Aromen im Wein – aus der Traube oder dem Chemielabor? Optimierung der Probenaufarbeitung für die GC-MS-Untersuchung von Lactonen in Wein

Scanlan Sierra S., Amann G., Huang Y., Rupp M. (CVUA Freiburg)

 

Pfirsiche

Alkoholische Getränke, darunter insbesondere Weine, gehören seit Jahren zu den am häufigsten gefälschten Lebensmitteln [1]. Neben verbotener Wässerung und Zuckerung sowie falschen Angaben in der Etikettierung sind auch Fälle unzulässiger Aromatisierung unter den festgestellten Verstößen. Im Rahmen der Verkostung von Weinen fallen immer wieder Proben mit einem auffällig fruchtigen Geruch bzw. Geschmack auf. Zwar gehört eine Pfirsich-Note durchaus zu den charakteristischen Aromen einiger Rebsorten, insbesondere Riesling, jedoch ist der sensorische Eindruck in der Nase und am Gaumen in diesen Verdachtsfällen oft ungewöhnlich intensiv und erinnert an Dosenpfirsich. Daher werden derartige Weine analytisch genauer unter die Lupe genommen.

 

Lacton-Aromen

Bei den Fruchtaromen in Wein handelt es sich um eine Vielzahl an komplexen chemischen Verbindungen, die neben der Weintraube auch in anderen Obstarten vorkommen und daher für bestimmte Früchte typisch sind. Eine der wichtigsten Substanzklassen sind die Lactone, cyclische Ester von Hydroxycarbonsäuren, die natürlicherweise und weit verbreitet in Obstsorten als aromagebende Komponenten zu finden sind. Lactone sind aber auch häufiger Bestandteil von Aromapräparaten, die bei der Herstellung von Getränken zur Erzielung fruchtiger Geruchs- und Geschmacksnoten eingesetzt werden. Eines der häufigsten Lactone ist das γ-Decalacton (C 10-Molekül mit γ-ständiger Hydroxygruppe), das als Aromastoff in Früchten wie Ananas, Aprikose, Erdbeere, Maracuja, Mango und insbesondere Pfirsich vorkommt. Bei letzterem tragen aber auch die Homologen γ-Undecalacton (C 11) und γ-Dodecalacton (C 12) zum sensorischen Gesamteindruck bei.

Infokasten

Lactone sind chirale Verbindungen, dies bedeutet, dass es von jedem Lacton zwei Varianten, sog. Enantiomere gibt, deren chemische Zusammensetzung identisch ist, die sich aber in ihrer räumlichen Ausrichtung unterscheiden und sich daher wie Bild und Spiegelbild (R- und S- Konfiguration) verhalten.

 

Strukturformeln am Beispiel der γ-Decalacton-Enantiomere:

 

(R)- und (S)-gamma-Decalacton

 

(R) γ-Decalacton

 

 

(S) γ-Decalacton

 

 

Aufgrund der natürlichen stereoselektiven, enzymkatalysierten Biogenese werden in Früchten stets die Lactone mit R-Konfiguration bevorzugt gebildet. So beträgt beispielsweise das Enantiomerenverhältnis R: S des γ-Decalactons in Pfirsichen 88 % : 12 % [2].

Bei der synthetischen Herstellung von Lactonen tritt dagegen keine Bevorzugung eines der Enantiomere auf. Beide Formen werden daher nahezu im gleichen Verhältnis von ca. 50 % : 50 % gebildet. In diesem Fall spricht man von einem sog. Racemat oder racemischen Gemisch.

γ-Lactone treten in authentischen, unverfälschten Weinen nicht oder höchstens in geringen Konzentrationen auf, dann aber nicht in racemischen Enantiomerenverhältnissen. Eine Bildung durch Gärungs- und Reifeprozesse oder eine Freisetzung durch Aromaenzyme ist nicht bekannt. Lediglich der Einsatz bestimmter Heferindenpräparate kann zur Bildung von γ-Decalacton in sensorisch relevanten Mengen führen. Die Enantiomeren liegen in diesen Fällen jedoch in einem abweichenden Verhältnis R : S von ca. 2 : 1 vor [3].

Ein Eintrag von Lactonen in racemischen Verhältnissen durch zulässige önologische Verfahren ist nach derzeitigem Kenntnisstand somit auszuschließen. Bei einem gesicherten Nachweis von γ-Lactonen in Wein in ausgeglichenen Enantiomerenverhältnissen ist daher von einem Zusatz bzw. Eintrag von weinfremden Aromen auszugehen, häufig in Form handelsüblicher Fruchtliköre oder Aromakonzentrate.

 

Probenaufarbeitung – Optimierung der Extraktion

Bislang wurden intern Lactone mit der sog. Kaltron-Methode aus dem Wein extrahiert. Bei dieser Methode wird Wein mit Kaltron (1,1,2-Trichlor-1,2,2,-trifluorethan, TCTFE, FreonTM 113, FrigenTM) und Natriumchlorid versetzt und geschüttelt. Das Kaltron scheidet sich am Boden des Gefäßes ab und kann durch Zentrifugieren gut abgetrennt werden. Diese Lösungsmittelphase kann im Anschluss direkt in das GC-MS-Messgerät injiziert werden [4].

Bei Kaltron handelt es sich jedoch um eine Substanz aus der Gruppe der Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), die für ihren starken Treibhauseffekt bekannt sind, zur Schädigung der Ozonschicht beitragen und Gewässer gefährden. Laut einer EU-Verordnung darf der Stoff, der als Kälte- bzw. Reinigungsmittel verwendet wurde, nicht produziert, in Verkehr gebracht oder verwendet werden. Ausnahmen bestehen nur für bestimmte wesentliche Verwendungszwecke [5]. Im Handel kann Kaltron aufgrund dieser Regelungen nur noch in Kleinstmengen zu Referenzzwecken erworben werden.

Somit wurde aus Gründen des vorbeugenden Umwelt- und Arbeitsschutzes ein Ersatz für die Kaltron-Methode gesucht. Ziel war es, eine alternative Probenaufarbeitung ohne Kaltron-Extraktion, aber mit gleicher Empfindlichkeit und Aussagekraft zu entwickeln.

Hierzu wurden verschiedene SPE-Kartuschen und verschiedene Eluenten getestet. Die Weinproben wurden unverdünnt eingesetzt. Die besten Erfolge gelangen mit SPE-Kartuschen mit einer Füllmenge von 200 mg und einem Volumen von 3 mL, die ein hochvernetztes, makroporöses PS-DVB-Copolymer (Polystyrol polymerisiert mit Divinylbenzol) enthalten. Unter leichtem Vakuum werden Probe und Kalibrierlösungen, zusammen mit ε-Decalacton als interner Standard über die SPE-Kartuschen gezogen. Anschließend werden diese noch mit Wasser und einem Methanol/Acetonitril-Gemisch gespült und zum Schluss mit Ethylacetat eluiert.

1 µL des Eluats wird in das GC-MS-System injiziert und auf einer chiralen Trennphase in die Enantiomeren aufgetrennt. Im SIM-Mode werden bestimmte einzelne Massen der Lactone (m/e 85 für γ-Lactone und m/e 99 für δ-Lactone) erfasst. Das aus einer 3-Punkt-Kalibrierung erhaltene Ergebnis ergibt die in der Probe enthaltene Menge der einzelnen R- bzw. S-Enantiomere sowie das Verhältnis der jeweiligen R- und S-Enantiomere zueinander.

Die Bestimmungsgrenze wurde pro Enantiomer auf 5 µg/L Wein berechnet, die Summe beider Enantiomere auf 10 µg/L.

Mit dieser FCKW-freien Probenaufarbeitung ohne Kaltron können nun weiterhin C 8- bis C 12-Lactone sowohl einzeln quantitativ bestimmt als auch ihre R : S-Verteilungen ermittelt werden.

 

Messung mittels GC-MS

Mittels dieser optimierten gekoppelten Gaschromatographie-Massenspektrometrie-Methode (GC-MS) wurden im Zeitraum 2021 bis 2024 insgesamt 145 alkoholische Getränke auf einen Zusatz oder Eintrag von weinfremden Aromen untersucht. Von 138 Weinen waren 7 (5 %) aufgrund ihres racemischen Verhältnisses der Lactone auffällig und folglich zu beanstanden. Zwei dieser Weine waren bereits sensorisch auffällig, u.a. aufgrund eines deutlich fruchtigen Geruchs bzw. Geschmacks. Die gemessenen Gehalte der auffälligen Proben und ihre Enantiomerenverhältnisse sind in Tabelle 1 aufgeführt.

 

Tabelle 1: Messergebnisse der auffälligen Proben in µg/L Wein.

Rebsorte Decalacton (C10) Undecalacton (C11) Dodecalacton (C12)
  γ- R:S δ- R:S γ- R:S δ- R:S γ- R:S δ- R:S
Spätburgunder (Rosé) 15 53:47 <10 - 17 53:47 <10 - <10 - <10 -
Weißwein 15 54:46 <10 - 18 53:47 <10 - <10 - 10 53:47
Müller-Thurgau 12 55:45 <10 - 12 50:50 <10 - <10 - <10 -
Müller-Thrugau 29 54:46 11 57:43 30 50:50 <10 - <10 - 14 56:44
Riesling 66 54:46 20 55:45 71 50:50 <10 - 19 51:49 23 52:48
Müller-Thurgau 10 55:45 11 61:39 10 51:49 <10 - <10 - 12 57:43
Chardonnay <10 - <10 - 70 51:49 <10 - <10 - <10 -

 

Die folgenden Chromatogramme zeigen jeweils ein Beispiel für

- einen Lacton-Standard (Verhältnis R : S = ca. 50 : 50

- einen nicht aromatisierten Riesling-Wein (Lacton-Gehalte < BG)

- ein Pfirsich-Aroma (typisches Verhältnis R : S = ca. 50 : 50) und

- einen damit aromatisierten Riesling-Wein (auffälliges 50 : 50-Verhältnis R : S),

jeweils für die charakteristischen extrahierten Lacton-Massen m/e 85 für die γ-Lactone und m/e 99 für die δ-Lactone.

 

1. γ-Lactone, Masse m/e 85

1.1 Standard à 50 µg/L (Verhältnis R : S = ca. 50 : 50)

1.1 Standard à 50 µg/L (Verhältnis R : S = ca. 50 : 50)

 

1.2 Riesling original, nicht aromatisiert (Lacton-Gehalte < BG)

1.2 Riesling original, nicht aromatisiert (Lacton-Gehalte < BG)

 

1.3 Pfirsicharoma (Verhältnis R : S = ca. 50 : 50)

1.3 verwendetes Pfirsicharoma (Verhältnis R : S = ca. 50 : 50)

 

1.4 Riesling aromatisiert (Verhältnis R : S = ca. 50 : 50)

1.4 Riesling aromatisiert (Verhältnis R : S = ca. 50 : 50)

 

2. δ-Lactone, Masse m/e 99

2.1 Standard à 50 µg/L (Verhältnis R : S = ca. 50 : 50)

2.1 Standard à 50 µg/L (Verhältnis R : S = ca. 50 : 50)

 

2.2 Riesling original, nicht aromatisiert (Verhältnis R : S = ca. 100 : 0)

2.2 Riesling original, nicht aromatisiert (Verhältnis R : S = ca. 100 : 0)

 

2.3 Pfirsicharoma (Verhältnis R : S = ca. 50 : 50)

2.3 verwendetes Pfirsicharoma (Verhältnis R : S = ca. 50 : 50)

 

2.4 Riesling aromatisiert (Verhältnis R : S = ca. 50 : 50)

2.4 Riesling aromatisiert (Verhältnis R : S = ca. 50 : 50)

 

Rechtliche Auswirkungen

Gemäß den weinrechtlichen Vorgaben, insbesondere der Delegierten Verordnung (EU) 2019/934 [6], dürfen nur die aufgeführten önologischen Verfahren für die Erzeugung und Haltbarmachung von Weinbauerzeugnissen in der EU verwendet werden. Ein Zusatz bzw. Eintrag von weinfremden Aromen ist dort nicht aufgeführt und stellt somit ein unzulässiges önologisches Verfahren dar. Erzeugnisse dürfen in der EU nicht vermarktet werden, wenn sie Gegenstand von nicht zugelassenen önologischen Verfahren waren.

 

Fazit

Nicht alle unzulässig aromatisierten Proben sind auch sensorisch eindeutig auffällig. Umso wichtiger ist es, Weine in der Routine regelmäßig auf einen Zusatz bzw. Eintrag weinfremder Aromen zu untersuchen. Dies kann analytisch zweifelsfrei nachgewiesen werden.

Durch die Optimierung der Probenaufarbeitung des bewährten Untersuchungsverfahrens ist der Nachweis, die quantitative Bestimmung und die Berechnung der R : S-Verhältnisse für γ- und δ–Lactone (C 8 bis C 12) ab einem Gehalt von 5 µg/L je Isomer am CVUA Freiburg auch ohne das umwelt- und gesundheitsschädliche Extraktionsmittel Kaltron möglich.

Im Zeitraum von 2021 bis 2024 konnten mit dieser optimierten gekoppelten Gaschromatographie-Massenspektrometrie-Methode insgesamt 145 alkoholische Getränke auf einen Zusatz oder Eintrag von weinfremden Aromen untersucht werden. Aufgrund ihres racemischen Verhältnisses der Lactone waren von 138 Weinen 7 (5 %) auffällig und folglich zu beanstanden.

 

Literatur

[1] European Commission, Alert and Cooperation Network (ACN), Annual Report 2023 (https://food.ec.europa.eu/document/download/911d49f2-b3ef-4752-8ea3-5f20dbbe9945_en?filename=acn_annual-report_2023.pdf)

[2] Lehmann, D., Dietrich, A., Schmidt, S., Dietrich, H., Mosandl, A.; Stereodifferenzierung von γ(δ)-Lactonen und ((E)-α-Ionon verschiedener Früchte und ihrer Verarbeitungsprodukte; 1993; Zeitschrift für Lebensmittel-Untersuchung und -Forschung; 196; S. 207-213

[3] Lampe, U., 38 th World Congress of Vine and Wine, 06005 (2015) DOI: 10.1051/oivconf/201506005

[4] Rapp, A; Yavas, I; Hastrich, U. H, Einfache und schnelle Anreicherung (Kaltronmethode) von Aromastoffen des Weines und deren quantitative Bestimmung mittels Kapillargaschromatographie, Deutsche Lebensmittel-Rundschau. 1994, Vol 90, Num 6, pp 171-174

[5] Verordnung (EU) 2024/590 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Februar 2024 über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen, und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1005/2009 (ABl. L vom 20.2.2024, S. 1)

[6] Delegierte Verordnung (EU) 2019/934 der Kommission vom 12. März 2019 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Anbauflächen, auf denen der Alkoholgehalt der Weine erhöht werden darf, der zugelassenen önologischen Verfahren und der Einschränkungen für die Erzeugung und Haltbarmachung von Weinbauerzeugnissen, des Mindestalkoholgehaltes von Nebenerzeugnissen und deren Beseitigung sowie der Veröffentlichung von OIV-Dossiers (ABl. L 149 vom 7.6.2019, S. 1)

 

Bildnachweis

Foto Pfirsich: Alana Jordan auf Pixaybay

Chromatogramme: CVUA Freiburg

 

 

 

Artikel erstmals erschienen am 05.03.2025