Qualität von Thunfisch zur Herstellung von Sushi
Dr. Daniela Noack, Claudia Andlauer, Theresa Bäuerle
Sushi – längst nicht mehr nur in Japan beliebt - ist von einem Lifestylefood zum beliebten Snack geworden. Gab es anfangs die Bars und Restaurants nur vereinzelt, so ist das Produkt inzwischen auch beim Discounter um die Ecke zu haben. Die Nachfrage ist hoch: gerade jüngere Verbraucher legen Wert auf Bequemlichkeit und Qualität. Die Marktdurchdringung auf dem Snackmarkt hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, mit einem Anstieg von etwa 7 % auf über 30 %. [1], [2]
Zur Herstellung von Sushi werden außer Reis z. B. zerkleinerter roher Fisch und Meeresfrüchte sowie rohes Gemüse verwendet. Das fertige Produkt wird roh verzehrt. Deshalb spielen Frische, Qualität und einwandfreie mikrobiologische Beschaffenheit der Ausgangsprodukte eine besondere Rolle. Am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Karlsruhe wurden 13 Proben rohes Thunfischfilet aus der Sushi-Gastronomie untersucht. Diese wurden auf das biogene Amin Histamin als chemischer Verderbsindikator sowie auf das Vorhandensein von bzw. den Gehalt an verschiedenen Bakterien getestet. Das Ergebnis war zwiespältig: Vier der 13 Proben waren mit unerwünschten Keimen belastet, eine Probe fiel durch ihre deutlich hellrote Farbe auf. Bei 8 Proben waren die Ergebnisse insgesamt unauffällig.
Abbildung 1: Nigiri Sushi in unterschiedlicher Zusammensetzung.
Life happens, Sushi helps*
Bei Sushi handelt es sich um ein japanisches Gericht. Es besteht hauptsächlich aus gekochtem Reis, den man vor der Herstellung erkalten lässt und der anschließend gesäuert wird. Weiterhin findet getrockneter und gerösteter Seetang (Nori) Verwendung. Je nach Zusammenstellung, Art und Rezept können Zutaten wie z. B. Fisch, Meeresfrüchte, Gemüse und vieles andere eingesetzt werden. Meist wird zu rohen Zutaten gegriffen, zu Fisch aber auch in geräucherter oder getrockneter Form.
*etwa: Was immer Dir im Leben passiert, Sushi hilft
Wer Großes tun will, muss zuerst das Kleine tun**
Untersuchungen am CVUA Karlsruhe
Am CVUA Karlsruhe wurden 13 Proben rohes Thunfischfilet und Filetstücke, die noch nicht mundgerecht zerkleinert worden waren, untersucht. Der Schwerpunkt lag auf den sensorischen Eigenschaften Frische (Aussehen, Geruch, Geschmack) und Anwesenheit von unerwünschten Keimen (Krankheits- und Verderbniserregern sowie Hygienekeimen). Weiterhin wurde chemisch auf den Verderbsmarker Histamin geprüft. Histamin ist ein biologisch aktives Amin, das bei empfindlichen Personen bereits in geringen Konzentrationen allergische Reaktionen hervorrufen kann. Es kann durch verschiedene Bakterienarten aus dem in Thunfisch reichlich vorhandenen Eiweißbaustein Histidin gebildet werden.
Bei der Bewertung wurde berücksichtigt, inwiefern die Temperatur bei Kühllagerung im Gastronomiebetrieb und die Einhaltung der Kühlkette bis zur Untersuchung einen Einfluss auf die Ergebnisse hatten.
Abbildung 2: Zuschnitte rohes Thunfischfleisch für Sushi (Probe in Aussehen, Geruch und Geschmack unauffällig).
Der unauffällige Fisch ist immer der beste**
Sensorische Qualität und Histamingehalte
Von den vorgelegten 13 Proben rohen Thunfischfleischs waren 12 Proben hinsichtlich ihrer sensorischen Qualität in Aussehen, Geruch und Geschmack unauffällig. Bei diesen Proben war keine Histaminbildung nachweisbar.
Eine Probe fiel im Aussehen durch eine auffällig hellrote Farbe auf, die auch nach dem Kochen bestehen blieb (siehe Abbildungen 3 und 4). Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass es sich bei dieser Probe um farbstabilisiertes Thunfischfleisch handeln könnte. Unbehandelte Thunfischproben verlieren bei Hitzeeinwirkung ihre rote Farbe und werden gräulich.
Ein Zeichen für Frische ist bei rohem Thunfischfleisch vor allem die rote Farbe, die durch den hohen Anteil an dem Muskelprotein Myoglobin bedingt ist. Durch den Abbau von Myoglobin bei der Lagerung wird Thunfischfleisch zunehmend bräunlich-grau. Daher gab es in der Vergangenheit immer wieder Versuche zur Stabilisierung der roten Farbe, beispielsweise durch unzulässigen Zusatz von Nitriten oder Nitraten oder unzulässige Behandlung mit Kohlenmonoxid-Gas (stabiler hellroter Komplex mit Myoglobin). Auch eine Färbung mit Lebensmittelfarbstoffen wäre für rohes Thunfischfleisch nicht zulässig.
Durch die Farbstabilisierung wird eine besondere Frische vorgetäuscht, da sich die Farbe des Fischfleisches auch bei längerer Lagerung nicht mehr in das typische braun-grau ändert. Verbraucherinnen und Verbraucher können so der erhöhten Gefahr einer Histaminvergiftung ausgesetzt werden, da der beginnende Verderb nicht mehr erkennbar ist.
Weitere Informationen zur Farbstabilisierung von Thunfischfleisch finden sich in unserem Artikel „Thunfisch nach Art „Badisches Schäufele” (Homepage Untersuchungsämter-BW).
Abbildungen 3 und 4: Farbstabilisiertes rohes Thunfischfleisch mit auffällig leuchtend hellroter Farbe (nach Entnahme von Probenmaterial für die mikrobiologische Untersuchung), rechts nach dem Garen mit untypischer hitzestabiler roter Färbung.
Sensorisch waren bei dieser farblich auffälligen Probe geruchlich und geschmacklich noch keine Verderbsmerkmale feststellbar. Hinsichtlich des Histamingehalts war die Probe ebenfalls unauffällig. Die Probe wurde jedoch wegen nicht zugelassener Farbstabilisierung beanstandet.
Kühlkette und Kühlmanagement
Erfreulich war, dass alle Thunfischfilets bzw. Thunfischfiletstücke bei der Entnahme unter sachgerechten Kühl- oder Tiefkühltemperaturen vorgefunden wurden. Die Kühltemperaturen lagen innerhalb einer sehr engen Spanne von 1,4 bis 3,7 °C. In drei Fällen wurden die Produkte unter Tiefkühlbedingungen (minus 17 bzw. minus 20 °C) gelagert.
Geeignete Lagerbedingungen sind bei Thunfisch von großer Bedeutung, da erhöhte Histaminkonzentrationen u. a. durch Bakterieneintrag i. V. m. zu hohen Lagertemperaturen entstehen können.
Kühlkette
lückenlose Kühlung von Lebensmitteln beim Transport zwischen Hersteller, Großhändler, Händler und Verbraucher (hier: von der Aufbewahrung im Gastronomiebetrieb bis zur Untersuchung im Labor)
Mikrobiologische Qualität
Alle Proben wurden quantitativ auf typische Verderbniserreger wie z. B. Pseudomonaden als auch auf Hygieneindikatoren getestet. Qualitativ wurde auf das Vorhandensein von Krankheitserregern (Salmonellen und Listeria monocytogenes) untersucht. Diese waren glücklicherweise in keiner Probe nachweisbar.
In knapp einem Drittel aller Proben konnten unerwünschte Mikroorganismen gefunden werden, meist mehrere Keimarten nebeneinander.
Für Bakterien, die ursächlich beim Verderb oder als Hygieneindikatoren eine Rolle spielen, gibt es für rohen Thunfisch keine rechtlich verbindlichen Grenzwerte. Es existieren jedoch Empfehlungen, an denen man sich bei der Beurteilung der Funde orientieren kann:
Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM):
Richt- und Warnwerte für verschiedene Lebensmittel im Hinblick auf ihre mikrobiologische Beschaffenheit
(hier: Filetware von Seefischen)
Je nach Höhe des Keimgehalts an Verderbniserregern oder Hygieneindikatoren werden dabei drei Kategorien unterschieden:
- Keimflora entspricht einer Guten Hygiene- und Herstellungspraxis (d.h. alle Ergebnisse liegen unter den Richtwerten für die jeweiligen Parameter)
- Keimzahlen weisen auf Schwachstellen in Hygiene- und Herstellungspraxis hin (ein, mehrere oder alle Ergebnisse liegen über den Richtwerten für die jeweiligen Parameter)
- Es muss davon ausgegangen werden, dass die Prinzipien der guten Hygiene- und Herstellungspraxis verletzt und/oder das Mindesthaltbarkeitsdatum zu lange berechnet wurden (ein oder mehrere Ergebnisse liegen über den Warnwerten für die jeweiligen Parameter)
Abbildung 5: Anteil der Thunfischproben in den drei Kategorien der DGHM
Bei einer Probe war der Warnwert für Enterobakteriazeen (Hygieneindikatoren) mit 4,8 E7 KBE/g weit überschritten. Auch Pseudomonaden, die sich als typische Eiweißverderber in rohem Fisch besonders wohlfühlen, waren dort in stark erhöhter Zahl nachweisbar. Die Gehalte an Pseudomonaden waren auch in zwei anderen Proben signifikant erhöht.
Bei drei Proben, die am Entnahmeort bei Tiefkühltemperaturen (minus 17 bzw. minus 20 °C gelagert worden waren, waren alle Ergebnisse unauffällig. Hier zeigte sich ein positiver Zusammenhang zwischen einer sehr niedrigen Aufbewahrungstemperatur und einer einwandfreien mikrobiologischen Beschaffenheit besonders deutlich.
Nachlässigkeit ist ein großer Feind**
Unter den insgesamt vier mikrobiologisch auffälligen Proben stach ein Filet besonders hervor: Hier konnten wir erhöhte Keimzahlen an Fäkalindikatoren (50 KBE/ml) nachweisen. Solche Bakterien waren in keiner anderen Probe zu finden.
Fäkalindikatoren
Bakterien, die z. B. in Lebensmitteln und Trinkwasser nachgewiesen werden können. Der Nachweis zeigt an, dass eine Verunreinigung mit Fäkalien von Tier oder Mensch vorliegt. Ein klassischer Fäkalindikator ist das Bakterium Escherichia coli.
Die Probe war sachgerecht bei einer Lagerungstemperatur von minus 7,9 °C vorgefunden worden und kam mit minus 5°C bei uns an. Zwischen Entnahme und Probeneingang lagen nur drei Stunden. Anschließend wurde sie kontrolliert bei unter 7 °C bis zum nächsten Tag aufgetaut.
Angesichts dessen war der Nachweis von Escherichia coli–Keimen verblüffend: Diese Bakterien sind sehr kälteempfindlich und ihre Zahl nimmt i. d. R. beim Gefrieren rasch ab.
Da Thunfischfilets zur Herstellung von Sushi vor dem Verzehr stark zerkleinert werden müssen – ein hygienisch riskanter Arbeitsschritt – war dieser Fund umso gravierender.
Abbildung 6: Kultur von Escherichia-coli-Keimen (Fäkalindikatoren)
Es genügt nicht, zum Fluss zu kommen mit dem Wunsch, Fische zu fangen. Man muss auch das Netz mitbringen. **
Damit das Endprodukt Sushi hygienisch einwandfrei und in hoher Qualität angeboten werden kann, müssen die Ausgangsprodukte hochwertig und sicher sein. Von Bakterien besiedelte Thunfischfilets führen nicht zwingend zu Auffälligkeiten in Geruch oder Geschmack – hier kommt es auf die Keimart, den Gehalt und die Stoffwechselaktivität der Keime an.
Das Hygiene- bzw. Verderbsrisiko besteht v. a. darin, dass die Filets zu sehr kleinen Stückchen weiterverarbeitet werden. Dabei werden natürliche Barrieren, die die Fischmuskulatur gegenüber Einwirkungen von außen schützen, zerstört. Ist das Filet bereits von einer großen Zahl von Bakterien besiedelt, können sich als Folge manche Arten mit hoher Zellteilungsrate, z. B. Escherichia coli – Keime, rasch vermehren.
Auch wenn es – wie oben beschrieben – keine rechtlich verbindlichen Grenzwerte für Verderbs- und Hygienekeime gibt, so existieren sehr wohl Rechtsvorschriften, die festlegen, dass Lebensmittel keiner sogenannten nachteiligen Beeinflussung ausgesetzt werden dürfen. Unter diesen Begriff fällt die Kontamination mit Mikroorganismen.
Anforderungen an räumliche Gegebenheiten, Einrichtungen und Gegenstände sowie Kriterien für die erfolgreiche Reinigung und Desinfektion sind ebenfalls vorgeschrieben.
Welches „Netz“ sollte der Vorausschauende zur Zubereitung von Sushi mitbringen? Eines mit kleinen Maschen, ein System, das qualitativ niedrige Ware draußen hält und dafür sorgt, dass die gute Herstellungspraxis stets eingehalten wird.
Mit anderen Worten: ein Hygienenetz…
**Japanische Sprichwörter
Literatur
[1] Handelsblatt-Artikel; „Sushi-Hype: Die Deutschen lieben rohen Fisch“, vom 07.10.2017 - 16:41 Uhr, https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/sushi-hype-die-deutschen-lieben-rohen-fisch/20424036.html (abgerufen am 08.04.2025)
[2] Marktstudie von Businesscoot: „Der sushi-markt – Deutschland, Zusammenfassung unserer Marktforschung, Aktualisiert am: 30/08/2022 https://www.businesscoot.com/de/marketstudie/der-sushi-markt-deutschland (abgerufen am 08.04.2025)