffe (Restmonomere, Additive, etc.), die bei der Herstellung des Kunststoffes nicht fest in die Polymerkette gebunden sind, bei ein- bis zweimaliger Nutzung ausgetragen werden. Bis zur 3. Migrationsprüfung sollte die Migrationsrate daher ab- und nicht zunehmen. Das spezifische Migrationslimit (SML) von Formaldehyd beträgt 15 mg/kg und das von Melamin 2,5 mg/kg Lebensmittel oder Lebensmittelsimulanz.

 

Ergebnisse

Das Verhalten der elf untersuchten MF-Coffee to go-Becher mit Bambusfüllstoff kann in drei Kategorien eingeteilt werden:

Kategorie 1: Becher mit zunehmender Freisetzung an Melamin und Formaldehyd

In diese Kategorie lassen sich acht der elf getesteten Becher einordnen. In Abbildung 1 ist beispielhaft das Freisetzungsverhalten eines Bechers grafisch dargestellt. Der Übergang von Melamin in den acht Bechern beträgt in der 1. Migrationsprüfung zwischen 1,3 und 2,8 mg/kg und steigt mit jeder erneuten Prüfung stetig an. In der 12. Migrationsprüfung erreicht er schließlich zwischen 3,8 und 7,1 mg/kg. Der Übergang an Melamin in der 3. Migrationsprüfung beträgt zwischen 1,5 und 2,6 mg/kg. Der Grenzwert von 2,5 mg Melamin/kg Lebensmittel wird von zwei der acht Proben in der 3. Migrationsprüfung überschritten; diese sind damit rechtlich als nicht konform mit den Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 zu beurteilen. Bei den sechs Proben, die in der 3. Migrationsprüfung noch unterhalb des SML von 2,5 mg/kg liegen, zeigen die weiteren Prüfungen, dass der Grenzwert zumeist mit der 4. Migrationsprüfung, spätestens aber mit der 7. Migrationsprüfung überschritten wird. Der derzeit gültige Grenzwert von Formaldehyd mit 15 mg/kg wird von keiner der acht Proben aus Kategorie 1 in der rechtlich verbindlichen 3. Migrationsprüfung erreicht. Die ermittelten Gehalte an Formaldehyd betragen zwischen 5,0 und 9,5 mg/kg in der 3. Migrationsprüfung und steigen bei darauffolgenden Wiederholungen bis max. 14 mg/kg an.

 

Abbildung 1: Beispielhafter stetiger Anstieg des Übergangs von Melamin (rot) und Formaldehyd (blau) bei Prüfung mit 3%iger Essigsäure für 2 Stunden bei 70 °C nach zwölfmaliger Prüfung.

Abbildung 1: Beispielhafter stetiger Anstieg des Übergangs von Melamin (rot) und Formaldehyd (blau) bei Prüfung mit 3%iger Essigsäure für 2 Stunden bei 70 °C nach zwölfmaliger Prüfung

 

Kategorie 2: Becher mit sehr hoher Freisetzung an Melamin und Formaldehyd

Ein Becher ist auffällig durch eine massive Freisetzung bereits in der 1. Migrationsprüfung. Der SML von Melamin wird bei der 1. Migrationsprüfung um das Vierfache überschritten. Der Gehalt von Formaldehyd ist sogar um das 30-fache höher als der zulässige SML.

Dieser Becher wurde hinsichtlich seines Übergangs an Formaldehyd als gesundheitsschädlich beurteilt. Das Verhältnis des Gehalts an übergegangenem Formaldehyd zu Melamin lässt den Schluss zu, dass es sich hier nicht um gewöhnliches MF handelt. Entweder besteht der Kunststoff aus Melaminharz mit Beimischungen von Harnstoff-Formaldehydharz (MHF) oder der hohe Anteil an Formaldehyd ist auf andere Eintragsquellen zurückzuführen. Dies kann jedoch im verarbeiteten Produkt nicht mehr abschließend nachgeprüft werden.

Auffällig ist hierbei auch, dass der Becher sehr instabil ist. Nach Beendigung der Untersuchung ist ohne äußeren Einfluss der Boden aus dem Becher herausgefallen und der Gegenstand ist somit nach kurzer Anwendungsdauer bereits unbrauchbar (siehe Abbildung 2).

 

Abbildung 2: Herausgebrochener Boden des in Kategorie 2 beschriebenen Bambusbechers nach Untersuchung im Labor.

Abbildung 2: Herausgebrochener Boden des in Kategorie 2 beschriebenen Bambusbechers nach Untersuchung im Labor

 

Kategorie 3: Becher mit gleichbleibend niedrigem Übergang

Zwei Becher zeigen eine konstant niedrige Freisetzung deutlich unter den geltenden Höchstmengen vom 1. bis zum 12. Migrationsversuch. So beträgt die Freisetzung von Melamin konstant zwischen 0,3 und 0,5 mg/kg. Der Übergang von Formaldehyd liegt in einem Bereich zwischen 2,1 und 3,3 mg/kg (siehe Abbildung 3). Hier scheint das Material über die gesamte Anwendungsdauer ein stabiles Freisetzungsverhalten zu zeigen. Da sich diese Becher hinsichtlich ihrer Materialzusammensetzung nicht von den Bechern aus Kategorie 1 unterscheiden, sind diese möglicherweise auf der Lebensmittelkontaktseite beschichtet oder es wurde eine andere Herstellungstechnologie als für die Becher in Kategorie 1 verwendet, was zu einem niedrigeren Übergang führt. Leider ist dies für den Verbraucher nicht ersichtlich. Ein Produkt mit deutlichem Glanz auf der Innenseite (vermutlich beschichtet) zeigt ein Verhalten wie in Kategorie 1 beschrieben, während die getesteten Produkte der Kategorie 3 zumindest optisch keine sichtbare Beschichtung erkennen lassen. Informationen über verschiedene Herstellungsverfahren sind von den Importeuren nicht zu erhalten, diese verweisen auf die Hersteller in China.

 

Abbildung 3: Verhalten der Freisetzung von Melamin (rot) und Formaldehyd (blau) bei Migration mit 3%iger Essigsäure für 2 Stunden bei 70 °C bei Bechern anderer Herstellungsart.

Abbildung 3: Verhalten der Freisetzung von Melamin (rot) und Formaldehyd (blau) bei Migration mit 3%iger Essigsäure für 2 Stunden bei 70 °C bei Bechern anderer Herstellungsart

 

Vergleich mit herkömmlichem Melamingeschirr (ohne Bambusfüllstoff)

Auch herkömmliches MF-Geschirr wurde 2018 untersucht. Auffällig sind die im Vergleich zum MF-Geschirr mit Bambusfüllstoff durchschnittlich niedrigeren Freisetzungsraten für Melamin und Formaldehyd in der 3. Migrationsprüfung. So weisen sechs Proben Freisetzungsraten zwischen 0,7 und 1,6 mg/kg Melamin in der 3. Migrationsprüfung auf. Da auch herkömmliches MF-Geschirr Füllstoffe beispielsweise in Form sehr fein vermahlener Cellulose enthalten kann, liegt der Rückschluss nahe, dass das Einbringen der groben Bambusfasern als Füllstoff die Eigenschaften des Kunststoffes negativ beeinträchtigt. Grund dafür könnte eine schlechtere Vernetzung des Kunststoffes sein und die Bambusfasern könnten durch das heiße Lebensmittel quellen. Dies würde eine Instabilität des Harzes bewirken, wodurch eine Zersetzung des Kunststoffes durch saure Lebensmittel stärker voranschreitet. Hierzu sind weitere Tests erforderlich.

 

Laborprüfungen im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes

Zur Überprüfung auf Einhaltung der rechtlichen Vorgaben wird unter den schärfsten anzunehmenden, vorhersehbaren Verwendungsbedingungen (worst case) getestet, die gemäß der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 vorgeschrieben sind. Im Falle der Becher entspricht dies einer Heißabfüllung von sauren Getränken (z. B. Früchtetee, Kaffee, heißer Ingwer, heiße Zitrone, etc.). Nach den harmonisierten Vorgaben der EU wird die Heißabfüllung für 2 Stunden bei 70 °C mit 3%iger Essigsäure geprüft. Dies vereinheitlicht die Versuchsbedingungen in allen Laboratorien und führt zur Vergleichbarkeit der Untersuchungsergebnisse. Auch wenn die Becher als Coffee-to-go-Becher beworben und verkauft werden, ist nicht auszuschließen, dass auch Tee und andere Getränke aus diesen Bechern verzehrt werden. Einige Becher sind zudem mit bunten Motiven bedruckt und zielen auf die Benutzung durch Kinder ab. Dadurch wird der Verzehr von Kaffee bei diesen Produkten weitestgehend ausgeschlossen.

Die Migration und Freisetzung ist temperatur- und zeitabhängig. In der Laborpraxis ist daher bei Prüfungen unter 24 Stunden auf eine strikte Einhaltung der Temperatur im Lebensmittelsimulanz zu achten [2], da es sonst zu großen Unterschieden im Ergebnis kommen kann. Eigene vergleichende Untersuchungen haben gezeigt, dass beim Einfüllen die vorgeheizte Simulanzlösung abkühlt und nur noch eine Temperatur von 64 °C festgestellt werden konnte. Diese erreichte innerhalb der 2-stündigen Lagerung im Trockenschrank 70 °C nicht wieder. Obwohl also im Trockenschrank eine Temperatur von 70 °C angezeigt wird, wird diese im Prüfgegenstand nicht erreicht. Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass bereits ein Temperaturunterschied von lediglich 6 °C im Simulanz zu einer Abnahme der Freisetzung bei Melamin um 46 % und bei Formaldehyd um 56 % führt.

 

Schlussfolgerungen und rechtlicher Hintergrund

Eignung des Materials

Zur Herstellung der MF-Bambusbecher werden unterschiedliche Materialkombinationen, Materialverhältnisse und ggf. Herstellungsverfahren angewandt. Nicht nur der Anteil an MF, sondern auch das Herstellungsverfahren scheinen einen entscheidenden Einfluss auf die Beständigkeit des gesamten Produktes zu haben. Die systematischen Untersuchungen der Migration und Freisetzung von Bedarfsgegenständen aus MF mit Bambusfaserfüllstoffen zeigen, dass in den meisten untersuchten Proben die Eigenschaften des Kunststoffharzes MF, wie Festigkeit und Hydrolysestabilität, durch die Verwendung des Füllstoffs Bambus negativ beeinflusst werden.

Ein Verbraucher kann jedoch zum Zeitpunkt des Kaufes ein Produkt mit geringen Freisetzungen an Melamin bzw. Formaldehyd optisch nicht von einem Produkt mit hohen Freisetzungen unterscheiden. Erst bei Mehrfachgebrauch zeigen sich Veränderungen z. B. durch Aufrauen der Oberfläche.

Nach Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 dürfen nur die in der Positivliste (Anhang 1 der Verordnung (EU) Nr. 10/2011) aufgeführten Stoffe verwendet werden. Eine Listung muss beantragt werden, bevor diese Stoffe zur Herstellung von Bedarfsgegenständen verwendet werden. Die Nutzung von Bambusfasern ist jedoch bisher nicht gelistet worden. Bisherige Annahmen, dass Bambus dem Holz, welches als Nr. 96 im Anhang 1 der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 gelistet ist, gleichzusetzen sei und es sich dabei um Naturprodukte handele, können auf Grund der oben genannten Untersuchungen und Ergebnisse so nicht mehr beibehalten werden. Die Experten-Arbeitsgruppe zu Lebensmittelkontaktmaterialien der EU-Kommission hat aus diesem Grund eine erneute Bewertung der Listung von Nr. 96 „Holzmehl und -fasern, naturbelassen“ durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) veranlasst [3]. Bei der Verwendung von Naturprodukten muss Art. 8 der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 ebenfalls beachtet werden: die Eignung eines Stoffes muss für die geplante und vorhersehbare Verwendung belegt sein. Im Falle von mit Bambusfasern gefülltem Melaminharz muss also sichergestellt sein, dass das Endprodukt für die ausgelobte Anwendung (Temperatur, Zeit, etc.) geprüft wurde und die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Da der Übergang von Melamin und Formaldehyd jedoch stetig zunimmt, muss die Eignung von Bambusfasern oder anderen gröberen Naturfasern als Füllstoff für MF angezweifelt werden.

Des Weiteren hat die o. g. Experten-Arbeitsgruppe klargestellt, dass es weder in der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 noch in der dazugehörigen Leitlinie eine Maximum- oder Minimumvorgabe für den Gehalt an Additiven gibt, wenn Kunststoff der formgebende Bestandteil ist [3]. Da Bambusfasern und Stärkepulver allein keine stabile Form bilden, sondern erst durch die Verwendung von Kunststoffharz ein stabiles Produkt entsteht, lässt die Arbeitsgruppe keinen Zweifel daran, dass die Produkte unter die Verordnung (EU) Nr. 10/2011 fallen, unabhängig davon, wie hoch der Anteil an Füllstoff ist [3].

 

Echtheit des Materials – ist Natur gleich Natur?

Abseits der chemisch-analytischen Eignung des Materials sollte auch bei Verwendung vermeintlicher Naturprodukte im Lebensmittelkontakt auf Reinheitsanforderungen und Eignung geachtet werden. Die Verwendung von Bambusfasern wird als wertgebender Bestandteil beworben und führt zu deutlich höheren Verkaufspreisen als bei herkömmlichem Melamingeschirr. Verbraucher müssen dabei vor Irreführung und Betrug geschützt werden: Wie kann beispielsweise sichergestellt werden, dass es sich tatsächlich um Bambusfasern handelt (und nicht irgendein Gras, Holz oder Pflanzenbestandteil) und dass keine Kontaminanten in das Produkt eingetragen werden? Wie kann die Echtheit geprüft werden, obwohl keine Maserung mehr sichtbar ist, wie bei typischen Bambusprodukten?

 

Fazit

Bambus ist aus botanischer Sicht ein Gras und kein Holz. Nur Holz ist in der Positivliste Anhang 1 der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 gelistet. Die oben geschilderten Untersuchungen zeigen, dass ein Zusatz von Naturfasern zu MF die Qualität von Kunststoffprodukten negativ beeinflussen kann. Deshalb überprüft die EFSA aktuell die o. g. Listung von Holz. Die Verordnung (EU) Nr. 10/2011 gilt auf allen Stufen der Herstellung, auch für das fertige Produkt. Die Untersuchungen des CVUA Stuttgart haben gezeigt, dass die Verwendung von MF mit Bambusfüllstoffen für saure Lebensmittel im Heißkontakt bei der überwiegenden Anzahl der Produkte am Markt nicht geeignet ist. Produkte, die hingegen kaum Übergänge ins Lebensmittel aufweisen, sind für den Verbraucher beim Kauf optisch nicht von den anderen unterscheidbar.

 

Ausblick

Das CVUA Stuttgart geht davon aus, dass auf Grund des immer größer werdenden Bewusstseins für Umweltschutz und Nachhaltigkeit in der Bevölkerung und der Plastikstrategie der EU als „nachhaltiger und ökologischer“ beworbene Kunststoffprodukte mit reduziertem Kunststoffanteil auf den Markt kommen werden. Ob diese Werbeaussagen tatsächlich halten, was sie versprechen, ist zumindest fraglich. In Erwartung hoher Gewinne mit vermeintlich nachhaltigen Produkten sollte auch in Analogie zu dem bereits oft diskutierten Thema des Lebensmittelbetrugs (food fraud) der Fokus mehr auf Betrug bei Lebensmittelkontaktgegenständen (consumer product fraud) gerichtet werden. Der Schutz vor irreführender Bewerbung dieser Produkte und der gesundheitliche Verbraucherschutz stehen auch 2019 im Fokus der Untersuchungen am CVUA Stuttgart. Des Weiteren sind die Daten aus dem nationalen Monitoring 2018 dem Bundesinstitut für Risikobewertung zur Verfügung gestellt worden, um die Exposition der Bevölkerung mit Formaldehyd und Melamin erneut zu prüfen. Die Untersuchungen von Lebensmittelbedarfsgegenständen aus Melaminharz werden auch weiterhin im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes fortgeführt.

 

Quellen

[1] Bundesinstitut für Risikobewertung, Freisetzung von Melamin und Formaldehyd aus Geschirr und Küchenuntensilien SN 012/2011 vom 09.03.2011

[2] Bundesamt für Verbraucherschutz, Amtliche Sammlung von Untersuchungsverfahren (ASU) nach § 64 LFGB Nr. 80.30–12, in der Fassung von Oktober 2008

[3] Expert Working Group on Food Contact Materials of the Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed; Summary of discussions of the Expert Working Group on Food Contact Materials on the use and placing on the market of plastic food contact materials and articels containing ground bamboo or other similar constituents, 2019.

 

 

Artikel erstmals erschienen am 17.07.2019