Lebensmittelbetrug bei Waldheidelbeererzeugnissen

Katrin Tränkle, Dr. Jörg Rau

 

Lebensmittelbetrug hört nicht an Landesgrenzen auf. Auf Europäischer Ebene werden in speziellen OPSON-Operationen gezielt ausgewählte Schwerpunkt-Lebensmittel auf Verfälschung untersucht. Deutschland beteiligte sich bei dem diesjährigen OPSON XIII-Programms mit Untersuchungen zur Kennzeichnung und Verfälschung von Erzeugnissen mit Waldheidelbeeren. Hierzu wurden Heidelbeererzeugnisse mit der Bezeichnung oder der Zutat Waldheidelbeeren auf die tatsächlich verwendeten Beeren untersucht. Der Bericht über die gemeinsame Aktion zum Schutz vor Lebensmittelbetrug ist nun vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) veröffentlicht. In Deutschland haben sich neben Baden-Württemberg sieben weitere Bundesländer beteiligt, welche insgesamt 70 Heidelbeerproben analysierten.

 

Einordnung der Heidelbeererzeugnisse

Die Verkehrsauffassungen verschiedener Heidelbeererzeugnissen sind in den Leitsätzen für Obsterzeugnisse der Deutschen Lebensmittelbuchkommission beschrieben [1]. Dabei gibt es für verschiedene Produktgruppen wichtige Unterschiede:

 

Hiernach sind tiefgefrorene Heidelbeeren, „Erzeugnisse aus den frischen, gesunden Früchten der Waldheidelbeere Vaccinium myrtillus L. oder Vaccinium angustifolium L. sowie der Kultur-Heidelbeere Vaccinium corymbosum L. Tiefgefrorene Heidelbeeren werden mit der Bezeichnung Heidelbeeren, Waldheidelbeeren, Wildheidelbeeren oder Blaubeeren in Verkehr gebracht. Bei Verwendung von Kulturheidelbeeren sind die Bezeichnungen Heidelbeeren sowie Kultur-Heidelbeeren üblich, die Bezeichnungen Blaubeeren, Waldheidelbeeren und Wildheidelbeeren werden dabei nicht verwendet.“

 

Im Gegensatz dazu werden Heidelbeerkonserven laut den Leitsätzen für Obsterzeugnisse nur „aus den reifen und gesunden Früchten der Waldheidelbeere Vaccinium myrtillus L. hergestellt. Heidelbeeren werden als ganze Frucht mit der Bezeichnung Heidelbeeren, Waldheidelbeeren oder Blaubeeren in Verkehr gebracht.“

 

Zur Herstellung von Heidelbeerkonserven werden üblicherweise tiefgefrorene Heidelbeeren verwendet [1].

 

Abbildung 1: Glasschalen mit Heidelbeererzeugnissen aus dem Glas und aufgetaut.

Abbildung 1: Abbildung von Heidelbeererzeugnisse aus dem Glas (unten) und aufgetaut (oben, rechts)

 

Gattung Vaccinium

Zu der botanischen Gattung Vaccinium gehören verschiedenste Pflanzenarten, von denen die kommerziell wichtigsten Arten den botanischen Sektionen Cyanococcus, Myrtillus und Vitis-Idaea zugeordnet sind. In Deutschland und Europa ist in erster Linie die Waldheidelbeere und die Preiselbeere als traditionelles Lebensmittel von Bedeutung.

 

Bei den blau gefärbten Heidelbeeren (Sektion Myrtillus, Sektion Cyanococcus) ähneln sich die verschiedenen Arten sehr, doch durch das tiefblaue Fruchtfleisch ist die Waldheidelbeere (Sektion Myrtillus) gut von dem nahezu farblosen Fruchtfleisch der nordamerikanischen Blaubeeren (Sektion Cyanococcus) zu unterscheiden [2] (Abbildung 2).

 

Abbildung 2: Abbildung der Heidelbeerarten V. corymbosum (Kulturheidelbeere, links) und V. angustifolium (Heidelbeere, Mitte) der Sektion Cyanococcus, sowie V. myrtillus (Waldheidelbeere, rechts) der Sektion Myrtillus jeweils im Ganzen, halbiert und der zugehörige Kern (Quelle Le H, Bischoff C, CVUAS).

Abbildung 2: Abbildung der Heidelbeerarten V. corymbosum (Kulturheidelbeere, links) und V. angustifolium (Heidelbeere, Mitte) der Sektion Cyanococcus, sowie V. myrtillus (Waldheidelbeere, rechts) der Sektion Myrtillus jeweils im Ganzen, halbiert und der zugehörige Kern (Quelle Le H, Bischoff C, CVUAS).

 

Verfälschung

Nach den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuchs für Obsterzeugnisse können Verbraucherinnen und Verbraucher bei Heidelbeerkonserven mit der Auslobung Waldheidelbeeren in der Kennzeichnung die Waldheidelbeere Vaccinium myrtillus erwarten. Diese wird jedoch von Herstellern teilweise durch kostengünstigere Heidelbeerarten ersetzt. Hierfür bietet sich die kleinbeerige Heidelbeerart Vaccinium angustifolium an, welche in Konserven nicht mehr augenscheinlich von Waldheidelbeeren unterschieden werden können.

Unsere Untersuchungen richteten sich daher gezielt auf die Überprüfung der Heidelbeerart der im Handel erhältlichen Waldheidelbeerkonserven.

 

Untersuchungsmethode

Zur sicheren Bestimmung der Pflanzenart haben wir in mehreren Projekten eine Methode für die MALDI-TOF Massenspektrometrie (MS) etabliert und für Heidelbeeren validiert [3]. Bei dem Identifizierungsverfahren der MALDI-TOF MS wird ein Abgleich eines Massenspektrums der unbekannten Probe mit den in einer Datenbank hinterlegten Referenzspektren vorgenommen. Das in mikrobiologischen Laboren weit verbreitete MALDI-TOF MS Verfahren ist auch für andere Speziesbestimmungen bestens geeignet. Dies konnten wir in der Vergangenheit bereits für den Nachweis der Tierart für Fleisch, Käse oder Süßwasserkrebse zeigen (weitere Beispiele in [6]). Die Technik lässt sich auch auf Pflanzen übertragen, was deren schnelle und sichere Analyse ermöglicht. So lassen sich Blätter oder eben auch die Samen von Beeren mit der MALDI-TOF MS nach einer nur kurzen Probenvorbereitung in etwa 20 Minuten sicher identifizieren [4, 5]. Die von uns validierte Methode wurde inklusive der Referenzdatenbank anderen Landeslaboratorien, die sich an OPSON XIII beteiligten, unterstützend über die Nutzerplattform MALDI-UP zur Verfügung gestellt.

 

Untersuchungsergebnisse BW

Im Rahmen der Operation OPSON XIII wurden am CVUA Stuttgart 7 Waldheidelbeerkonserven aus dem Einzelhandel mittels MALDI-TOF MS auf ihre Heidelbeerart untersucht. Sechs Proben (86 %) mit der Bezeichnung „Waldheidelbeeren“ enthielten nicht wie vorgeschrieben die Art Vaccinium myrtillus vor. Diese Proben wurden auf Grund der nichtzutreffenden Verwendung der Bezeichnung „Waldheidelbeeren“ und dem Einsatz einer anderen Art als Vaccinium myrtillus als zur Irreführung geeignet beurteilt. Bei einem Teil der Proben wurde in der Kennzeichnung auf die Verwendung von kanadischen Früchten hingewiesen. Diese Angabe heilt aus der Sicht der Sachverständigen nicht die Verwendung von einer anderen Art als Vaccinium myrtillus, denn auch in Kanada ist die Heidelbeerart Vaccinium myrtillus in Wäldern zu finden.

 

Lediglich bei einer der sieben untersuchten Proben wurde die Art Vaccinium myrtillus auch nachgewiesen.

Unsere Ergebnisse spiegeln sich im Gesamtbild aller in Deutschland untersuchten Proben wieder. Insgesamt wurden 76 % der analysierten Obstkonserven fälschlicherweise als Waldheidelbeeren gekennzeichnet [8].

Zusammenfassende Informationen über die gesamte Aktion in Deutschland finden sie auf der Internetseite des BVL [8].

 

Ausblick

OPSON XIII lenkt die Aufmerksamkeit auf die Irreführungsmöglichkeiten rund um die beliebten blauen Früchte. Ob die Kennzeichnung zukünftig hier im Sinne des Verbraucherschutzes transparenter sein wird, werden wir in den kommenden Jahren durch gezielte Untersuchungen überprüfen.

 

Infokasten

„OPSON“-Operation

Die von Europol und INTERPOL koordinierten OPSON-Operationen werden seit dem Jahr 2011 durchgeführt.

 

Der Begriff „Opson“ stammt aus dem Griechischen und beschreibt den wertgebenden Bestandteil des Essens. OPSON steht für die ressortübergreifende Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden auf nationaler und internationaler Ebene zur Bekämpfung von irreführenden und betrügerischen Praktiken. Seit der ersten OPSON-Operation, an der 10 Staaten teilnahmen, ist die Anzahl der teilnehmenden Staaten kontinuierlich gewachsen. Aktuell sind regelmäßig mehr als 50 Staaten beteiligt.

 

Die OPSON-Operationen gliedern sich in die Planungs-, Vorbereitungs-, Durchführungs- und Auswertungsphase. In operationellen Planungssitzungen werden die neuen Untersuchungsziele aus den Ergebnissen und Erfahrungen der Vorjahre abgeleitet. Dadurch können die Operationen auf aktuelle Entwicklungen und Trends reagieren. Den beteiligten Mitgliedstaaten wird überlassen, auf welche Lebensmittel die jeweilige nationale Operation ausgerichtet werden. Bei allen Unterschieden besteht jedoch in allen beteiligten Staaten eine Gemeinsamkeit – bei schwerwiegenden Fällen mit kriminellem Hintergrund werden die Staatsanwaltschaften eingeschaltet [zusammengefasst aus 7].

 

Quellen

[1] Leitsätze für Obsterzeugnisse in der Neufassung vom 5. April 2022

[2] DLR April 2022, Blaubeeren oder blaue Beeren?, M. Kaufmann et al., S. 138–150

[3] Le QH, Bischoff C, Rau J (2023) Novel insights into plant species identification using MALDI‐TOF MS, Lebensmittelchemie, 77; S. 1

[4] Gellert A, Kapp T, Bischoff C, Rau J (2024) Neue Schnellmethode zur Identifizierung von Bärlauch und seinen giftigen Doppelgängern mit MALDI-TOF MS. Internetbeitrag CVUA Stuttgart, 13.03.2024

[5] Hübler C, Ormos R, Schneider C, Rau J (2022) Gift oder Genuss – Artbestimmung von Pflanzen im MALDI-TOF MS; Regionalverbandstagungen der Lebensmittelchemischen Gesellschaft. Poster

[6] MALDI-Nutzer Plattform MALDI-UP (2024)

[7] Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), zugegriffen am 30.09.2024

[8] Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), zugegriffen am 25.10.2024

 

 

Artikel erstmals erschienen am 05.11.2024