25 Jahre „Erkrankungslabor“ am CVUA Stuttgart

Dr. Matthias Contzen

 

Seit nunmehr 25 Jahren ist das CVUA Stuttgart zentral für ganz Baden-Württemberg für die Untersuchung von Lebensmitteln im Erkrankungszusammenhang zuständig. D. h., wann immer jemand zwischen Mannheim und Ulm, zwischen Freiburg und Tauberbischofsheim durch den Verzehr von Lebensmitteln erkrankt ist, oder auch nur glaubt, davon krank geworden zu sein, fallen die in Verdacht stehenden Lebensmittel in den Zuständigkeitsbereich des CVUA Stuttgart und werden hier im Labor für Lebensmittelmikrobiologie untersucht.

 

Egal, ob „nur“ ein einzelner Verbraucher nach dem Imbiss an der Bude um die Ecke betroffen ist, oder ob zig Bewohner eines Altenheims nach dem gemeinsamen Essen unter einer massiven Magen-Darm-Erkrankung leiden, ob Übelkeit und einmaliges Übergeben beklagt wird, oder Menschen mit lebensbedrohlichen Symptomen ins Krankenhaus eingeliefert werden, in all diesen Fällen werden die betroffenen Lebensmittel in unser Labor in Fellbach gebracht und hier mikrobiologisch – und wo angebracht auch Toxin-analytisch – auf mögliche Krankheitsursachen untersucht.

 

Das ist jedoch erst seit dem 1. Januar 2000 so. An diesem Tag – vor inzwischen 25 Jahren – übernahm das CVUA Stuttgart diese verantwortungsvolle Herausforderung mit großem Respekt vom Landesgesundheitsamt, wo diese Aufgabe zuvor angesiedelt war.

 

Galt es zunächst, einen reibungslosen Übergang zu garantieren und das lebensmittelmikrobiologische Labor des CVUA Stuttgart auch logistisch gut für den neuen Auftrag aufzustellen, lag bald der Fokus auf der Etablierung neuer Methoden zum Nachweis und zur Differenzierung der vielfältigen potenziellen Krankheitserreger. Neben bekannten mikrobiellen Erregern und deren Toxinen umfasst das Untersuchungsspektrum auch Ungewöhnliches: So war beispielsweise bereits 2001 – inmitten der BSE-Krise – plötzlich der Nachweis von Rinderhirn in Wurstwaren gefragt.

 

Der Aufbau eines Labors für molekularbiologische Methoden („PCR-Labor“) im Bereich Lebensmittelmikrobiologie eröffnete zudem neue Möglichkeiten bei der Identifizierung von Keimen und deren pathogenen Potenzials. So steckte der molekularbiologische Nachweis lebensmittelassoziierter Viren zu dieser Zeit noch in den Kinderschuhen; eine Herausforderung, der sich das CVUA Stuttgart ab 2002 schon sehr früh erfolgreich stellen konnte. Neben anfänglichen Nachweisen von Noro- und Rotaviren wurde das Untersuchungsspektrum schrittweise ausgebaut: Hepatitis A- und E-Viren können heute ebenso nachgewiesen werden wie FSME-Viren.

 

Neben der PCR erweiterte auch schon früh der Einsatz von FT-IR Spektroskopie und später MALDI-TOF MS das klassisch mikrobiologische Methodenspektrum bei der Erregeridentifizierung um kostengünstige, zeitsparende Verfahren. Ergänzt wird dieses Potpourri von Untersuchungsmethoden seit wenigen Jahren durch die Ganzgenomsequenzierung (Whole Genome Sequencing WGS), die im Bereich der epidemiologischen Ausbruchsaufklärung immer wichtiger wird.

 

Neben der Verbesserung unserer methodischen Kompetenz stand stets auch die Optimierung organisatorischer Abläufe unserer Arbeit im Fokus. Wie sehr beide Aspekte ineinandergreifen zeigte sich beispielsweise 2011 im Zusammenhang mit dem bisher größten EHEC-Ausbruch in Deutschland. EHEC, enterohämorrhagische Escherichia coli, gerieten überhaupt erst in den frühen 2000er Jahren ins Blickfeld der Lebensmittelüberwachung und mussten mittels neuer molekularbiologischer und mikrobiologischer Methoden nachgewiesen werden. Diese Methoden bestanden dann auch 2011 den absoluten Härtetest, als fast 4000 Personen an EHEC erkrankten und leider auch über 50 Menschen nach dem Verzehr von kontaminierten Bockshornklee-Sprossen verstarben. Obwohl es in Baden-Württemberg nur vergleichsweise wenige Erkrankte gab, mussten damals auch in unserem Labor hunderte von Proben in kurzer Zeit untersucht werden. Hier zeigte sich, wie gut das „Erkrankungslabor“ auch logistisch auf den plötzlichen Anfall von großen Mengen an nicht planbaren Proben eingestellt war – und auch in Zukunft sein wird.

 

Mit großem Einsatzwillen, hoher Flexibilität und großer fachlicher Kompetenz im Labor werden Proben auch spät am Tag, am Wochenende und zur Not auch an Feiertagen bearbeitet, um eine möglichst zeitnahe Ergebnismitteilung zu ermöglichen. Denn insbesondere noch laufende Erkrankungsgeschehen sind natürlich von äußerster Dringlichkeit; hier gilt es weitere Erkrankungen oder noch Schlimmeres durch rasches Handeln zu verhindern.

 

Unabdingbar ist hierbei auch die reibungslose Zusammenarbeit mit unseren Partnern. Schon innerhalb des CVUA Stuttgart wird das Thema Erkrankungsproben von einem interdisziplinären Team aus Sachverständigen der Tiermedizin, Biologie und Lebensmittelchemie aus verschiedenen Abteilungen bearbeitet. Diese bereichsübergreifende Arbeit setzt sich auch in der Kooperation mit den unteren Lebensmittelbehörden (LMÜ) der Städte und Landratsämter und den Kolleginnen und Kollegen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) fort. Gemeinsam mit dem Landesgesundheitsamt wurde eine Fortbildungsreihe für Vertreterinnen und Vertreter der LMÜs und des ÖGD ins Leben gerufen, um die Kommunikation und Zusammenarbeit der im Ausbruchsfall betroffenen Bereiche zu fördern.

 

Um diese anspruchsvolle Aufgabe zu unterstützen, wurde bereits 2015 in Baden-Württemberg als erstem Bundesland ein gemeinsamer Leitfaden "Management lebensmittelassoziierter Infektionen in Baden-Württemberg" geschaffen, der als Handreichung für den „Ernstfall“ dient. Um aktuelle Entwicklungen und Veränderungen aufzunehmen wurde der Leitfaden 2024 aktualisiert.

 

Die Mitarbeitenden des „Erkrankungslabors“ blicken somit heute auf 25 erfolgreiche Jahre zurück, in denen organisatorisch, methodisch und hinsichtlich der Optimierung der Kommunikation auf allen Ebenen viel vorangebracht wurde. Kleine und große Erfolge konnten mit viel detektivischem Geschick und großer Freude an der Aufgabe gefeiert werden. Einige der spannendsten Fälle wurden wissenschaftlich aufbereitet und zusammen mit unseren Partnern publiziert (s. Literatur im Anhang).

 

Einen kleinen Rückblick auf die letzten 25 Jahre und Einblick in unsere Arbeit bietet auch die Folge „25 Jahre Erkrankungslabor – Auf Spurensuche in verdächtigen Lebensmitteln“ in unserer Podcast-Reihe „Apfel-Vogel-Stories – Geschichten aus dem Untersuchungsamt“.

 

Unsere Publikationen zum Thema:

Hendrickx D, Varela Martínez C, Contzen M, Wagner- Wiening C, Janke K-H, Hernando Jiménez P, Massing S, Pichler J, Tichaczek-Dischinger P, Burckhardt F, Stark K, Katz K, Jurke A, Thole S, Carbó R, Pascual del Pobil Ferré M, Nieto M, Zamora MJ, Sisó A, Pallares García P, Valdezate S, Schaade L, Worbs S, Dorner BG, Frank C, Dorner MB
First cross-border outbreak of foodborne botulism in the European Union associated with the consumption of commercial dried roach (Rutilus rutilus).
Frontiers in Public Health, 2023; 10.

 

Otto-Kuhn D, Pölzelbauer C, Contzen M, Großmann E, Bauer C, Velez J
Sarkosporidien in Wildfleisch – kann der Rehbraten krank machen?
Rundschau für Fleischhygiene und Lebensmittelüberwachung, 2021; 73: 156–157.

 

Halbedel S, Wilking H, Holzer A, Kleta S, Fischer MA, Lüth S, Pietzka A, Huhulescu S, Lachmann R, Krings A, Ruppitsch W, Leclercq A, Kamphausen R, Meincke M, Wagner-Wiening C, Contzen M, Kraemer IB, Al Dahouk S, Allerberger F, Stark K, Flieger A
Large Nationwide Outbreak of Invasive Listeriosis Associated with Blood Sausage, Germany, 2018–2019.
Emergerging Infectious Diseases, 2020; 26(7): 1456–1464.

 

Otto-Kuhn D & Oberreuter H
Listeria monocytogenes im Erkrankungszusammenhang: Rückblick auf die Jahre 2010 bis 2019 in Baden-Württemberg.
Deutsche Lebensmittel-Rundschau, 2020, 116: 147–152.

 

Oberreuter H & Rau J
Artificial neural network-assisted Fourier transform infrared spectroscopy for differentiation of Salmonella serogroups and its application on epidemiological tracing of Salmonella Bovismorbificans outbreak isolates from fresh sprouts.
FEMS Microbiology Letters, 2019; 366: fnz193.

 

Fetsch A, Contzen M, Hartelt K, Kleiser A, Maassen S, Rau J, Kraushaar B, Layer F, Strommenger B
Staphylococcus aureusfood-poisoning outbreak associated with the consumption of ice-cream.
International Journal of Food Microbiology, 2014; 187: 1–6.

 

Johler S, Tichaczek-Dischinger PS, Rau J, Sihto HM, Lehner A, Adam M, Stephan R
Outbreak of staphylococcal food poisoning due to SEA producing Staphylococcus aureus.
Foodborne Pathogens and Disease, 2013; 10: 777–781.

 

Tichaczek-Dischinger PS, Schreihans K, Kommer AE, Horlacher S
Genuss oder Verdruss - Krank nach dem Verzehr von Thunfisch?
Deutsche Lebensmittel-Rundschau, 2012; 448–451.

 

Kamga Wambo GO, Burckhardt F, Frank C, Hiller P, Wichmann-Schauer H, Zuschneid I, Hentschke J, Hitzbleck T, Contzen M, Suckau M, Stark K
The proof of the pudding is in the eating: an outbreak of emetic syndrome after a kindergarten excursion, Berlin, Germany, December 2007.
Eurosurveillance, 2011; 16(15): article 3.

 

Mayr C, Strohe G, Contzen M
Detection of rotavirus in food associated with a gastroenteritis outbreak in a mother and child sanatorium<.
International Journal of Food Microbiology, 2009; 135: 179–182.

 

Ike A, Brockmann S, Hartelt K, Marschang R, Contzen M, Oehme R
Molecular Epidemiology of Norovirus in Outbreaks of Gastroenteritis in Southwest Germany from 2001 to 2004.
Journal of Clinical Microbiology, 2006; 44(4): 1262–1267.

 

 

Artikel erstmals erschienen am 02.05.2025