Ethylcarbamat: Durch neuste wissenschaftliche Erkenntnisse als krebserregend bestätigt
Dr. D. Lachenmeier
Ethylcarbamat wurde bereits 1974 von der IARC als möglicherweise krebserzeugend für den Menschen (Gruppe 2B) eingestuft. In nachfolgenden Untersuchungen wurde Ethylcarbamat in geringen Konzentrationen in allen Arten von fermentierten Lebensmitteln nachgewiesen, bedenkliche Gehalte im Milligramm pro Liter-Bereich wurden jedoch nur in Spirituosen und insbesondere in Steinobstbränden vorgefunden. Daher wurde schon im Jahr 1986 ein Richtwert von 0,4 mg/l Ethylcarbamat in trinkfertigem Brand festgelegt. Bei Überschreitung dieses Wertes um mehr als das Doppelte (0,8 mg/l) wird der Obstbrand als nicht sicheres Lebensmittel beurteilt. Die betroffene Charge wird dann aus dem Verkehr gezogen und kann evtl. nach Umbrennen wieder freigegeben werden. Zur Zeit müssen immer noch 30% aller untersuchten Proben beanstandet werden.
Mittlerweile liegen umfangreiche Erkenntnisse über den Wirkungsmechanismus von Ethylcarbamat vor. In zahlreichen Tierversuchen wurde die krebserregende Wirkung bestätigt, und es konnte gezeigt werden, dass die Wirkungsweise von Ethylcarbamat in Versuchstieren und im Menschen identisch ist. Ein besonderes Problem ist die gleichzeitige Aufnahme von Ethylcarbamat und Alkohol, da durch Ethanol die krebserregende Wirkung von Ethylcarbamat verstärkt werden kann.
Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde Ethylcarbamat von der IARC jetzt in Gruppe 2A eingestuft, die vergeben wird, wenn keine direkten Daten über die Wirkung im Menschen vorliegen, jedoch im Tierversuch ein ausreichender Nachweis für die Karzinogenität erfolgt ist, und starke Belege über die Übertragbarkeit der Wirkmechanismen auf den Menschen vorliegen.
Insbesondere auch die möglichen Wechselwirkungen mit Alkohol verlangen weiterhin alle Anstrengungen, um Ethylcarbamat in Spirituosen zu vermeiden.
Die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter Baden-Württemberg hatten kürzlich anhand einer umfangreichen Untersuchung einfache und wirkungsvolle Tipps zur Vermeidung von Ethylcarbamat in der Kleinbrennerei aufgezeigt. Die Ethylcarbamatgehalte werden vor allem durch die Brennanlage und die Herstellung beeinflußt. Es hat sich gezeigt, dass Anlagen mit automatischer Spülvorrichtung besser abschneiden als Anlagen, die manuell gereinigt werden. Außerdem reduziert ein Kupferkatalysator die Ethylcarbamatgehalte. Diese Einrichtungen sind vor allem in neueren Anlagen zu finden. Bei Problemen mit hohen Ethylcarbamatgehalten lohnt die Nachrüstung mit einem Katalysator und/oder einer Spülvorrichtung. Bei der Herstellung von Steinobstbränden sollte man auch den Nachlauf nicht aus den Augen verlieren. Ethylcarbamat ist schwerflüchtig und reichert sich im Nachlauf an. Nachlauf ist also Ethylcarbamat-Konzentrat! Wer zu spät anfängt, auf den Nachlauf umzuschalten, macht sich unnötig Probleme. Bewährt hat sich die Nachlaufabtrennung spätestens bei einem Alkoholgehalt von 50% vol. Nachläufe von früheren Brennvorgängen sollte man nicht zugeben, weil man so die Ethylcarbamatkonzentration in der Maische erhöht. Besser ist es, die Nachläufe zu sammeln, gemeinsam umzubrennen und dabei sehr großzügig abzutrennen. Es ist unbestritten, dass Ethylcarbamatvorstufen aus den Steinen der Früchte kommen. Schonendes Einmaischen und kurze Maischestandzeiten haben sich deswegen bewährt. Was nicht in der Maische landet, muss hinterher auch nicht entfernt werden.
Merkblatt: Maßnahmen zur Reduzierung von Ethylcarbamat in Steinobstbränden
Ausführliche Darstellung der IARC-Bewertung von Ethylcarbamat (in englisch):
Pressemitteilung der IARC zur Karzinogenität alkoholischer Getränke (in englisch):